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  • 23.12.2009 | Unfallschadensregulierung

    Sorgfaltsanforderungen bei Öffnen der Autotür

    Die Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO erfasst auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen. Kommt es dabei zur Berührung der geöffneten Fahrzeugtür mit einem in zu geringem Abstand vorbeifahrenden Lkw, kann eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt sein (BGH 6.10.09, VI ZR 316/08, Abruf-Nr. 093606).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kläger parkte seinen Pkw in einer 2 m breiten Parkbucht. Bei teilweise geöffneter Hintertür wollte er sein hinten links sitzendes Kind abschnallen. Der Beklagte fuhr mit seinem Lastzug auf der 7 m breiten Fahrbahn in einem Abstand von ca. 0,95 m an dem Pkw vorbei. Dabei wurde die Tür aus unbekanntem Grund (eventuell Luftzug) weiter geöffnet und vom Anhänger erfasst. AG-Quote 40 : 60 zulasten der Beklagten, LG-Quote 50 : 50.  

     

    Der BGH hat die Revision des Klägers (Ziel: 100 Prozent) zurückgewiesen. Er misst das Verhalten des Klägers am strengen Maßstab des § 14 Abs. 1 StVO. Die hiernach gesteigerte Sorgfaltspflicht beschränke sich nicht auf solche Vorgänge, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergebe. Das Gesetz stelle auf das Aus- und Einsteigen als solches ab. Eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers bejaht auch der BGH, ebenso eine (einfache) Fahrlässigkeit des Lkw-Fahrers (95 cm Seitenabstand war zu knapp). Erhöht sei die Betriebsgefahr des Lkw außerdem durch die mögliche Sogwirkung gewesen. Eine hälftige Schadensteilung sei angemessen.  

     

    Praxishinweis

    Zuzustimmen ist insbesondere dem am Schutzzweck der Norm ausgerichteten weiten Begriff des Aussteigens (wie auch des Einsteigens, zu eng OLG Bremen NZV 08, 575). Die Annahme eines Anscheinsbeweises für einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO wird freilich von Sekunde zu Sekunde der Erkennbarkeit des Aussteigevorgangs (offene Tür) fragwürdiger. Der BGH legt sich zeitlich nicht fest. Ohnehin ist der Anscheinsbeweis für ihn nur eine Hilfserwägung. Pro Anscheinsbeweis in vergleichbaren Fällen KG NZV 09, 502 und OLG Düsseldorf 16.1.06, I-1 U 102/05, Abruf-Nr. 093991. Mit der Anwendung des § 14 Abs. 1 StVO anstelle des „weicheren“ § 1 StVO war für den Kläger mehr als 50 Prozent nur beim Nachweis eines gravierenden Fehlers des Lkw-Fahrers erreichbar. Grobe Fahrlässigkeit konnte er nicht beweisen, zumal die Zugmaschine kollisionsfrei an dem Pkw vorbeigefahren war und erst der Hänger die Tür erwischt hatte (Abstand zum Pkw 0,95 cm!). Eine Sogwirkung (Luftzug) konnte zwar nicht positiv festgestellt werden. Um die Betriebsgefahr des Lastzuges zu erhöhen, genügte jedoch das bestehende Sogrisiko. Weitere aktuelle „Ausstiegsfälle“: OLG Frankfurt a.M. NJW 09, 3038 und LG Saarbrücken NZV 09, 501 (jeweils Parkplatz); KG 30.7.09, 12 U 175/08, Abruf-Nr. 093992 (Bushaltestelle).