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  • 26.04.2010 | Unfallschadensregulierung

    Unfallersatztarif: Überforderte Instanzgerichte

    1. Für die Frage, ob ein günstigerer Tarif als der sogenannte Unfallersatztarif „ohne weiteres“ zugänglich war, kommt es darauf an, ob dem Geschädigten in seiner konkreten Situation „ohne weiteres“ ein günstigeres Angebot eines bestimmten Autovermieters zur Verfügung stand.  
    2. Es obliegt dem Schädiger, der einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) geltend macht, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen „ohne weiteres“ zugänglich gewesen ist.  
    (BGH 2.2.10, VI ZR 139/08, Abruf-Nr. 100987).

     

    Sachverhalt

    Nach einem Unfall am 30.4.05 ließ die Kl. ihren Pkw vom 3. bis 10.5.05 reparieren. Die Ausfallzeit überbrückte sie mit einem Ersatzwagen, wofür ihr ein Autovermieter (Streithelfer) 1.838,60 EUR berechnete. Der beklagte VR zahlte nur 749,82 EUR. Die Klage auf den Differenzbetrag hat das AG Dresden abgewiesen, die Berufung war nur in Höhe von 162,38 EUR erfolgreich. Auf die Revision der Kl. und ihres Streithelfers hat der BGH unter Zurückweisung der Anschlussrevision das LG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.  

     

    Entscheidungsgründe

    Den Hauptmangel sieht der BGH in einer Vermengung der Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 S.1 BGB mit der Frage der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB. Zudem habe das LG zum Nachteil der Kl. zu geringe Anforderungen daran gestellt, ob ihr ein günstigerer Tarif „ohne weiteres“ zugänglich gewesen sei. Abermals versucht der BGH deutlich zu machen, wer was darzulegen und zu beweisen hat und wann der Tatrichter was offen lassen kann. Im Streitfall gehe es nur darum, ob die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Unfallersatztarifs offen bleiben könne, weil der Kl. ein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB zur Last falle. Die dafür maßgeblichen Umstände habe der Schädiger/VR darzulegen und ggf. zu beweisen, wovon nach den unzulänglichen Feststellungen des LG bislang nicht ausgegangen werden könne. Es folgen „Segelanweisungen“ hinsichtlich des Abzugs der Eigenersparnis und der Schätzung des Normaltarifs, wobei der Senat mit Blick auf die Anschlussrevision des VR die Heranziehung der Schwacke-Liste 2006 nicht beanstandet.  

     

    Praxishinweis

    Trotz, vielleicht auch wegen der Vielzahl von BGH-Entscheidungen zum Thema „Unzugänglichkeit/Zugänglichkeit“ eines Normaltarifs verheddern sich die Instanzgerichte bis zum heutigen Tag beklagenswert oft im fein gesponnenen Netz der BGH-Vorgaben. Meist zum Nachteil der Geschädigten und ihrer Vertragspartner, wie die Auswertung von ca. 200 Urteilen allein aus dem 1. Quartal 2010 zeigt. Für den Anwalt auf Klägerseite gilt deshalb: Den Vertragstarif (Unfallersatztarif) in erster Linie als objektiv erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB darstellen (dazu zuletzt BGH VA 10, 56), hilfsweise mangels zugänglicher Alternative als „subjektiv“ erforderlich (Stichwort „Eil-/Not-situation“). Schädiger/VR bestreiten gewöhnlich beide „Erforderlichkeiten“ und bauen ihre aktive Verteidigung auf einem Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB auf (Ohne-Weiteres-Zugänglichkeit eines Normaltarifs). Damit das Gericht mit diesem Einwand richtig, nämlich restriktiv, umgeht, sollte der Kl.-RA eine Kopie des hier angezeigten BGH-Urteils zur Akte reichen, am besten mit dem Wenning´schen Prüfungsschema in NZV 09, 62. Hilfreich ist das BGH-Urteil außerdem in Sachen Schwacke versus Fraunhofer. Dazu und zu weiteren Fragen - u.a. zur Relevanz von Internetangeboten - siehe auch die taggleiche BGH-Entscheidung VI ZR 07/09, Abruf-Nr. 100971.