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  • 13.04.2016 · IWW-Abrufnummer 146747

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 15.02.2016 – 3 Ws (B) 538/15 - 122 Ss 142/15

    1. Bei der Auslegung des Begriffs der Wirkung im Sinne des § 24c Abs. 1 Alt. 2 StVG sind zum einen die allgemein anerkannten medizinischnaturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse, zum anderen die in Umsetzung solcher Erkenntnisse getroffenen rechtlichen Wertentscheidungen des § 24a Abs. 1 StVG zu beachten.

    2. Eine Wirkung liegt regelmäßig erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille bzw. einer Atemalkoholkonzentration von 0,1 mg/l vor.

    3. Ob ausnahmsweise bei Fahrauffälligkeiten eine Wirkung schon unterhalb dieser Werte in Betracht kommen kann, ist zweifelhaft, kann hier aber offenbleiben.


    KG,

    Beschl. v.15. 2. 2016

    3 Ws (B) 538/15 - 122 Ss 142/15

    In der Bußgeldsache
    gegen pp.
    wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

    hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts
    am 15. Februar 2016 beschlossen:

    1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. Juli 2015 aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.

    2. Die Kosten des Verfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Landeskasse zur Last.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Alkoholverbot für Fahranfänger (§ 24 c Abs. 1 Alt. 2 StVG) eine Geldbuße in Höhe von 250 € verhängt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der damals 20 Jahre alte Betroffene einen PKW geführt, nachdem er in der Nacht zuvor Alkohol getrunken hatte. Die etwa eine halbe Stunde nach Fahrtende durchgeführte Atemalkoholmessung mit dem Gerät Dräger Alcotest 7110 Evidential ergab einen Wert von 0,05 mg/l.

    Durch Beschluss vom 12. Februar 2016 hat die Einzelrichterin die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2, Satz 1 Alt. 1 OWiG die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen.

    II.

    Die nach ihrer Zulassung gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.

    Nach § 24c Abs. 1 StVG in der hier allein in Betracht kommenden zweiten Tatbestandsalternative handelt ein Fahranfänger ordnungswidrig, wenn er die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines alkoholischen Getränks steht. Die Urteilsfeststellungen belegen nicht, dass das hier der Fall war.

    Eine Wirkung im Sinne des § 24c Abs. 1 Alt. 2 StVG kann erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,1 mg/l angenommen werden, die der Betroffene mit der gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,05 mg/l nicht erreicht hat.

    1. Obwohl § 24c Abs. 1 StVG keine Grenzwerte festlegt, ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/5047, S. 9) im Anschluss an einen Vorschlag der Alkohol-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (BA 44 [2007], 169) davon aus, dass eine Wirkung unterhalb von 0,2 Promille bzw. 0,1 mg/l aus messtechnischen und medizinischen Gründen grundsätzlich ausscheidet. Das Schrifttum hat sich dem im Wesentlichen angeschlossen (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 24c StVG Rn. 11; Krumm NJW 2015, 1863, 1864; Janker DAR 2013, 398; ders. DAR 2007, 497, 499; Hufnagel NJW 2007, 2577, 2578; Burhoff VRR 2007, 371, 374).

    2. Die zu § 24c StVG bekannt gewordene Rechtsprechung ist nicht umfangreich und bietet kein einheitliches Bild. Für Grenzwerte von 0,2 Promille bzw. 0,1 mg/l haben sich bisher das AG Langenfeld (Urteil vom 4. April 2011 - 20 OWi 42/11 -, juris Rn. 2: Freispruch bei einer gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,06 mg/l) und das AG Biberach (Urteil vom 31. Juli 2012 - 5 OWi 250 Js 5856/12 -, wiedergegeben in OLG Stuttgart NZV 2013, 563: Verurteilung bei einer gemessenen Blutalkoholkonzentration von 0,25 Promille) ausgesprochen. Auf der gleichen Linie liegt eine Entscheidung des LAG Köln (Urteil vom 19. März 2008 - 7 Sa 1369/07 -, juris), die bei einer Atemalkoholkonzentration von 0,1 mg/l einen Verstoß gegen die mit § 24c Abs. 1 StVG inhaltlich vergleichbare Regelung in § 9 Abs. 11 Nr. 18 der Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE) annahm, ohne allerdings die Frage eines Grenzwertes zu thematisieren. Demgegenüber sprach das AG Herne (Urteil vom 17. Dezember 2008 - 15 OWi 60 Js 584/08 - 5/08 -, juris Rn. 2) den Betroffenen bei einem gemessenen Atemalkoholwert von 0,13 mg/l frei, weil nach den - nicht näher mitgeteilten - Bekundungen des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen der Grenzwert für die Annahme einer Wirkung derzeit bei mindestens 0,26 Promille Alkohol im Blut und bei dem konkreten Betroffenen aufgrund seiner körperlichen Konstitution sogar bei 0,3 Promille liege. Das OLG Stuttgart, a. a O., das über die Rechtsbeschwerde gegen das o. g. Urteil des AG Biberach zu entscheiden hatte, hat zwar die Verurteilung des Betroffenen bestätigt, dem Grundwert von 0,1 Promille jedoch nur einen Sicherheitsaufschlag von 0,05 Promille hinzugerechnet und damit den Grenzwert auf nur 0,15 Promille bestimmt.

    3. Der Senat ist der Auffassung, dass die in der Gesetzesbegründung genannten Werte jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft die Untergrenze darstellen, ab der eine Wirkung erst angenommen werden kann.

    a) Mit der Einführung des § 24 c StVG hat der Gesetzgeber der wissenschaftlich belegten Erkenntnis Rechnung getragen, dass das bei Fahranfängern ohnehin schon hohe Unfallrisiko bereits durch geringe Mengen Alkohol weiter gesteigert wird. Beabsichtigt ist „das klare und verständliche Signal, dass Fahren und Trinken nicht zu vereinbaren sind“ (Gesetzesbegründung, BT-Drs 16/5047, S. 7). Während allerdings § 24c Abs. 1 Alt. 1 StVG dem Fahranfänger den Konsum von alkoholischen Getränken während der Fahrt schlechthin verbietet, setzt § 24c Abs. 1 Alt. 2 StVG für den Konsum vor Fahrtantritt zusätzlich voraus, dass der Betroffene noch unter der „Wirkung“ des Alkohols steht.

    Da der Gesetzgeber sowohl auf eine nähere Ausgestaltung des Begriffs der Wirkung verzichtet als auch bewusst von der Festlegung von Gefahrengrenzwerten abgesehen hat, um dem Risiko eines „Herantrinkens“ an den Grenzwert entgegenzuwirken (Gesetzesbegründung zu § 24c StVG, BT-Drs 16/5047, S. 9; kritisch dazu König in: Hentschel/König/Dauer, § 24c StVG Rn. 10), ist es Aufgabe der Rechtsprechung, dieses Tatbestandsmerkmal zu präzisieren.

    Es besteht Einigkeit, dass es sich bei § 24c Abs. 1 StVG um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt und für die Annahme einer Wirkung eine konkrete Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit des Betroffenen nicht entscheidend ist. Ähnlich wie bei dem Begriff der Wirkung im Sinne des § 24a Abs. 2 StVG (vgl. dazu BVerfG NJW 2005, 349, 351; König in: Hentschel/König/Dauer, § 24a StVG Rn. 21 f.) ist es auch im Rahmen des § 24c Abs. 1 StVG ausreichend, aber erforderlich, dass der aufgenommene Alkohol in einer nicht nur völlig unerheblichen Konzentration im Spurenbereich im Körper vorhanden ist und zu einer Veränderung physischer oder psychischer Funktionen führen kann (BT-Drs 16/5047, S. 9; König in: Hentschel/König/Dauer, § 24c StVG Rn. 11; Janker DAR 2007, 497, 499).

    Obwohl § 24c Abs. 1 StVG keine Grenzwerte enthält, wird im Anschluss an die Gesetzesbegründung (BT-Dr 16/5047, S. 9) allgemein davon ausgegangen, dass derzeit aus medizinischen und messtechnischen Gründen auf die Festlegung von Untergrenzen nicht verzichtet werden kann (König in: Hentschel/König/Dauer, § 24a StVG Rn. 11; Janker in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, Rn. 14, jeweils m. w. N.). Ab welchem Messwert danach eine Beeinflussung des Fahrers angenommen werden kann, lässt sich nur auf der Grundlage medizinischnaturwissenschaftlicher Erkenntnisse entscheiden (vgl. - zur absoluten Fahruntüchtigkeit im Sinne der §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1a StGB - BGH NZV 1990, 357). Soweit diese in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig anerkannt werden, sind sie für den Richter bindend (BGH a. a. O., m. w. N.) und ihre Beachtung durch das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht zu überprüfen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 337 Rn. 31 m. w. N.).

    Die somit zu beachtenden naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse betreffen zum einen spezifische medizinische und messtechnische Besonderheiten von Alkoholkonzentrationen nahe Null, zum anderen auch Erkenntnisse - etwa zum Verhältnis zwischen Blut- und Atemalkoholmessung -, die bereits in die mehrfach geänderte allgemeine Promillegrenze in § 24a Abs. 1 StVG eingeflossen sind. Darüber hinaus sind auch rechtliche Wertungen in den Blick zu nehmen, die der Gesetzgeber im Rahmen des § 24a Abs. 1 StVG im Zuge der Umsetzung der naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse getroffen hat und an die § 24c Abs. 1 StVG erkennbar anknüpfen wollte.

    aa) § 24c StVG regelt nicht, auf welche Weise der Nachweis der Alkoholisierung erbracht werden kann. Die Norm geht aber offensichtlich von der Vorstellung aus, dass dies ebenso wie im Rahmen des § 24a Abs. 1 StVG sowohl durch eine Blutalkoholprobe als auch durch eine Atemalkoholprobe geschehen kann. Mit der Neufassung des § 24a Abs. 1 StVG zum 1. Mai 1998 hat der Gesetzgeber sich generell dafür entschieden, im Recht der Verkehrsordnungswidrigkeiten künftig neben der Blutalkoholanalyse auch die bis dahin umstrittene Atemalkoholanalyse als einfach zu handhabende und für den Betroffenen weniger belastende Messmethode zuzulassen. Er hat damit auf ein Gutachten des Bundesgesundheitsamtes (Schoknecht, Gutachten zur Prüfung der Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, 1991, S. 20 ff. - im Folgenden: BGA-Gutachten 1991) reagiert, das erstmals die Voraussetzungen für eine beweissichere Durchführung der Atemalkoholanalyse im Detail untersucht und beschrieben hat (vgl. Gesetzesbegründung zur Änderung des § 24a StVG vom 19. Mai 1995, BT-Drs 13/1439, S. 1, 4). Dass im Rahmen des § 24c StVG nichts anderes gelten kann, setzt die Gesetzesbegründung zu § 24c StVG als selbstverständlich voraus (vgl. BT-Drs 16/5047, S. 9).

    bb) Auch für die Festlegung der nach der Gesetzesbegründung unverzichtbaren Grenzwerte enthält § 24a Abs. 1 StVG verallgemeinerungsfähige Grundsätze.

    § 24a Abs. 1 StVG lässt sich zunächst entnehmen, dass ein selbstständiger Grenzwert für den Atemalkohol festzusetzen und dieser in einem festen Verhältnis von 2000:1 vom Blutalkoholwert abzuleiten ist. Blut- und Atemalkoholwerte stehen nicht in einer konstanten Beziehung zueinander und sind nicht direkt konvertierbar (BGA-Gutachten 1991, S. 6; BayObLG NZV 2000, 295). Gleichwohl hat der Gesetzgeber sich bei der Einführung der Atemalkoholanalyse im Jahr 1998 für ein festes Verhältnis zwischen den Blutalkoholwerten von 0,8 Promille (d. h. g/kg) bzw. 0,5 Promille und den Atemalkoholwerten von 0,4 mg/l bzw. 0,25 mg/l entschieden. Dieses auch bei der Abschaffung der 0,8 Promille-Grenze im Jahr 2001 beibehaltene Größenverhältnis ist so gewählt, dass der Atemalkoholwert mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% unter den Grenzwert liegt, wenn der gleichzeitig gemessene Blutalkoholwert den entsprechenden Grenzwert erreicht (vgl. BGH NZV 2001, 267, 269; BayObLG NZV 2000, 295, 296; BGA-Gutachten 1991, S. 15, 20 f.). Der Gesetzgeber wollte dadurch die Atemalkoholmessung geringfügig begünstigen, um einen Anreiz für die freiwillige Mitwirkung des Betroffenen zu schaffen (vgl. BayObLG, a. a. O.; Jachau/Wittig/Krause, BA 44 [2007], 117, 121). Die in der Gesetzesbegründung zu § 24c StVG angenommenen Grenzwerte lassen erkennen, dass die Neuregelung an diese Wertentscheidung anknüpfen wollte.

    Aus § 24a Abs. 1 StVG folgt weiterhin, dass erforderliche Sicherheitszuschläge bereits in den Grenzwert einzurechnen sind. Bereits der ursprüngliche Grenzwert von 0,8 Promille setzte sich zusammen aus einem Grundwert von 0,65 Promille und einem Sicherheitszuschlag von 0,15 Promille (BT-Drs 7/133, S. 5). Der im Jahr 1998 neu eingeführte 0,5-Promille-Wert besteht aus einem Grundwert in Höhe von 0,4 Promille, dem ein Sicherheitszuschlag von nunmehr nur noch 0,1 Promille hinzugesetzt wurde (BT-Drs 13/1439, S.4; BGH NZV 2001, 267, 270; BayObLG NZV 2000, 295, 297; König in: Hentschel/König/Dauer, § 24a StVG Rn. 11). Auch in den daraus abgeleiteten Atemalkoholgrenzwerten von 0,4 mg/l bzw. 0,25 mg/l ist danach rechnerisch ein Sicherheitszuschlag enthalten (BGH, a. a. O.; BayObLG, a. a. O. m. zust. Anm. König).

    Durch die Einrechnung des Sicherheitszuschlags in den Grenzwert wird auch im Rahmen des § 24c StVG die Möglichkeit eröffnet, die gemessenen Werte ohne Abschlag zu verwerten (vgl. BGH NZV 2001, 267, 270; BayObLG, a. a. O., S. 297). Dabei ist die Höhe des Sicherheitszuschlags in erster Linie an den Streuungsbreiten der Blutalkoholanalyse auszurichten. Diese fließen bei dem in § 24a Abs. 1 StVG vorgegebenen festen Größenverhältnis mittelbar auch in den abgeleiteten Grenzwert für den Atemalkohol ein, während den vergleichbaren Unsicherheiten bei der Atemalkoholmessung grundsätzlich durch die Bemessung des „Umrechnungsfaktors“ Rechnung getragen wird.

    Auch die Höhe des Sicherheitszuschlags kann sich grundsätzlich an § 24a Abs. 1 StVG orientieren. Die dort eingerechneten Sicherheitszuschläge wurden nicht relativ zu den konkreten Grundwerten festgelegt. Der in dem aktuellen 0,5-Promille-Wert enthaltene Zuschlag von 0,1 Promille entspricht vielmehr dem Zuschlag, den der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 26. Juni 1990 (NZV 1990, 357, 358) auf der Grundlage eines in seinem Auftrag erstellten Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahr 1989 (Schoknecht NZV 1990, 104) für den Blutalkoholgrenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit vorgegeben hat. Die Auswertung eines Ringversuchs aus dem Jahre 1988 hatte für die drei möglichen Kombinationen der Verfahren zur Blutalkoholbestimmung Abweichungen in Höhe von höchstens 0,05 Promille ergeben. Diesen Wert hat der Bundesgerichtshof im Anschluss an den Vorschlag des Gutachtens (Schoknecht a. a. O., 106) verdoppelt, weil die Teilnahme weiterer Laboratorien an dem Ringversuch zu abweichenden Ergebnissen hätte führen können und die Verwendung von Serum statt Vollblut als Probenmaterial eine mit geringfügigen Ungenauigkeiten behaftete Umrechnung erforderlich gemacht habe (BGH, a. a. O.).

    b) Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich eine Wirkung im Sinne des § 24c Abs. 1 StVG erst ab einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille bzw. einem Atemalkoholwert von 0,1 mg/l annehmen. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sind Grenzwerte von 0,0 Promille bzw. 0,0 mg/l nicht bestimmbar (Jachau/Wittig/Krause, a. a. O., 122). Die von der Alkohol-Kommission für das Alkoholverbot für Fahranfänger vorgeschlagenen Grenzwerte von 0,2 Promille bzw. 0,1 mg/l tragen dieser Erkenntnis Rechnung und stehen zudem im Einklang mit den Wertentscheidungen des § 24a Abs. 1 StVG. Die zu diesem Thema durchgeführten Untersuchungen haben keine Besonderheiten von sehr niedrigen Alkoholisierungsgraden nahe Null ergeben, die einer Übertragung von Rechtsgedanken des § 24a Abs. 1 StVG entgegenstehen würden.

    aa) Bei dem von der Alkohol-Kommission ermittelten Grundwert von 0,1 Promille handelt es sich um einen Wert, der von allen nach geltenden Richtlinien arbeitenden Laboratorien zuverlässig messbar ist. Eine Beeinflussung der Messung durch möglicherweise in sehr geringen Mengen im Bereich von 1/1000 Promille vorhandenen endogenen Alkohol kann dabei vernachlässigt werden (Alkohol-Kommission, BA 44 [2007], 169, 170; Jachau/Wittig/Krause, a. a. O., 117 f., 121). Der Wert liegt auch so hoch, dass die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Körperfunktionen mit Sicherheit gegeben ist. Eine in der Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/5047, S. 7) angeführte Studie aus den USA, nach der die Unfallwahrscheinlichkeit für Fahranfänger bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,1 Promille bereits um 25% erhöht ist, deutet sogar darauf hin, dass eine Beeinflussung von Körperfunktionen schon unterhalb von 0,1 Promille denkbar ist. Verlässliche Aussagen über einen geringeren Grundwert lassen sich jedoch auf der Grundlage der dem Senat bekannt gewordenen Studien bisher nicht treffen.

    bb) Der in § 24a Abs. 1 StVG angesetzte Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille ist aus wissenschaftlicher Sicht auch im Rahmen des § 24c StVG ausreichend, aber auch erforderlich (Alkohol-Kommission, a. a. O., 170). Ein Ringversuch der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie hat den damit gebildeten Grenzwert von 0,2 Promille als ausreichend zuverlässig bestätigt (Herbold/Aderjan, BA 44 [2007], Suppl. 42).

    Die Ansicht des OLG Stuttgart (NZV 2013, 563, 564 f.), der Sicherheitszuschlag sei mit 0,05 Promille ausreichend bemessen, überzeugt nicht. Zur Begründung stützt sich das Gericht allein auf das Ergebnis des Ringversuchs aus dem Jahr 1988, auf dessen Grundlage der Bundesgerichtshof die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit auf 1,1 Promille herabgesetzt hat (NZV 1990, 357, 358). Es geht dabei allerdings weder auf die Erwägungen in der Gesetzesbegründung ein noch auf die auch im Rahmen des § 24c StVG einschlägigen Gründe, die den Bundesgerichtshof zu einer Verdoppelung des in dem Ringversuch ermittelten Wertes veranlasst haben (König, in: Hentschel/König/Dauer, § 24c StVG Rn. 11).

    cc) Da es sich bei § 24c StVG um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, gilt der Grenzwert von 0,2 Promille unabhängig von den Auswirkungen der Alkoholisierung auf den konkreten Betroffenen. So kann entgegen der Ansicht des AG Herne (Urteil vom 17. Dezember 2008 - 15 OWi 60 Js 584/08 - 5/08 -, juris Rn. 2; zust. Krumm, NJW 2015, 1863, 1865) eine individuell besonders hohe Alkoholverträglichkeit des Betroffenen nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Umgekehrt gibt es nach den Erkenntnissen der Alkohol-Kommission auch keine Grundlage dafür, bei einer besonders hohen Empfindlichkeit des Betroffenen eine Wirkung schon unterhalb der Grenzwerte in Betracht zu ziehen.

    Ob etwas anderes ausnahmsweise gelten kann, wenn das Fahrverhalten des Betroffenen konkrete Anhaltspunkte für Leistungsbeeinträchtigungen aufweist (bejahend (König in: Hentschel/König/Dauer, § 24c StVG Rn. 11; Krumm, NJW 2015, 1863, 1865; Burhoff VRR 2007, 371), erscheint zweifelhaft. Die Gründe, die der Festlegung eines geringeren Grenzwertes für eine nur abstrakt mögliche Leistungsbeeinträchtigung entgegen stehen, dürften es unterhalb des Grenzwertes auch kaum zulassen, eine konkrete Fahrauffälligkeit mit der erforderlichen Sicherheit auf den Alkoholkonsum zurückzuführen. Der Senat muss diese Frage hier jedoch nicht abschließend entscheiden. Das Amtsgericht hat keine Fahrauffälligkeiten bei dem Betroffenen festgestellt, und der Senat schließt es aus, dass eine neue Hauptverhandlung dazu noch weitere Erkenntnisse bringen könnte.

    dd) Aus dem Blutalkoholgrenzwert von 0,2 Promille lässt sich nach dem in § 24a Abs. 1 StVG vorgegebenen festen Größenverhältnis ohne Weiteres ein Grenzwert für die Atemalkoholmessung von 0,1 mg/l ableiten. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass Besonderheiten sehr niedriger Alkoholkonzentrationen ein abweichendes Umrechnungsverhältnis gebieten könnten, sind nicht bekannt geworden. Spurenalkohol und eine - ohnehin nur in geringem Maße - mögliche Beeinflussung der Messung durch endogenen Alkohol werden bei der Atemalkoholmessung entsprechend den Vorgaben der DIN VDE 0405, Teil 2 (4) schon dadurch ausgeschlossen, dass Messergebnisse unterhalb von 0,05 mg/l von dem Gerät Dräger Evidential 7110 mit 0,00 mg/l ausgegeben werden. Der aus dem entsprechenden Blutalkoholwert abgeleitete Sicherheitszuschlag von 0,05 mg/l ist nach den derzeitigen Erkenntnissen ausreichend, um sämtlichen denkbaren Messunsicherheiten und Streuungsbreiten einschließlich eines möglichen Hystereseeinflusses - d. h. der Verfälschung einer Messung bei niedriger Konzentration durch eine vorangegangene Messung bei hoher Konzentration - ausreichend zu begegnen (vgl. Alkohol-Kommission, BA 44 [2007], 169, 170; Jachau/Wittig/Krause, a. a. O., 121; BGH NZV 2001, 267, 270).

    c) Die hier bei dem Betroffenen etwa eine halbe Stunde nach Fahrtende gemessene Atemalkoholkonzentration von 0,05 mg/l liegt deutlich unter dem Grenzwert von 0,1 mg/l. Ob bei der Atemalkoholmessung ähnlich wie bei der Blutalkoholmessung eine Rückrechnung in Betracht kommt (vgl. Jachau/Wittig/Krause, a. a. O., 122) und auf welchen Zeitpunkt dabei im Rahmen des § 24c StVG abzustellen wäre, kann an dieser Stelle dahinstehen. Der Senat schließt es aus, dass dadurch hier der Grenzwert von 0,1 mg/l erreicht werden könnte.

    4. Die von der Entscheidung des OLG Stuttgart (NZV 2013, 563, 564) abweichende Festlegung der Grenzwerte gebietet es nicht, die Sache gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Eine Vorlage ist nur dann veranlasst, wenn die abweichenden Rechtsauffassungen jeweils die unmittelbar tragenden Grundlagen der Entscheidung darstellen. Sie müssen in beide Richtungen entscheidungserheblich (gewesen) sein (BGH NJW 2000, 222; OLG Düsseldorf NZV 1992, 497, 498; Meyer-Goßner/Schmitt, § 121 GVG Rn. 10 f.; Hannich in: KK-StPO, 7. Aufl. 2013, § 121 GVG Rn. 38). Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des OLG Stuttgart betrifft allein den Blutalkoholgrenzwert. Zu der die Entscheidung des Senats tragenden Festlegung eines Atemalkoholgrenzwerts und zum Größenverhältnis von Blut- und Alkoholgrenzwert trifft sie keine Aussage. Im Übrigen hätten, ein übereinstimmendes festes Größenverhältnis von 2000:1 unterstellt, die abweichenden Grenzwerte in dem jeweils anderen Fall zu keinem anderen Ergebnis geführt: Im Fall des OLG Stuttgart hätte auch der vom Senat angenommene Blutalkoholgrenzwert von 0,2 Promille zur Verurteilung des mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,25 Promille aufgefallenen Betroffenen geführt, während der Betroffene im hier zu entscheidenden Fall auch mit dem aus dem Blutalkoholgrenzwert des OLG Stuttgart von 0,15 Promille abgeleiteten Atemalkoholgrenzwert von 0,75 mg/l freizusprechen gewesen wäre.

    5. Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG entscheidet der Senat in der Sache selbst und spricht den Betroffenen frei. Es ist nicht zu erwarten, dass eine neue Hauptverhandlung zu Erkenntnissen führen kann, die eine Verurteilung rechtfertigen würden.

    III. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, § 46 OWiG.