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  • 23.09.2010 | Unfallschadensregulierung

    Der Einwand fehlender Aktivlegitimation im Licht des neuen RDG

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    Bei Schadenersatzklagen aus abgetretenem Recht des Geschädigten gehört es zum Standardrepertoire von Haftpflichtversicherern, die Aktivlegitimation des Klägers zu bestreiten. Hauptargument: Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und damit Unwirksamkeit gem. § 134 BGB. Betroffen sind in erster Linie Autovermieter, aber auch Sachverständige, Werkstätten und Abschleppdienste. Zur Untermauerung ihres Einwands verweisen die Versicherer auf ihrer Meinung nach einschlägige Rechtsprechung. Meist sind es Fehlentscheidungen. Über den wahren Stand der aktuellen Judikatur und die Argumente pro und contra informieren wir Sie im Folgenden.  

    Prüfungsschema

    Seit Geltung des RDG (1.7.08) ist bei der Prüfung so vorzugehen:  

     

    Checkliste: Prüfungsschema zum Verstoß gegen das RDG
    1. Handelt es sich um eine Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG?
    a) Die Legaldefinition lautet: Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird.

     

    b) Eine Inkassodienstleistung i.S.d. - als lex specialis vorrangig zu prüfenden - § 2 Abs. 2 RDG ist die Einziehung einer von einem Unfallgeschädigten abgetretenen Forderung schon deshalb nicht, weil sie nicht als „eigenständiges Geschäft“ betrieben wird. Zur weiteren Voraussetzung der Fremdheit s. Mann, NJW 10, 2391. „Eigenständiges Geschäft“ ist enger als „geschäftsmäßig“ i.S.d. der Rspr. zum RBerG. Was lediglich ein Anhängsel (Annex) der Hauptleistung (Vermietung, Begutachtung oder Reparatur) ist, wird auch durch ständiges Praktizieren mit Wiederholungsabsicht nicht zum „eigenständigen Geschäft“. Auf die Abgrenzung „Haupt-/Nebenleistung“ i.S.d. § 5 Abs.1 RDG kann Bezug genommen werden (dazu Pkt. 2 c); ferner auf die amtl. Begründung zu § 2 Abs. 2 RDG (BT-Dr. 16/3655, abgedruckt in der Beilage zur NJW 27/08, S. 26 ff, hier S. 29/30 re. Sp.). Die Einziehung abgetretener Erstattungsansprüche durch Kfz-Werkstätten wird ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 RDG herausgenommen. Gleiches muss für Autovermieter und Sachverständige gelten. Zur Rechtslage bei Sachverständigen Kleine-Cosack, DS 09, 179; Weiß, NZV 10, 386.

     

    2. Liegt eine Rechtsdienstleistung nach den allgemeinen Regeln vor?
    a) Nach § 2 Abs. 1 RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sofern sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Es muss sich also zunächst um eine „konkrete fremde Angelegenheit“ handeln, nicht um eine eigene des Zessionars (Klägers). Bei der Abgrenzung greifen die Gerichte (wohl zu Recht) auf die Spruchpraxis des BGH zum RBerG zurück (zuletzt MDR 09, 325; NZV 07, 612; NJW 06, 1726 - Mietwagen/Sicherungsabtretung), so z.B. LG Mönchengladbach VA 09, 38, Abruf-Nr. 090565. Die Anspruchsdurchsetzung kraft einer Abtretung an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber indiziert „eigene Angelegenheit“. Bei einer Sicherungsabtretung scheidet die Forderung zwar auch aus dem Vermögen des Geschädigten aus, wirtschaftlich zählt sie aber weiter dazu. Deshalb wird die Forderungseinziehung erst nach Eintritt des Sicherungsfalls als Eigenhandeln eingestuft (BGH NJW 06, 1726). Auch wenn es nach der amtl. Begr. (BT-Dr. 16/3655, S. 53) nicht mehr darauf ankommen soll: Vorsorglich sollte bei einer Abtretung, die als „Sicherungsabtretung“ bezeichnet ist (diese Variante ist stark rückläufig), der Eintritt des Sicherungsfalls dargestellt werden (Rechnungsübersendung, Ablauf der 30-Tagefrist; wegen § 286 Abs. 3 BGB keine Mahnung mehr). Jedenfalls dann ist der Forderungseinzug eine eigene Angelegenheit.

     

    b) Hilfsargument für den Fall, dass eine fremde Angelegenheit behauptet werden sollte oder das Gericht dazu neigt: Keine Rechtsdienstleistung deshalb, weil eine rechtliche Prüfung weder erforderlich war noch stattgefunden hat, vom Geschädigten auch gar nicht erwartet wurde. „Rechtliche Prüfung“ i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG meint mehr als das, was Unfall-Dienstleister als Abtretungsempfänger zu tun pflegen, auch wenn im Gesetz nicht, wie ursprünglich vorgesehen, von „vertiefter“ oder „besonderer“ Rechtsprüfung die Rede ist. Selbst wenn schon im Zeitpunkt der Zession Unklarheit über die Haftungsverteilung bestehen und mit dem Dienstleister darüber gesprochen werden sollte, fehlt es am Erfordernis „rechtliche Prüfung des Einzelfalls“, und zwar in objektiver wie in subjektiver Hinsicht (dazu Kleine-Cosack, DS 09, 181). Im Anschluss an die Zession hochkommender Streit über Grund oder Höhe der Haftung wirft selbstverständlich vielfältige Rechtsfragen auf. Hilfreich ist hier zunächst das Zeitpunkt-Argument: Maßgebend ist der Zeitpunkt des (abstrakten) Verfügungsgeschäfts. Nur um dessen Wirksamkeit geht es ja beim Einwand „keine Aktivlegitimation“. Auch bei der Sicherungsabtretung findet der Rechtsübergang mangels entgegenstehender Abrede im Zeitpunkt der Verfügung statt, nicht erst bei Eintritt des Sicherungsfalls.

    Weiteres Argument: Selbst wenn man Regulierungsstreitigkeiten und damit Rechtsfragen aus der Phase nach Unterzeichnung der Abtretungserklärung einbezieht, bleibt das Tatbestandsmerkmal „rechtliche Prüfung“ unerfüllt, jedenfalls das Kriterium „erforderlich“ in subjektiver Hinsicht. In dieser Phase ist der Geschädigte nicht mehr eine rechtlich zu beratende Person. Zudem kann die Rechtsprüfung jetzt schon in den Händen eines Anwalts liegen.

     

    c) Weiteres Hilfsargument (es hat die größte Durchschlagskraft, kann deshalb in der Klageerwiderung auch an die Spitze gestellt werden): Selbst wenn man eine Rechtsdienstleistung bejaht, handelt es sich nach § 5 Abs. 1 RDG um eine erlaubte (Neben-)Tätigkeit. Bester Beleg dafür ist die Gesetzesbegründung (BT-Dr. 16/3655, S. 53 = NJW-Beilage, a.a.O., S. 33 re. Sp.), wo als Anwendungsfälle von „Nebenleistungen“ Forderungseinziehungen durch Sachverständige, Autovermieter und Werkstätten explizit genannt werden. Die große Mehrheit der Gerichte hat dies umgesetzt oder aus dem Gesetzeswortlaut entwickelt, z.B. LG Darmstadt, 2.6.10, 25 S 230/09, Abruf-Nr. 101901 (Abtretung erfüllungshalber/Vermieter); LG Arnsberg 16.6.10, I-5 S 146/09, Abruf-Nr. 102228 (Abtretung an Erfüllungs statt/Vermieter); LG Mönchengladbach VA 09, 38, Abruf-Nr. 090565 (Mietwagen); LG Offenburg, 26.8.09, 1 S 60/09, Abruf-Nr. 093220 (Vermieter); sehr überzeugend auch AG Schwäbisch Gmünd, 14.6.10, 2 C 175/10, Abruf-Nr. 102908; AG Saarlouis 4.6.10, 29 C 598/10 (Sachverständiger).
     

    Fazit: Nach ganz überwiegender Rspr. der AG und LG sind Abtretungen von Unfallgeschädigten - egal, ob erfüllungshalber (heute überwiegend praktiziert) oder an Erfüllungs statt, ob Sicherungsabtretung oder nicht - mit dem RDG vereinbar. Obergerichtliche Rspr. liegt noch nicht vor. Das OLG Stuttgart NZV 09, 563, bejaht die Aktivlegitimation, ohne auf das RDG überhaupt einzugehen.  

    Rechtsprechung zulasten von Klägern - Analyse, Kritik und Konsequenzen

    Nachstehend haben wir aktuelle Entscheidungen analysiert. Hier finden Sie Praxistipps, wie Sie reagieren können, wenn der Versicherer sich hierauf beruft.