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  • 08.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131447

    Amtsgericht Eutin: Beschluss vom 17.10.2012 – 36 OWi 8/12

    Zum Umfang und zur Art und Weise der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren.


    36 OWi 8/12
    Amtsgericht Eutin
    Beschluss
    In der Bußgeldsache gegen
    Verteidiger
    Rechtsanwalt Stefan Busch, Holstenstraße 6, 23552 Lübeck
    wegen
    ist dem Verteidiger Einsicht in die Bedienungsanleitung der verwendeten Auswertesoftware ViDistA zu gewähren.
    Die Akteneinsicht ist nach Wahl der Behörde zu gewähren durch Übersendung des Originals oder einer Ablichtung zur Einsicht in die Kanzleiräume des Verteidigers. Die Behörde ist nicht verpflichtet, dem Verteidiger eine Ablichtung zum Verbleib bei ihm zu erstellen.
    Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
    Gründe:
    Die Verwaltungsbehörde wirft dem Betroffenen eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor und beruft sich insoweit auf eine Videoaufzeichnung durch ein mit dem Gerät Provida 2000 modular ausgerüstetes Fahrzeug sowie die Auswertung mittels des Verfahrens ViDistA.
    Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.07.2012 hat der Verteidiger beantragt, ihm die Bedienungsanleitung des Messgerätes zur Verfügung zu stellen.
    Die Behörde hat hierauf eine Stellungnahme der Dienststelle eingeholt, die die Messung durchgeführt hat. In dieser wird ausgeführt, dass die Übersendung der Bedienungsanleitung aufgrund urheberrechtlicher Schutzrechte nicht in Betracht kommt, eine Einsichtnahme aber auf der hiesigen Dienststelle nach Absprache gewährt wird.
    Die Verwaltungsbehörde hat dem Verteidiger diese Stellungnahme mit Schreiben vom 14.08.2012 zur Kenntnis und zum Verbleib übersandt.
    Der Verteidiger hat hierauf durch anwaltlichen Schriftsatz vom 15.08.2012 gegen die Versagung der Fertigung und Herausgabe von Kopien der Gebrauchsanweisung des Messsystems ViDistA VMDR einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.
    Der Verteidiger wertet das Verhalten der Verwaltungsbehörde als Verweigerung, seinem Antrag auf Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung stattzugeben. Der Verteidiger ist der Auffassung, ihm müsse die Bedienungsanleitung durch Übersendung in Kopie zugänglich gemacht werden. Eine Überprüfung des Vorwurfs und der Ordnungsgemäßheit der Messung sei ansonsten nicht möglich.
    Die Verwaltungsbehörde ist der Auffassung, das Angebot der persönlichen Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Polizeidienststelle sei ausreichend.
    Der nach Auffassung des Gerichts zulässige Antrag hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
    Zwar zählt die Bedienungsanleitung nach Auffassung des Gerichts nicht zu den Akten im Sinne der §§ 46 OWiG, § 147 StPO. Akteneinsicht ist nämlich nur in die Akten zu gewähren, die dem Gericht vorliegen, bzw. vorzulegen sind (vgl. allgemein BGH, Beschl. v. 22.01.2009, StB 24/08, in: NStZ 2009, 399f. - juris Rn. 9 -). Zu den dem Gericht vorzulegenden Akten in einem Bußgeldverfahren gehören grundsätzlich Bedienungsanleitungen für zur Messung verwandte Geräte nach Auffassung des Gerichtes nicht.
    Indessen wird man jedenfalls als Ausfluss des Rechts auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (hierzu allgemein Meyer-Goßner, StPO, Einleitung Rn. 19) dem Verteidiger und dem Betroffenen ein berechtigtes Bedürfnis zugestehen müssen, in die Bedienungsanleitung Einsicht zu nehmen, die Vorgehensweise bei der Messung und somit den Tatvorwurf prüfen zu können.
    Dies gilt jedoch nicht unbeschränkt.
    Vielmehr sind die Interessen des Betroffenen und die der beteiligten Behörden gegeneinander abzuwägen. Auch ist die Bedeutung und Schwere des Tatvorwurfes in den Blick zu nehmen. Ferner gilt auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
    In Abwägung aller dieser Gesichtspunkte ergibt sich nach Auffassung des Gerichts, dass der Betroffene nicht darauf verwiesen werden darf, Einsicht in den Räumen der Behörde zu nehmen. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb hier die Einsicht in die Bußgeldakte selbst und die in die Bedienungsanleitung in unterschiedlicher Art und Weise zu gewähren sein sollen. Auch für letztere muss der Maßstab des § 147 Abs. 4 S. 1 StPO entsprechend gelten. Demzufolge sind die Unterlagen dem Verteidiger zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume mitzugeben, sofern nicht gewichtige Gründe entgegenstehen. Urheberrechtliche Vorschriften stehen nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen. Sofern überhaupt ein geschütztes Werk i.S.v. § 2 UrhG vorliegt, besteht nach Auffassung des Gerichtes jedenfalls eine Berechtigung der Behörde, dem Betroffenen und seinem Verteidiger die Anleitung im laufenden Verfahren zugänglich zu machen (vgl. § 45 UrhG). Gewichtige Gründe können sich vorliegend allenfalls daraus ergeben, dass die für die Messung zuständige Dienststelle die Bedienungsanleitung im laufenden Dienstbetrieb benötigt. Diesem Umstand kann jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Verteidiger eine Kopie übersandt wird. Ob die Behörde das Original oder eine Kopie zur Verfügung stellt, muss ihr mit Rücksicht auf ihre dienstlichen Belange und die der jeweils für die Messung zuständigen Dienststelle vorbehalten bleiben. Der damit verbundene Mehraufwand ist nach Auffassung des Gerichts in Abwägung zu den in Rede stehenden Rechten des Betroffenen und den geltenden Verfahrensgrundsätzen vertretbar. Insbesondere kann die Behörde derartige Kopien bei Bedarf erstellen und nach Einsichtnahme durch den Verteidiger auch für andere Verfahren erneut verwenden. Die Übersendung einer Kopie zur Einsicht beschränkt auch die Rechte des Betroffenen nach Auffassung des Gerichts nicht unverhältnismäßig.
    Soweit das Gericht bislang eine andere Auffassung vertreten hat, wird diese nicht mehr aufrecht erhalten.
    III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus den § 46 OVVIG, § 473 StPO.
    Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG).
    Eutin, 17.10.2012 Amtsgericht Eutin