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  • 01.09.2005 | Unfallschadensregulierung

    BGH zur 70 Prozent-Grenze

    Lässt der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Fahrzeug nicht reparieren, sondern realisiert er durch dessen Veräußerung den Restwert, ist sein Schaden in entsprechender Höhe ausgeglichen. Deshalb wird auch bei Abrechnung nach den fiktiven Reparaturkosten in solchen Fällen der Schadenersatzanspruch durch den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt, so dass für die Anwendung einer sog. 70 Prozent-Grenze kein Raum ist (BGH 7.6.05, VI ZR 192/04, Abruf-Nr. 052087; Vorinstanz OLG Düsseldorf VA 04, 110, Abruf-Nr. 041513, = SP 04, 410 m. Anm. Fuchs).

     

    Sachverhalt

    Nach einem Unfall mit seinem noch kein Jahr alten Grand Voyager ließ der Kläger den Schaden von einem Sachverständigen wie folgt schätzen: Reparaturkosten brutto 17.079 EUR, merkantiler Minderwert 1.500 EUR. Den Brutto-Wiederbeschaffungswert gab der Sachverständige mit 27.000 EUR an. Eine Angabe zum Restwert fehlte. Der Anwalt des Klägers rechnete auf der Basis der geschätzten Netto-Reparaturkosten zzgl.Minderwert ab. Daraufhin holte der beklagte Versicherer unter Einschaltung einer Restwertbörse mehrere Kaufangebote ein. Das höchste über 13.110 EUR übermittelte er dem Anwalt des Klägers. Ohne darauf einzugehen, erwarb dieser einige Tage später einen neuen Grand Voyager. Den Kaufpreis will er in voller Höhe gezahlt haben. Dazu, was er mit dem Unfallwagen gemacht hat, hat der Kläger bis zuletzt keine Erklärung abgegeben. Der Versicherer regulierte auf der Basis des Wiederbeschaffungsaufwands, wobei er einen Restwert i.H.d. Angebots von 13.110 EUR in Ansatz brachte. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Differenz zu den fiktiven Reparaturkosten plus Minderwert. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Mit den Vorinstanzen sieht der BGH den Ersatzanspruch des Klägers als voll erfüllt an. Erstattungsfähig sei in einem Fall der vorliegenden Art nur der Wiederbeschaffungsaufwand. Ohne Bedeutung sei, dass die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten unter 70 Prozent des Wiederbeschaffungswertes lägen und wohl deshalb im Gutachten ein Restwert nicht ausgewiesen sei. Das könne sich nicht zu Gunsten des Geschädigten auswirken, der sein Fahrzeug unrepariert veräußere und dadurch dessen Restwert – schadenmindernd – realisiere. Hinsichtlich der Höhe des Restwerts hat der BGH (anders als das OLG) nicht geprüft, ob der Kläger sich auf das ihm übermittelte Kaufangebot verweisen lassen muss. Infolge seines Schweigens zum Verbleib des Unfallwagens gelte die konkludente Behauptung der Beklagten als zugestanden, für das Fahrzeug habe der Kläger mindestens einen Betrag in Höhe des Angebots von 13.110 EUR erzielt (§ 138 Abs. 3 ZPO).  

     

    Praxishinweis

    Wer sein Unfallfahrzeug unrepariert veräußert, darf zwar weiter nach den fiktiven Reparaturkosten abrechnen, sein Anspruch ist indes auf den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert ./. Restwert) begrenzt. Im Umfang des realisierten Restwerts fehlt es bereits am Vermögensnachteil. Das hat der BGH wiederholt betont und nun auch für einen Fall mit Reparaturkosten unter der ominösen 70 Prozent-Grenze überzeugend entschieden. Entgegenstehende instanzgerichtliche Judikatur (VA 04, 111) ist damit hinfällig. Die Veräußerung zu verschweigen, mag sich lohnen, beim Erlös zu mauern, rechnet sich nicht. Entweder kommt das Restwertangebot des Versicherers oder die prozessuale Lösung des BGH (§ 138 ZPO) zum Zuge.