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  • 01.01.2005 | Verbrauchsgüterkauf

    Beweislastumkehr auch bei Blechschäden?

    Die beim Verbrauchsgüterkauf in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass der Sachmangel, der sich innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang zeigt, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag, ist nicht, weil mit der Art des Mangels unvereinbar, bereits dann ausgeschlossen, wenn ein hinreichend wahrscheinlicher Rückschluss hinsichtlich des Eintritts des Mangels ausscheidet (OLG Stuttgart 17.11.04, 19 U 130/04, nrkr., Abruf-Nr. 043092).

     

    Sachverhalt

    Am 28.10.03 kaufte der Kläger (= Verbraucher) von der beklagten Kfz-Händlerin einen Vorführwagen (Ford Fiesta) für 11.500 EUR. Grundlage der einjährigen Sachmängelhaftung sollte erklärtermaßen ein „Übergabeprotokoll“ sein. Das von beiden Seiten unterzeichnete Dokument enthielt 3 Möglichkeiten der Klassifizierung der einzelnen Baugruppen und Teile. Die Karosserie wurde der Klassifizierung 1 („einwandfreier Zustand ... voll funktionstüchtig“) zugeordnet. Nach Übernahme beanstandete der Kläger u.a. Unebenheiten am Rand des Kotflügels vo. re., eine Verformung der Stoßstange und Lackbeschädigungen am Radlauf hi. li. Die Beklagte lehnte es ab, diese „Mängel“ zu beseitigen, war aber in anderen Punkten nachbesserungsbereit. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kauf. Das LG gab der Klage statt. Die Berufung des Autohauses blieb im Wesentlichen ohne Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Wie das LG bejaht das OLG ein Rücktrittsrecht des Klägers wegen Mangelhaftigkeit. Die Karosserie entspreche nicht der Beschaffenheit, wie sie nicht zuletzt durch das „Übergabeprotokoll“ mit der Klassifizierung 1 festgelegt worden sei. Mit dem Einwand, die Lackschäden und die Verformung der Stoßstange seien bei Auslieferung nicht vorhanden gewesen, drang die Beklagte nicht durch. Dem Kläger kam laut OLG die Beweisvermutung des § 476 BGB zugute. Diese sei beim Kauf eines gebrauchten Kfz keineswegs generell ausgeschlossen und im Streitfall auch vereinbar mit der Art der gerügten Mängel. Unvereinbarkeit sei nicht schon zu bejahen, wenn der allgemeine Erfahrungssatz „was sich innerhalb von 6 Monaten zeigt, war schon bei Übergabe da“ ausnahmsweise keine Basis habe. Dieser Gesichtspunkt sei nicht allein maßgeblich. Es komme auch darauf an, ob der Verkäufer mit seinen typischerweise besseren Erkenntnismöglichkeiten den Mangel hätte erkennen können. Wenn das, wie in concreto, zu bejahen sei, müsse der Verkäufer die Beweisvermutung gegen sich gelten lassen. Demzufolge müsse die Beklagte die Mängelfreiheit bei Übergabe beweisen, was ihr nicht gelungen sei.  

     

    Praxishinweis

    Was man der BGH-Entscheidung v. 2.6.04 (VA 04, 145, Abruf-Nr. 041808) vorgeworfen hat, nämlich übertriebene Händlerfreundlichkeit, kann diesem OLG-Urteil nicht nachgesagt werden. Vom Ansatz her ist es richtig, den Ausnahmetatbestand „Art des Mangels“ eng auszulegen. Die Erkennbarkeit bzw. Sichtbarkeit des Mangels ins Spiel zu bringen, ist indes sehr problematisch; auch wenn man nur auf die Erkennbarkeit durch den Verkäufer abstellt. Allein entscheidend sollte das Kriterium der „Entstehungswahrscheinlichkeit“ sein. Da bei Verformungen der Karosserie und der Stoßstange die ernsthafte Möglichkeit der Entstehung nach Übergabe besteht, schiebt die h.M. bei derartigen Mängeln dem Verbraucher den Vollbeweis der Mangelhaftigkeit bei Übergabe zu (Müko, § 476, Rn. 17 m.w.N.). Das letzte Wort hat der BGH (Revision ist zugelassen). Angesichts der derzeitigen Unsicherheiten bei der Beweislastumkehr sind auch Verbraucher gut beraten, sämtliche Beweise zu sammeln und zu sichern.