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  • 01.07.2006 | Unfallschadensregulierung

    Schadenersatz trotz Vorschadens

    1. In Fällen eines (zunächst) verschwiegenen, mit dem geltend gemachten Schaden ganz oder teilweise deckungsgleichen Vorschadens besteht ein Ersatzanspruch insoweit, als der geltend gemachte Zweitschaden technisch und rechnerisch eindeutig von dem Vorschaden abgrenzbar ist (gegen OLG Köln NZV 99, 378 = VersR 99, 865).  
    2. Die Kosten eines Privatgutachtens sind grundsätzlich auch zu ersetzen, wenn es sich später als unrichtig erweist, sofern die Unrichtigkeit nicht auf falschen Angaben des Auftraggebers oder einem kollusiven Zusammenwirken mit dem Gutachter beruht.  
    (OLG München 27.1.06, 10 U 4904/05, NZV 06, 261, Abruf-Nr. 061655)  

     

    Sachverhalt

    Der Kläger erlitt mit seinem Pkw Mercedes einen Unfall, für den die Beklagten voll einstandspflichtig sind. Dennoch hat die erste Instanz die Klage auf Ersatz von Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Nutzungsausfall in vollem Umfang abgewiesen; den Reparaturkostenersatz unter Berufung auf OLG Köln NZV 96, 241. Ein verschwiegener Vorschaden ließe sich nicht von den streitgegenständlichen Schäden trennen. Die Berufung des Klägers war zum Teil erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Was den Anspruch auf Reparaturkostenersatz angeht, so hält das OLG die angefochtene Entscheidung aus mehreren Gründen für falsch. Unrichtig sei schon die Annahme, Zweit- und Erstschaden ließen sich nur „möglicherweise“ trennen. Die erforderliche Trennbarkeit sei durchaus zu bejahen. Außerdem, so das OLG, sei das LG-Urteil in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft, weil die Bedeutung des § 287 ZPO verkannt werde. Die vom LG herangezogene Entscheidung OLG Köln NZV 96, 241, passe schon aus tatsächlichen Gründen nicht. Wenn überhaupt, könne OLG Köln NZV 99, 378, und die auf dieses Urteil zurückgehende Spruchpraxis die vollständige Klageabweisung tragen. Dieser Rechtsprechung könne jedoch nicht gefolgt werden, so das OLG. Bestätigt hat es dagegen die Aberkennung der Position „Sachverständigenkosten“. Der Kläger habe es unterlassen, den von ihm beauftragten Sachverständigen über vorhandene Vorschäden zu informieren.  

     

    Praxishinweis

    Dass die strenge Kölner Linie (ebenso OLG Hamburg u.a.) verfehlt ist, trifft zu (siehe den Schwerpunktbeitrag in VA 06, 41 ff.). Was bisher fehlte, war die fundierte Gegenposition eines Obergerichts. Sie ist jetzt vorhanden und hilft allen Geschädigten bei Auseinandersetzungen um die leidige Vorschadenfrage (Näheres siehe VA 06, 41 ff.). In punkto Sachverständigenkosten ist bemerkenswert, dass das OLG von einer „Falschangabe“ des Geschädigten ausgeht und damit die Pflicht bejaht, den beauftragten Gutachter auf Vorschäden hinzuweisen. Das zu tun, ist mitunter schon aus praktischen Gründen nicht so leicht (keine Kenntnis von Vorschäden, kein persönlicher Kontakt zum werkstattvermittelten Gutachter, Krankenhausaufenthalt nach Unfall u.a.). Im Übrigen dürften Geschädigte mit einer gewissen Berechtigung davon ausgehen, der Gutachter werde jedenfalls einen nicht oder nicht vollständig beseitigten Vorschaden schon von sich aus feststellen. Zur Frage des Auswahlverschuldens – dem vom OLG München nicht erwähnten dritten Fall des Sitzenbleibens auf den Sachverständigenkosten – siehe aktuell AG Dortmund DAR 06, 283 (verneint für die Beauftragung eines nicht allgemein vereidigten Sachverständigen).