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  • 23.07.2010 | Mietwagenkosten

    Schwacke oder Fraunhofer oder beides gemischt?

    1. Der Tatrichter darf bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auf der Grundlage von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, ermitteln.  
    2. Die Eignung solcher Listen oder Tabellen zur Schadensschätzung bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.  
    (BGH 18.5.10, VI ZR 293/08, Abruf-Nr. 101989)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach ihrem Unfall in 2/07 mietete die Kl. einen Ersatzwagen. Von der Rechnung i.H.v 1.770,80 EUR übernahm der bekl. VR nur 753 EUR. Das AG sprach ihr nach Einholung eines Gutachtens weitere 126,80 EUR zu. Unter Berücksichtigung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 erkannte das LG auf den vollen Differenzbetrag. Auf die Revision der Bekl. hob der BGH die Entscheidung auf und verwies die Sache an das LG zurück.  

     

    Zwar sei die Schätzung auf der Grundlage „Schwacke 2006“ nicht grundsätzlich rechtsfehlerhaft. Das bedeute jedoch nicht, dass eine Schätzung auf der Basis anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der Fraunhofer-Liste oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen von vornherein ausscheiden müssten. Die Eignung von Listen/Tabellen bedürfe nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt werde, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken, so der BGH zum wiederholten Mal. Nach Ansicht des Senats erfüllt der Sachvortrag der Bekl. diese Voraussetzung. Es wurde unter Beweisantritt umfassend dafür vorgetragen, dass die Kl. zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Autovermieter hätte anmieten können. Sie hätten unter 753 EUR gelegen, die die Bekl. vorgerichtlich bezahlt habe. Damit und mit weiterem Vorbringen der Bekl. habe sich das LG verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt und so seinen Ermessensspielraum (§ 287 ZPO) überschritten.  

     

    Praxishinweis

    Das Berufungsurteil muss für den VI. ZS nach Diktion und Inhalt eine Provokation gewesen sein. Die Quittung kam zwangsläufig. Das LG Deggendorf wird nun den Schwacke-Eignungstest nachholen müssen. Das eigentlich Interessante an dieser BGH-Entscheidung ist, dass weder Fraunhofer pur noch die Kombination Schwacke/Fraunhofer („Bielefelder Modell“, grundlegend LG Bielefeld 13.5.09, 21 S 27/09, Abruf-Nr. 093037) grundsätzlich verworfen werden. Wer sich auf Klägerseite gegen diese beiden Schätzungsgrundlagen zur Wehr setzt, darf sich nicht auf allgemeine Kritik beschränken. Wie der VR bei seinem Angriff auf Schwacke muss er mit konkreten Tatsachen belegen, dass der geltend gemachte Mangel sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirkt. Zur Einzelkritik an der Fraunhofer-Liste (2008) siehe VA 09, 167, 171. Hinzu kommt das in den meisten Fällen konkret durchschlagende Argument, dass die Fraunhofer-Internetpreise einen Sondermarkt abbilden, der, so der BGH, „nicht ohne Weiteres mit dem maßgeblichen „allgemeinen“ regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar sein muss“ (2.2.10, VI ZR 7/09, Abruf-Nr. 100971).