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  • 23.08.2010 | Schweigerecht

    Bewertung der Ausübung des Schweigerechts als negativ

    Lassen die Urteilsausführungen erkennen, dass der Tatrichter die Berufung des Betroffenen auf sein Schweigerecht als ein Mittel bewertet, dem etwas Ungehöriges anhaftet, weil es darauf abziele, die Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht zu erschweren, so liegt, wenn zudem die Regelgeldbuße verdoppelt wird, die Annahme nahe, dass hierbei eben dieses prozessuale Verhalten des Betroffenen zu dessen Lasten berücksichtigt worden ist (KG 11.6.10, 3 Ws (B) 270/10 - 2 Ss 157/10, Abruf-Nr. 102275).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Das AG hat den schweigenden Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte im Rechtsfolgenausspruch Erfolg.  

    Die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils legen nahe, dass der Tatrichter das Schweigen des Betroffenen im Rahmen der Bemessung der Geldbuße zu seinen Lasten gewertet hat. In den Urteilsausführungen wird das prozessuale Verhalten des Betroffenen mit den Worten zusammengefasst, dass sein „Versuch ..., dadurch die Aufklärung des Sachverhalts zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dass er sich zur Sache nicht einließ, ... gescheitert ist“. Die Berufung des Betroffenen auf das Schweigerecht, auf das der Tatrichter ihn zuvor hingewiesen hat, wird damit als Mittel gewertet, dem etwas Ungehöriges anhaftet, weil es darauf abzielt, die Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht zumindest zu erschweren. Diese Wertung lässt besorgen, dass der Tatrichter das Recht zu schweigen, das zu den elementaren Wesensmerkmalen eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehört, nicht als solches ansieht, sondern als unlauter und seine Tätigkeit unnötig erschwerend begreift. Da der Tatrichter zugleich die Geldbuße gegenüber der auch bei der höheren Geschwindigkeitsüberschreitung maßgeblichen Regelbuße des Bußgeldbescheids verdoppelt hat, liegt die Annahme nahe, dass er hierbei eben dieses prozessuale Verhalten des Betroffenen zu dessen Lasten berücksichtigt hat. Dieser, dem Senat bereits aus früheren Verfahren bekannte und nun nicht mehr hinnehmbare Rechtsfehler veranlasst die Zulassung der Rechtsbeschwerde und führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs des angefochtenen Urteils.  

     

    Praxishinweis

    Das dem Betroffenen/Beschuldigten eingeräumte Schweigerecht, über das er nach § 136 StPO zu belehren ist, steht dem Betroffenen/Beschuldigten uneingeschränkt zu. Er muss nicht befürchten, wenn er von diesem Recht Gebraucht macht, dass sich das zu seinen Lasten auswirkt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 15). Rechtsfolgenentscheidungen der Tatgerichte, die das nicht berücksichtigen, sind rechtsfehlerhaft und werden auf Rechtsbeschwerde bzw. Revision hin aufgehoben.