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  • 01.04.2007 | Unfallschadensregulierung

    Helmpflicht für Rennradfahrer

    Wer mit einem Rennrad auf öffentlicher Straße fährt, ohne einen Schutzhelm zu tragen, muss sich unter Umständen wegen eines Mitverschuldens i.S.d. § 254 BGB eine Kürzung seines Schadensersatzanspruchs gefallen lassen, der ihm infolge unfallbedingter Kopfverletzungen zusteht (OLG Düsseldorf 12.2.07, I-1 U 182/06, Abruf-Nr. 070929).

     

    Sachverhalt

    Am Sonntag, 10.7.05, machte der damals 67-jährige Kläger mit zwei Bekannten eine Radtour, die durch ländliches Gebiet am Niederrhein führte. Er fuhr ein Rennrad und trug Rennfahrerkleidung, jedoch keinen Schutzhelm. Nach Durchfahren einer unübersichtlichen Kurve sah er sich einem Traktor mit Heuwender gegenüber. Beide zusammen nahmen die gesamte Straßenbreite von 2,90 m ein. Als der Kläger aus Tempo 30 bis 40 km/h eine Vollbremsung einleitete, rutschte das Hinterrad weg. Er stürzte, ohne dass es zu einer Berührung mit dem Traktor gekommen war. Für seinen immateriellen Schaden, u.a. schwere Kopfverletzungen, macht er den Traktorfahrer und dessen Versicherung im Umfang von zuletzt 50 Prozent haftbar. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung war erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Betriebsgefahr des Traktors hat der Senat vollständig zurücktreten lassen hinter den Mitverantwortungsbeitrag des Klägers. Dieser sei nicht nur mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren. Nach § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen müsse er sich außerdem, ohne Schutzhelm gefahren zu sein. Dem stehe nicht entgegen, dass die StVO das Tragen eines Helms auch Rennradfahrern nicht vorschreibe. Entscheidend sei, dass nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zur Unfallzeit das Tragen von Schutzhelmen jedenfalls für Rennradfahrer als Maßnahme des Selbstschutzes anerkannt war. Rennradfahrer führen erfahrungsgemäß mit besonders hohen Geschwindigkeiten, was das Unfallrisiko deutlich steigere, insbesondere die Gefahr von Kopfverletzungen. Im Einklang damit sei die Akzeptanz von Schutzhelmen in Rennradfahrerkreisen auch erheblich höher als bei „normalen“ Radfahrern. Zurückgewiesen hat der Senat den Einwand, Helme böten Radfahrern keinen hinreichenden Schutz vor Kopfverletzungen. Ihm bekannte Studien würden das Gegenteil besagen.  

     

    Praxishinweis

    Der vorliegende Fall unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Fallgestaltung im Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.8.06 (VA 06, 169, Abruf-Nr. 062688 = NZV 07, 38 mit zust. Anm. Kettler). Damals ging es um einen knapp elfjährigen Jungen, der auf einem privaten Garagenhof ohne Helm gefahren war. So wie dort die Besonderheiten des konkreten Falles gegen die Annahme einer Helmpflicht sprachen, sind es hier bestimmte Einzelumstände, mit denen der Senat seine gegenteilige Bewertung rechtfertigt (Rennrad, hohes Tempo allgemein und in der Unfallsituation, Benutzung einer öffentlichen, dazu noch besonders schmalen Straße bei unübersichtlicher Streckenführung, gestiegene Akzeptanz des Fahrens mit Helm auch bei Hobby-Rennradfahrern). Mit der bisherigen OLG-Rspr., die schon infolge gewandelter Verkehrsanschauung fragwürdig ist, jegliche Helmpflicht zu verneinen, erscheint ebenso sachwidrig wie umgekehrt die Forderung, jeder Radfahrer müsse zur Vermeidung einer Mithaftung einen Helm tragen. Wenn ein Gericht zu verstehen gibt, im Nichttragen eines Helms ein Mitverschulden zu sehen, bleibt als zweite Verteidigungslinie das Bestreiten der Kausalität. Nicht alle Kopfverletzungen kann ein Helm verhindern oder mildern.