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  • 25.06.2009 | Unfallschadensregulierung

    Profitiert der Erstschädiger von der Kaskoregulierung eines Zweitschadens?

    Der Geschädigte kann vom Schädiger die fiktiven Kosten der Reparatur seines Pkw auch verlangen, wenn das Fahrzeug bei einem späteren Unfall am gleichen Karosserieteil zusätzlich beschädigt worden ist, die Reparatur des Zweitschadens zwangsläufig zur Beseitigung des Erstschadens geführt hat und der Kaskoversicherer des Geschädigten aufgrund seiner Einstandspflicht für den späteren Schaden die Reparaturkosten vollständig erstattet hat (BGH 12.3.09, VII ZR 88/08, Abruf-Nr. 091496).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach Ende des Waschvorgangs zeigte der Kläger der Waschanlagenfirma an, dass die Frontschürze seines Pkw beschädigt sei. Ob der Schaden beim Waschen passiert war, ist strittig. Er verlangt Ersatz auf Basis eines Kostenvoranschlags. Nach Klageerhebung verursachte der Kläger einen Auffahrunfall, durch den die Frontschürze vollständig funktionsunfähig wurde. Er ließ sie erneuern, wodurch auch die frühere Beschädigung ohne Mehrkosten behoben wurde. Die Kosten der Reparatur wurden ihm von seinem Vollkaskoversicherer erstattet. In den Vorinstanzen ist die Klage gegen die Waschanlagenfirma erfolglos geblieben. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.  

     

    Nach Ansicht des BGH hat der Kläger seinen Ersatzanspruch wegen der behaupteten Beschädigung in der Waschanlage weder durch den Zweitschaden (Auffahrunfall) noch durch die Leistung des Kaskoversicherers verloren. Dabei mache es im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Auffahrunfall den Vorschaden nur erweitert oder einen neuen, eigenständigen und abtrennbaren Schaden verursacht habe. So oder so werde die Haftung der Beklagten durch das spätere Geschehen nicht tangiert. Die Kaskoleistung habe keine Tilgungswirkung zugunsten der Beklagten gehabt (kein Fall des § 422 Abs. 1 BGB). Eine Befreiung der Beklagten sei auch nicht infolge eines Anspruchsübergangs nach § 67 VVG a.F. eingetreten. Zwar könnten auch mehrere Schadensereignisse als ein einheitlicher Versicherungsfall angesehen werden. Hier lägen jedoch zwei räumlich und zeitlich getrennte Ereignisse vor, wobei der Versicherer ausschließlich den Zweitschaden habe regulieren wollen. Sodann erörtert der Senat, ob der Kläger sich die Kaskoleistung nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss. Das wird verneint. Abschließend geht er für beide Fallvarianten auf die Frage ein, welche Auswirkungen der Zweitschaden und die anschließende Beseitigung beider Schäden auf den Klageanspruch gehabt haben: keine die beklagte Erstschädigerin irgendwie entlastende.  

     

    Praxishinweis

    Dass die Kaskoleistung dem Erstschädiger nicht zugute kommen darf, liegt eigentlich auf der Hand. Problematischer ist folgende Vorschaden-Konstellation: Der hintere Stoßfänger war bereits bei einem früheren Auffahrunfall beschädigt, als vier Wochen nach dem Erstschaden (also kein Kettenauffahrunfall) ein anderer Pkw auffuhr und den Erstschaden vergrößerte. Muss der Zweitschädiger den gesamten Schaden ersetzen oder kann er einwenden, der Stoßfänger habe aufgrund des Vorschadens ohnehin vollständig erneuert werden müssen? Kann umgekehrt der Erstschädiger vom Zweitschaden profitieren? Ausgangspunkt ist die Einsicht: Jeder Schädiger muss die Sache so nehmen, wie sie ist, ggf. mit Vorschaden. Bei technischer und rechnerischer Trennbarkeit von unfallbedingten (Neu-)Schäden und Altschäden darf dem Geschädigten ein Anspruch gegen den Neuschädiger nicht vollständig versagt werden (OLG Düsseldorf VA 08, 40; AG Sonthofen DAR 09, 211 m. Anm. Nettesheim). Ausführlich zur Vorschadenproblematik VA 06, 41 ff.