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  • 23.10.2009 | Unfallschadensregulierung

    Unfall ohne Fahrzeugberührung: Beweisprobleme

    Der für die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG erforderliche Zurechnungszusammenhang kann in einem Fall ohne Fahrzeugberührung nicht angenommen werden, wenn nicht feststeht, dass die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion subjektiv vertretbar und insbesondere für ihn die einzige Möglichkeit war, eine Kollision zu vermeiden (OLG Brandenburg 23.7.09, 12 U 263/08, Abruf-Nr. 093394).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kläger wollte mit seinem Krad auf einer Bundesstraße zwei vor ihm fahrende Fahrzeuge überholen. Der Beklagte als direkter Vordermann setzte ebenfalls zum Überholen an. Aus streitigen Gründen kam der Kläger von der Fahrbahn ab und prallte ohne Fahrzeugkontakt gegen einen Baum. Das LG erkannte auf 50 : 50, während das OLG die Klage abwies.  

     

    Dem Kläger sei nicht der Beweis gelungen, dass seine Schäden „bei dem Betrieb“ des gegnerischen Kfz verursacht worden seien. Auch wenn eine Berührung nicht erforderlich sei, müsse doch feststehen, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Kfz zum Entstehen des Unfalls beigetragen habe. Es müssten hinreichende Anhaltspunkte feststehen, dass der Geschädigte sich infolge der Fahrweise des Anderen „zu der von ihm durchgeführten Fahrweise“ veranlasst sehen durfte, etwa wegen der Besorgnis einer Kollision. Ein derartiger Sachverhalt sei zwar schlüssig dargetan, jedoch nicht bewiesen; auch nicht durch einen Anscheinsbeweis. Laut Gutachten seien mehrere Abläufe möglich. Nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger noch vollständig auf der rechten Fahrbahn gefahren sei, als der Beklagte den Entschluss zum Überholen gefasst habe. Dann sei aber nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände sich der Kläger durch die Einleitung des Überholmanövers zu seiner Reaktion herausgefordert sehen durfte.  

     

    Praxishinweis

    Das nrkr. Urteil kann nicht überzeugen. Unzulässig vermischt werden Kausalitätserwägungen mit Verschuldensfragen, wie z.B. die Ausführungen zum (Verschuldens-)Anscheinsbeweis beim Überholen zeigen. Der Kläger muss nur nachweisen, dass die Fahrweise des Beklagten den Schadensablauf irgendwie (mit-)beeinflusst hat. Eine nur mögliche Beeinflussung reicht nicht aus. Andererseits schließt eine Schreckreaktion, selbst ein grober Eigenfehler (z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung, zu dichtes Auffahren) den erforderlichen Zurechnungszusammenhang nicht aus. Regulativ ist § 17 Abs. 1, 2 StVG, auch Abs. 3 (LG Darmstadt SP 06, 414 - Krad). Um Geschädigten in ihrer Beweisnot zu helfen, werden Beweiserleichterungen erwogen, auch die Anwendung des Anscheinsbeweises für eine psychisch vermittelte Kausalität. Als ein Notreaktionsverhalten nach Muster gilt auch und gerade bei Kradfahrern das Lenken „von der Gefahr weg“. Ob das OLG den Kläger nach § 141 ZPO angehört hat, ist nicht bekannt. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, ob man an § 448 ZPO gedacht hat (ähnlicher Fall: BGH NJW 83, 2033). Zum „berührungslosen Unfall“: VA 05, 156 ff.