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  • 26.03.2008 | Straßenverkehrsgefährdung

    20 (Praxis-)Fragen zur Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm

    Die Vorschrift des § 315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs – spielt in der Praxis eine erhebliche Rolle. Zur fast alltäglichen Praxis des Verteidigers gehören die Fälle der Straßenverkehrsgefährdung in Folge Trunkenheit des Fahrers (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB). Aber auch die anderen Tatbestandsalternativen nehmen in der Praxis an Bedeutung zu. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie bei der Verteidigung des Mandanten achten müssen (vgl. wegen weiterer Einzelh. Burhoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 4. Aufl., Teil 6, Rn. 158 ff., sowie die Kommentierung zu § 315c StGB bei Fischer, StGB, 55. Aufl.).  

     

    Checkliste: Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c StGB

    Frage

    Antwort  

    1. Welchen Deliktscharakter hat die Vorschrift?

    Bei § 315c StGB handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Es muss also nicht die allgemeine Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt sein (Fischer, a.a.O., § 315c, Rn. 2).  

     

    Praxishinweis: Erfasst wird auch – anders als bei § 315b StGB – ausschließlich verkehrswidriges Verhalten von Verkehrsteilnehmern. Es ist also nicht – wie bei § 315b StGB – ein verkehrsfremder Außeneingriff erforderlich (dazu BGHSt 48, 119 = VA 03, 40, Abruf-Nr. 030100; Fischer, a.a.O., § 315b, Rn. 8 ff. m.w.N.).  

    2. Wer kann Täter einer Straßenverkehrs- gefährdung sein?

    Die Bestrafung nach § 315c StGB hat stets zur Voraussetzung, dass der Täter das Fahrzeug selbst geführt hat (BGH NVZ 95, 364; VA 07, 201, Abruf-Nr. 073038).  

     

    Praxishinweis: Mittäterschaft ist möglich, wenn die Führung des Fahrzeugs bei der Tat anteilig durchgeführt wird. Wer aber nicht an der Führung des Fahrzeugs beteiligt ist, kann auch nicht Täter sein.  

    3. Sind Anstiftung und Beihilfe möglich?

    Ja, Beihilfe oder Anstiftung kommen z.B. in Betracht, wenn Halter oder Beifahrer den erkennbar fahruntüchtigen Fahrer nicht an der Fahrt hindern, sondern ihn möglicherweise noch dazu animieren (BGHSt 18, 6; OLG Celle DAR 57, 297).  

     

    Praxishinweis: Voraussetzung ist aber auch hier eine vorsätzliche Haupttat, die z.B. im Fall des § 315c Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht vorliegt (OLG Stuttgart NJW 76, 1904).  

    4. Welche Verkehrsbe- reiche werden von § 315c StGB erfasst?

    § 315c StGB betrifft nur den öffentlichen Straßenverkehr.  

     

    Praxishinweis: Die Tathandlung muss an einem Ort stattfinden, dessen Benutzung einer unbestimmten Anzahl von Personen durch den Berechtigten eröffnet oder von diesem zumindest geduldet wird (dazu u.a. VA 05, 107 ff.; Burhoff, a.a.O., Rn. 91 ff.).  

    5. Welche Tathandlungen werden von § 315c StGB (allgemein) unter Strafe gestellt?

    § 315c Abs. 1 StGB betrifft bestimmte vorschriftswidrige Fahrweisen im öffentlichen Straßenverkehr, und zwar in Nr. 1 das Führen eines Kfz durch einen fahruntüchtigen Fahrzeugführer und in Nr. 2 die „7 Todsünden“ des Straßenverkehrs.  

    6. Welcher Fahrzeugführer ist nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB insbesondere wg. Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit strafbar?

    § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasst denjenigen, der im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Insoweit gilt:  

     

    1. Der Fahrzeugführer muss fahruntüchtig, also nicht in der Lage sein, sein Fahrzeug sicher zu führen.
    Praxishinweis: Die Vorschrift setzt nicht das Führen eines Fahrzeuges im Verkehr voraus, sie ist insoweit also enger als § 316 StGB. Erforderlich ist auch nicht – also anders als bei § 21 StVG – das Führen eines Kfz. Es kommt also – ebenso wie bei § 316 StGB – nicht auf die Fortbewegung mit Motorkraft an.

     

    2. Es kann absolute oder relative Fahruntüchtigkeit vorliegen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln. Zwischen der Fahruntüchtigkeit und dem Genuss der alkoholischen Getränke oder der anderen berauschenden Mittel muss Kausalität bestehen.
    Praxishinweis: Die Rechtsprechung fordert einen zweifachen Kausalzusammenhang: Die Fahrunsicherheit des Fahrzeugführers muss einmal durch das Rauschmittel zumindest mitverursacht worden sein. Zum anderen muss die konkrete Verkehrsgefährdung auf dieser rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit beruhen (u.a. BGH VRS 65, 359; BayObLG NZV 94, 283). Kann dieser Kausalzusammenhang nicht nachgewiesen werden, kommt nur eine Bestrafung nach § 316 StGB in Betracht. Der Verteidiger muss also versuchen, diese Kette zu unterbrechen. Das gilt vor allem für Fahrfehler, die auch einem nüchternen Fahrer unterlaufen (BGHSt 34, 360, NJW 87, 2593; BayObLG NStZ 88, 120, dazu Burhoff, a.a.O., Rn. 124 m.w.N.).
    7. Wann ist ein Fahrzeugführer nach § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB wg. Straßenverkehrsgefährdung infolge sonstiger körperlicher oder geistiger Mängel strafbar?

    Die Alternative der Nr. 1b ist erfüllt, wenn die Fahruntüchtigkeit auf (sonstige) geistige oder körperliche Mängel zurückzuführen ist. Gemeint sind damit sowohl dauerhafte Mängel (z.B. Amputation, Querschnittslähmung, Taubheit oder Schwerhörigkeit, Sehschwäche, Farbblindheit, Kurzsichtigkeit, hohes Alter, Epilepsie) als auch vorübergehende (z.B. Grippe, überstandener Herzinfarkt, Heuschnupfen). Zusätzlich können auch Alkohol und Medikamente eine Rolle spielen, nicht aber allein das hohe Lebensalter (OLG Celle VA 07, 202, Abruf-Nr. 073040).  

     

    Praxishinweis: Praxisfrage ist, ob die Übermüdung ein körperlicher Mangel i.S. von Nr. 1b ist. Entscheidend ist der Grad der Übermüdung (Mangel bejaht von BGH VRS 14, 282 für „extreme Übermüdung“; OLG Köln NZV 89, 358 für die Übermüdung nach „getaner Arbeit“ Fischer, § 315c, Rn. 3 (b). Wichtig ist hier die BGH-Rspr. (BGHSt 23, 156), nach der es eine den Fahrer ohne vorherige Anzeichen überfallende Übermüdung (Sekundenschlaf) nur in Krankheitsfällen gibt (ebenso BayObLG DAR 91, 367). Hier hilft dann nur noch ein SV-Gutachten.  

    8. Setzt § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB einen bestimmten tatbestandsmäßigen Erfolg voraus?

    Ja. Infolge der Tathandlung muss es zu einer konkreten Gefährdung (vgl. 9.) von Leib oder Leben eines anderen (vgl. 11.) oder fremder Sachen von bedeutendem Wert (vgl. 15.) gekommen sein.  

    9. Wann liegt eine konkrete Gefahr vor?

    Eine konkrete Gefahr liegt immer vor, wenn die Sicherheit des Betroffenen oder einer bestimmten Sache so stark beeinträchtigt wird, dass es vom Zufall abhängt, ob eine endgültige Verletzung oder Beschädigung eintritt oder nicht (BGH NZV 95, 325 = DAR 95, 296; BayObLG DAR 96, 152; OLG Hamm VA 06, 159, Abruf-Nr. 062128; zfs 06, 49 = VRR 06, 34; Berz NZV 89, 409, 411). Der BGH (a.a.O.) und die übrigen Obergerichte (OLG Hamm, a.a.O.) sprechen vom „Beinahe-Unfall”. Darunter versteht man eine Situation, in der es „gerade noch einmal gut gegangen ist”. Dass die Gefahr nur drohte, genügt für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht (BGH DAR 00, 222 = NZV 00, 213). Entscheidend für die Annahme einer konkreten Gefahr i.S.d. § 315c StGB ist, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt hat.  

     

    Praxishinweis: Über den Umfang der vom Tatrichter insoweit zu treffenden tatsächlichen Feststellungen und die Anforderungen an die tatrichterlichen Ausführungen besteht in der obergerichtlichen Rspr. allerdings Streit. Während die OLG, insbesondere das OLG Hamm (u.a. VA 06, 159, Abruf-Nr. 062128; zfs 06, 49 = VRR 06, 34), dazu einen strengeren Maßstab anlegen, vertritt der BGH (NZV 95, 325 = DAR 95, 296) eine weitere Auffassung (wg. der Einzelheiten s. OLG Hamm, a.a.O.; Burhoff, a.a.O., Rn. 165). Diese Frage hat Bedeutung für die Revision. Sind nicht ausreichende Feststellungen getroffen, muss das tatrichterliche Urteil aufgehoben werden.  

    10. Muss zwischen der Tathandlung und der konkreten Gefahr eine Verknüpfung bestehen?

    Ja, die konkrete Gefahr muss unmittelbare Folge der Tathandlung sein. Eine Gefahr, die erst als weitere Folge eines zuvor verursachten Unfalls eintritt, reicht nicht aus (Fischer, a.a.O., § 315c, Rn. 15). Im Einzelnen gilt:  

     

    • Nicht ausreichend ist es, wenn durch das Fahrverhalten (eingeschlafener Fahrzeugführer) Gegenstände der Randbefestigung (z.B. Leitpfosten, Randbepflanzung) auf die Fahrbahn geschleudert werden und erst durch die dadurch erfolgte Hindernisbildung eine Gefahr eintritt (BayObLG NJW 69, 2026; OLG Celle NJW 69, 1184; OLG Stuttgart DAR 74, 106).

     

    Praxishinweis: Der Verteidiger muss hier aber berücksichtigen, dass es sich bei diesen Gegenständen nicht um Sachen von bedeutendem Wert handeln darf, da deren Gefährdung allein schon ausreichen würde.

     

    • Fahren nachfolgende Fahrzeugführer in eine Unfallstelle hinein, gilt: § 315c StGB kommt nur in Betracht, wenn die Gefährdung noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem (z.B. alkoholbedingten) Fehlverhalten des Fahrzeugführers steht (z.B. Auffahren eines nachfolgenden Fahrzeugs auf ein plötzlich stehen bleibendes voran fahrendes Fahrzeug, wie bei OLG Celle NJW 70, 1091; vgl. auch OLG Stuttgart NJW 60, 1484).
    11. Für wen muss die konkrete Gefahr eintreten?

    Die konkrete Gefahr muss für Leib oder Leben einer anderen Person eintreten. Die (eigene) Gefahr für den Täter reicht nicht. Die gefährdeten anderen Personen müssen sich aber nicht im Bereich des allgemeinen Straßenverkehrs aufhalten (Fischer, a.a.O. § 315c, Rn. 17). Ausreichend ist z.B. die Gefahr für Gäste vor einem Gasthaus, Spaziergänger auf Seitenwegen, Radfahrer, Bauern auf dem Feld. Auch reicht eine Gefährdung der Insassen des vom Täter geführten Fahrzeugs aus, sofern diese nicht Täter oder Teilnehmer der Tat sind (BGHSt 6, 100; BGH DAR 92, 267 = NStZ 92, 233; DAR 98, 241 = zfs 98, 231 = NZV 98, 211).  

     

    Praxishinweis: Die konkrete Gefahr kann auch für Fahrzeuginsassen entstehen. Sie folgt aber nicht schon aus der abstrakten Gefährdung, z.B. infolge absoluter Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers (BGH NZV 95, 325 = DAR 95, 296). Vielmehr sind insoweit konkrete Feststellungen des Tatrichters erforderlich, der die konkrete Gefahr nicht allein aufgrund eines bestimmten BAK-Wertes feststellen darf (BGH, a.a.O.). Nach der neueren BGH-Rspr. genügt auch nicht mehr das Vorliegen eines folgelosen Fahrfehlers des betrunkenen Fahrers (BGH, a.a.O.). Nicht ausreichend ist die Gefährdung von Teilnehmern der Tat (zuletzt BGH DAR 98, 241 = zfs 98, 231 = NZV 98, 211).  

    12. Wann handelt es sich um eine fremde Sache i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB?

    Die Sache muss in fremdem Eigentum stehen.  

     

    Praxishinweis: Das vom Täter geführte Fahrzeug ist keine fremde Sache i.S.v. § 315c StGB, selbst wenn es in fremdem Eigentum steht (z.B. Leasingfahrzeug oder Sicherungsübereignung, OLG Oldenburg NZV 91, 35; OLG Nürnberg VersR 77, 659). Denn das Fahrzeug ist das Mittel zur Verwirklichung des Tatbestands. Es kann nicht gleichzeitig Schutzobjekt sein (zuletzt BGH DAR 98, 241; DAR 00, 222).  

    13. Wonach richtet sich der „bedeutende Wert“ der fremden Sache?

    Entscheidend für das Merkmal „bedeutender Wert” ist der materielle Wert der Sache (BayObLG NJW 69, 2026; Burhoff, a.a.O., Rn. 171).  

    14. Entspricht der Begriff „bedeutender Wert“ dem des „bedeutenden Schadens“ in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB?

    Nein, der „bedeutende Wert” der Sache wird, obwohl die Betragsgrenze dieselbe ist, hinter dem „bedeutenden Schaden” zurückbleiben, da bei diesem auch Reparatur-, Abschlepp- und Bergungskosten einzubeziehen sind.  

    15. Welche Betragsgrenze ist anzusetzen?

    Einen „bedeutenden Wert” wird man mit der wohl h.M. nicht mehr unter 1.300 EUR ansetzen können (OLG Dresden VA 05, 145, Abruf-Nr. 051790; OLG Hamburg zfs 07, 409; OLG Jena DAR 05, 288 = NZV 05, 208; LG Braunschweig zfs 05, 100; LG Gera NZV 06, 105 = DAR 06, 107; m.w.N. bei Fischer, a.a.O., § 315, Rn. 16; § 69, Rn. 29).  

     

    Praxishinweis: Teilweise wird der bedeutende Wert aber auch noch höher, nämlich bei 1.500 EUR angesetzt (LG Hamburg 1.2.07, 603 Qs 54/07, Abruf-Nr. 073333; AG Saalfeld DAR 05, 52 = VRS 107, 428).  

    16. Welche Tathandlungen erfasst § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB?

    § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst abstrakt besonders gefährliche Verkehrsverstöße. Die Aufzählung in Nr. 2 ist erschöpfend (OLG Hamm NJW 68, 1976).  

    17. Bei welchen Tathandlungen handelt es sich um die „7 Todsünden“ i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB?

    Von § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB wird erfasst:  

    a) das Nichtbeachten der Vorfahrt,
    b) das falsche Fahren beim Überholvorgang (zum Begriff des Überholens s. OLG Hamm VA 02, 77, Abruf-Nr. 020419, und OLG Düsseldorf VRS 107, 109; DAR 04, 596),
    c) das falsche Fahren an Fußgängerüberwegen,
    d) das zu schnelle Fahren an bestimmten unübersichtlichen Stellen (zur „Unübersichtlichkeit OLG Hamm VA 06, 36, Abruf-Nr. 053649, und BayObLG NZV 88, 110),
    e) das Nichteinhalten der rechten Fahrbahnseite,
    f) das falsche Fahren auf Autobahnen, wozu auch die „Geisterfahrt“ gehört (zum Begriff des Wendens s. einerseits BayObLG VA 01, 168, Abruf-Nr. 011226, und andererseits BGHSt 47, 252 = VA, 02, 124, Abruf-Nr. 020763; OLG Stuttgart NZV 01, 179),
    g) das Unterlassen der Kenntlichmachung haltender oder liegen gebliebener Fahrzeuge.
    18. Bedarf die Tathandlung einer besonderen subjektiven Qualifizierung?

    Ja. Der Fahrzeugführer muss sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten haben. Diese Merkmale sind Schuldmerkmale und müssen kumulativ erfüllt sein (OLG Düsseldorf NZV 00, 337; OLG Oldenburg DAR 02, 89). Es genügt auch nicht, wenn der Täter bei längerer Fahrt mehrere Verkehrsverstöße begeht und dabei einmal grob verkehrswidrig, ein anderes Mal rücksichtslos handelt (zur vorsätzlichen Gefährdung durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses falsches Überholen OLG Düsseldorf, a.a.O.).  

    19. Wann handelt man „grob verkehrswidrig“?

    „Grob verkehrswidrig’’ bezeichnet die objektiv besonders verkehrsgefährdende Bedeutung des Verhaltens des Fahrzeugführers (OLG Stuttgart NJW 67, 1766; OLG Jena NZV 95, 238).  

     

    Praxishinweis: Ob ein objektiv besonders schwerer Verstoß gegen Verkehrsvorschriften vorliegt, beurteilt sich danach, ob in der konkreten Verkehrssituation der begangene Verkehrsverstoß die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt hat, wie z.B. das Heranrasen an Zebrastreifen, Schneiden überholter Fahrzeuge, Kolonnenspringen, Nichtkenntlichmachen liegen gebliebener Fahrzeuge, nicht unbedingt das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte.  

    20. Wann handelt es sich um eine rücksichtslose Fahrweise?

    Rücksichtslosigkeit kennzeichnet die gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Rücksichtslos verhält sich, wer sich entweder eigensüchtig über bekannte Rücksichtspflichten hinwegsetzt oder wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Fahrerpflichten nicht besinnt und unbekümmert um mögliche Folgen „drauf losfährt“, etwa um schneller voranzukommen, mag er auch darauf vertrauen, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Personen nicht kommen werde (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 315c, Rn. 21). Die erste Fallgruppe gehört zur „bewussten Fahrlässigkeit’’. Rücksichtslos handelt nach der zweiten Alternative aber auch, wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt und Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lässt, sondern unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise losfährt.  

     

    Praxishinweis: Das äußere Tatgeschehen reicht allein für die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit nicht aus (OLG Koblenz NStZ 03, 617). Vielmehr sind auch die Beweggründe des Täters von entscheidender Bedeutung. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB will nur extrem verwerfliche Ver-fehlungen unter Strafe stellen, nicht aber Verkehrsverstöße aus unbewusst fahrlässiger Gedankenlosigkeit, Unaufmerksamkeit, Bestürzung oder Schreck (Beispiele bei Fischer, a.a.O., § 315c, Rn. 14 a.E.).  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2008 | Seite 68 | ID 118212