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  • 01.11.2006 | Unfallschadensregulierung

    Wichtiges OLG-Urteil zu Mietwagenkosten

    1. Einem in Unfallsachen unerfahrenen Geschädigten, der einen Tag nach seinem Unfall ein Ersatzfahrzeug zum Unfallersatztarif mietet, kann nicht entgegen gehalten werden, er habe sich nach einem billigeren „Normaltarif“ erkundigen und auf dieser Basis mieten müssen, wenn der Vermieter ausschließlich den Unfallersatztarif anbietet, die Überteuerung nicht ins Auge springt und ihm eine Anmietung zum „Normaltarif“ aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar war.  
    2. Die Ausfallzeit bemisst sich im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens nicht nur nach der Dauer der Wiederbeschaffung; hinzu zu rechnen ist die Zeitspanne zwischen Unfalltag und Vorlage des Schadensgutachtens.  

     

    Sachverhalt

    Am Nachmittag des 23.6.05 erlitt die Klägerin mit ihrem Mazda 626 ohne eigenes Verschulden einen Unfall. Am darauf folgenden Tag, einem Freitag, mietete sie bei einem örtlichen Vermieter einen Ersatzwagen zum Unfallersatztarif an. Ein anderer Tarif gehörte nicht zu seinem Angebot. Der am selben Tag beauftragte Sachverständige stellte einen wirtschaftlichen Totalschaden fest und veranschlagte eine Wiederbeschaffungsdauer von 12 bis 14 Werktagen. Am 13.7.05 gab die Klägerin den Mietwagen zurück. Der Vermieter berechnete für 20 Tage 4.385,22 EUR brutto. Die beklagte Versicherung kürzte die Rechnung unter Hinweis auf einen billigeren Normaltarif auch mit dem Einwand, die Mietzeit sei 5 Tage zu lang. Vor dem LG hatte sie damit Erfolg. Das OLG gab im Wesentlichen der Klägerin Recht.  

     

    Entscheidungsgründe

    Offen lässt der Senat, ob der beanspruchte Unfallersatztarif betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Jedenfalls sei der Klägerin nach den Gesamtumständen ein billigerer Tarif nicht zugänglich gewesen. Zugute zu halten seien ihr insbesondere ihre Unerfahrenheit bei unfallbedingter Autoanmietung, das Angewiesensein auf ein Auto und die „Unauffälligkeit“ des einzigen ihr angebotenen Mietpreises. Nicht gelten lässt der Senat das Argument, die Überteuerung habe sich der Klägerin auch deshalb erschließen müssen, weil der Gesamtmietpreis deutlich über den Wiederbeschaffungskosten gelegen habe. Nur hilfsweise geht das OLG auf die Situation ein, dass die Klägerin zur Nachfrage wegen einer preisgünstigeren Alternative verpflichtet gewesen wäre und ihr dann ein „Normaltarif“ angeboten worden wäre. Sich darauf einzulassen, sei ihr aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar gewesen (keine Kreditkarte, wirtschaftlich beengte Verhältnisse). Vor der Anmietung einen Vorschuss oder eine Deckungszusage der Versicherung zu erlangen, sei schon aus Zeitgründen illusorisch gewesen.  

     

    Praxishinweis

    Das überzeugend begründete Urteil hebt sich wohltuend von zahlreichen instanzgerichtlichen Entscheidungen ab, die in einer Art von vorauseilendem Gehorsam die Vorgaben des BGH zum Thema „Tarif-Zugänglichkeit“ (zuletzt VA 06, 167) einseitig zu Lasten von Geschädigten fortschreiben. Zu diesem überzogenen Sparprogramm passt die Beschränkung der Ausfallzeit auf die reine Wiederbeschaffungsdauer. Auch insoweit ist die Korrektur durch das OLG zu begrüßen. Gleiches gilt für seine moderate Schätzung der Eigenersparnis (4 Prozent).