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  • 24.11.2010 | Unfallschadensregulierung

    BGH-Klarstellung zum „berührungslosen Unfall“

    Ein Unfall kann auch dem Betrieb eines anderen Kfz zugerechnet werden, wenn er durch eine - objektiv nicht erforderliche - Ausweichreaktion im Zusammenhang mit einem Überholvorgang des anderen Fahrzeugs ausgelöst worden ist. Nicht erforderlich ist, dass die Ausweichreaktion des Geschädigten aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden (BGH 21.9.10, VI ZR 263/09, Abruf-Nr. 103523).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kl. wollte mit seinem Krad außerorts zwei vor ihm fahrende Pkw überholen. Zum Unfall kam es, als der direkte Vordermann, der Bekl. zu 2), ebenfalls zum Überholen ansetzte. Bei der Notbremsung und dem Ausweichmanöver kam der Kl. von der Fahrbahn ab. Zu einer Berührung zwischen Krad und einem der beiden Pkw kam es nicht. Das LG verteilte die Haftung 50 : 50. Das OLG wies die Klage in vollem Umfang ab (VA 09, 183). Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.  

     

    Anknüpfend an seine Rspr. zu den „berührungslosen Unfällen“ beschreibt der BGH erneut die Grundvoraussetzungen einer Haftung in solchen Fällen „mittelbarer“ Verursachung. Für falsch, weil zu eng, hält er die Ansicht des OLG, der Kl. müsse nachweisen, dass seine Ausweichreaktion wenigstens aus seiner Sicht, also subjektiv, vertretbar gewesen sei. Für die Bejahung des Zurechnungszusammenhangs sei auch unerheblich, ob der Kl. einen Zusammenstoß auf andere Weise, etwa durch Abbremsen, hätte verhindern können. Selbst wenn der Kl. (verkehrswidrig) versucht hätte, die beiden Pkw gleichzeitig zu überholen, als diese auf gleicher Höhe fuhren, wäre eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zu bejahen. Entscheidend für den Zurechnungszusammenhang sei, dass die vom Kl. vorgenommene Ausweichreaktion nur dem Bekl.-Pkw geholten habe, keinem anderen Hindernis.  

     

    Praxishinweis

    Dass das OLG-Urteil vor dem BGH keinen Bestand haben wird, war absehbar (Kritik in VA 09, 183). Nicht nur in den Gründen, sondern auch im Leitsatz und damit allgemein sichtbar, macht der BGH mit der verfehlten instanzgerichtlichen Rspr. zur „subjektiven Vertretbarkeit“ Schluss, hoffentlich endgültig. Der Geschädigte ist im Rahmen der §§ 7, 18 StVG auf der sicheren Seite, wenn er nachweist, dass das andere Fahrzeug das Unfallgeschehen irgendwie (mit)beeinflusst hat, z.B., dass es der Grund für die Notbremsung und/oder die Ausweichreaktion gewesen ist. Hier war dieser Nachweis leicht zu führen, weil es zu dem Bekl.-Pkw keine Auslöser-Alternative gab.