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  • 22.12.2010 | Unfallschadensregulierung

    Reparaturkostenersatz in einem 370-Prozent-Fall nach Teilreparatur

    Auch beim wirtschaftlichen Totalschaden mit Kosten jenseits der 130-Prozent-Grenze kann der Geschädigte nach einer Teilreparatur in Eigenregie den konkreten Wert der Reparaturleistung (Arbeitsaufwand und Teile) ersetzt verlangen, sofern der Betrag den Wiederbeschaffungswert (WBW) nicht übersteigt und er das verkehrssichere Fahrzeug mindestens 6 Monate lang nutzt (LG Baden-Baden 15.10.10, 2 S 16/10, Abruf-Nr. 104097).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Die Zahlen im Schadensgutachten: WBW 4.200 EUR, Restwert 1.890 EUR, Reparaturkosten ca. 15.500 EUR. Die in Eigenregie veranlasste Teilreparatur wurde von einem zweiten Sachverständigen mit 3.500 - 4.000 EUR brutto bewertet (Ersatzteile und Arbeitsleistung). Der bekl. KH-Versicherer rechnete auf Totalschadensbasis ab (2.310 EUR). Das AG sprach der Kl. weitere 640 EUR zu. Unter Berücksichtigung eines Abschlags für Mängel der Teilreparatur wurde der erstattungsfähige „Reparaturwert“ auf 2.950 EUR festgesetzt. Das LG spricht unter Zurückweisung der Berufung der Bekl. weitere Reparaturkosten zu, insgesamt 3.500 EUR.  

     

    Die Kl. müsse sich nicht mit der Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwands (WBA) begnügen. Auch bei einem wirtschaftlichen Totalschaden sei der Geschädigte grds. nicht daran gehindert, die von ihm getätigten, summenmäßig über dem WBA liegenden Aufwendungen für eine Teilreparatur geltend zu machen, wenn er dadurch das Fahrzeug in einen verkehrssicheren Zustand versetzt und es zumindest 6 Monate nutzt. Diese Voraussetzungen seien hier ebenso erfüllt wie die weitere Voraussetzung in der BGH-Rspr., dass der konkrete Wert der Reparaturleistung den WBW nicht übersteigen dürfe. Anders als das AG sieht das LG keinen Grund, den für die Teilreparatur ermittelten (unteren) Schätzwert von 3.500 EUR wegen der nicht fachgerechten Reparatur zu reduzieren.  

     

    Praxishinweis

    Das LG sieht sich im Einklang mit der BGH-Rspr., hat diese jedoch gründlich missverstanden. Oberhalb der 130-Prozent-Grenze ist bei bloßer Teilreparatur für den Geschädigten nicht mehr drin als der WBA (BGH VA 07, 175, wo der VR allerdings, wie in BGHZ 115, 375, den ungekürzten WBW reguliert hat). Zur Teilreparatur innerhalb der 130-Prozent-Grenze siehe BGH VA 10, 37 mit Bespr. Ernst, DAR 10, 231. Streiten kann man im vorliegenden Fall allenfalls darüber, ob der Ersatz auf den Netto-WBA beschränkt ist oder ob bei tatsächlichem Anfall von USt. bei der Teilreparatur (z.B. beim Ersatzteilkauf) bis zur Grenze des Brutto-WBW aufgestockt werden kann (zur ungeklärten Kombi-Problematik gerade in diesem Punkt s. VA 09, 96 ff., Übersicht 2 mit Rspr.). Zu den noch nicht ausdiskutierten Möglichkeiten, bei einer Vollreparatur (!) trotz Überschreitens der 130-Prozent-Grenze auf Reparaturkostenbasis abzurechnen siehe Eggert, VA 09, 149 ff.  

    Einsender: Rechtsanwalt Markus Zell, 77933 Lahr