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  • 23.04.2009 | Unfallschadensregulierung

    Haftungsrechtliche Besonderheiten bei Unfällen mit Leasingfahrzeugen - Teil II

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    Im Teil I (VA 09, 59) standen Fragen des Haftungsgrunds, der Mithaftung und der Aktivlegitimation im Zentrum. Im Teil II geht es um die Schadensabrechnung gegenüber dem gegnerischen KH-Versicherer mit den Hauptstreitpunkten Mehrwertsteuer, Restwert, Nutzungsausfall und Anwaltskosten.  

     

    Übersicht I: Die Weichenstellungen

    Die Weichen für den Ablauf der Schadenregulierung werden gestellt durch  

    • den Leasingvertrag, speziell die AGB-Regelungen,
    • das Ausmaß der Beschädigungen (Reparaturkosten- oder Totalschadensabrechnung) und durch
    • die Mithaftungsfrage (Kasko ja oder nein?)

     

    Kasko und/oder Haftpflicht? Leasingfahrzeuge sind in der Regel vollkaskoversichert. Wenn der Vertrag dem Leasingnehmer (LN) die Inanspruchnahme der Kasko nicht verbindlich vorschreibt, hat der Anwalt des LN freie Hand. Stets zu beachten ist die Wochenfrist für die Schadenanzeige (§ 7 Abs. 1 AKB). Die Inanspruchnahme der Kasko drängt sich auf, wenn der LN den Unfall allein oder überwiegend verschuldet hat. Bei geringer Mithaftung sind Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen. Stets zu beachten ist die Möglichkeit einer kombinierten Abrechnung mit Kasko und Haftpflicht mit Quotenvorrecht nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG n.F. (s. VA 07, 45 ff.).  

     

    Für die Inanspruchnahme der Kasko braucht der LN keine gesonderte Einwilligung. Der typische Leasingvertrag sieht eine entsprechende Ermächtigung vor, meist über das Vertragsende hinaus, freilich unter Widerrufsvorbehalt. Um Klarheit über den Fortbestand der Ermächtigung zu haben (Kündigung als konkludenter Widerruf?), ist eine frühzeitige Abstimmung zwischen LN und LG auch in diesem Punkt ratsam. Meldet der LN den Schaden bei der Kasko an, empfiehlt sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass es sich um ein Leasingfahrzeug handelt (BGH NJW 88, 2803). Die Kaskoentschädigung steht grundsätzlich in voller Höhe dem LG zu. Ob der LN an einem Übererlös zu beteiligen ist, hängt vom Modell und dem Inhalt des Vertrags ab (von BGH NJW 08, 989 verneint für Vertrag mit Andienungsrecht), ggf. auch vom Umfang der Entschädigung (Neupreis oder nur WBW).  

     

     

    Übersicht II: Reparatur- oder Totalschadenfall?
    1. Ausgangslage: Die Pflicht zur unverzüglichen Reparatur entfällt, wenn wegen der Schwere und des Umfangs der Schäden Totalschaden anzunehmen ist oder die voraussichtlichen Reparaturkosten 60 Prozent des Wiederbeschaffungswerts übersteigen (Abschn. X Nr. 2 S. 2 Muster-AGB). Die Regelung ist unklar, weil Totalschaden nicht definiert ist. Haftpflichtrechtlich gibt es den wirtschaftlichen Totalschaden in mindestens vier Varianten. Die klassische und auch vom BGH favorisierte Definition lautet: wirtschaftlicher TS = Reparaturkosten > Wiederbeschaffungswert. Egal, welche Definition und welche Grenzwerte gelten: Ohne Sachverständigengutachten kommt der Anwalt nicht weiter.

     

    2. Beauftragung des Sachverständigen: Auch wenn es in den Leasing-AGB nicht ausdrücklich geregelt ist, entspricht es doch allgemeiner Übung, dass der LN den Gutachterauftrag für eigene Rechnung erteilt (durch Vermittlung der Werkstatt). Weder vertrags- noch haftpflichtrechtlich muss der Sachverständige öffentlich bestellt und vereidigt sein. Wenn ausschließlich oder auch nur zusätzlich der Kasko-VR in Anspruch genommen werden soll, ist dessen Weisungsrecht zu beachten. Die Kosten eines ohne Zustimmung des Kasko-VR beauftragten Sachverständigen sind nach den meisten AKB nicht erstattungsfähig. Schadensrechtlich bestehen bzgl. der Position Sachverständigen-Kosten (dazu VA 07, 215) keine Besonderheiten.

     

    3. Wie geht es weiter? Nach Vorlage des Gutachtens herrscht Klarheit, ob es sich um einen Reparaturfall (auch Teilschaden genannt) oder um einen Totalschadenfall handelt. Die weitere Vorgehensweise ist primär vom Inhalt des Leasingvertrags und den Absprachen nach dem Unfall abhängig. Reparaturschäden fallen typischerweise in die Abwicklungszuständigkeit des LN.

     

    4. Die 130-Prozent-Grenze: Vertragsrechtlich liegt bei Reparaturkosten über WBW ein Totalschaden vor mit Kündigungsrecht für beide Seiten. Bei unfallbedingtem Ende des Leasingvertrags sei der Ersatzanspruch durch den WBW begrenzt, der 130-Prozent-Modus kein Thema, so OLG Stuttgart SP 99, 162; ähnlich OLG Köln SP 01, 15. Soll der Vertrag jedoch übereinstimmend fortgeführt werden oder bei einem Unfall kurz vor Ablauf der regulären Vertragszeit mit Übernahme des Kfz durch den LN, kann sich die (vom BGH noch nicht entschiedene) 130-Prozent-Frage stellen. Dem LG das „qualifizierte“ Integritätsinteresse abzusprechen, muss nicht das Aus für den Integritätszuschlag bedeuten. Bezugsperson kann auch der LN als Besitzer sein. Dessen „normales“ Sacherhaltungsinteresse kann bei einem ausgeübten Andienungsrecht oder bei einem (nicht erlasskonformen) Erwerbsrecht, erst recht bei einem zwischenzeitlichen Ankauf zu einem schutzwürdigen Integritätsinteresse erstarken (vgl. OLG München DAR 00, 121; zum Ganzen Reinking, DAR 97, 425). Vor einer Reparatur in der 130er Zone sollte in jedem Fall der Versicherer angesprochen werden.

     

    5. Unfallbedingte Vereitelung einer Ankaufoption: Wer als vertragsfremder Dritter, z.B. Ehepartner des LN, lediglich eine vom Autohaus noch nicht bestätigte Bestellung des Leasingfahrzeugs in Händen hat, hat keinen eigenen Ersatzanspruch gegen den Unfallverursacher (OLG Düsseldorf 10.3.08, I-1 U 201/07, Abruf-Nr. 091284).