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  • 25.07.2011 | Kasko

    Leistungskürzungsrecht bei Trunkenheitsfahrt

    1. Ein Leistungskürzungsrecht nach § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls scheidet aus, wenn der VN zur Unfallzeit unzurechnungsfähig war.  
    2. Bei im Unfallzeitpunkt gegebener Unzurechnungsfähigkeit kann der Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls auch an ein zeitlich früheres Verhalten anknüpfen. Insoweit ist maßgeblich, ob und welche Vorkehrungen der VN getroffen hatte, um zu verhindern, dass er die Fahrt in alkoholisiertem Zustand antreten oder fortsetzen wird.  
    3. Bei grober Fahrlässigkeit kann der VR ausnahmsweise seine Leistung auf Null kürzen, etwa bei absoluter Fahruntüchtigkeit. Auch hier ist eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls erforderlich.  
    (BGH 22.6.11, IV ZR 225/10 (LS der Red.), Abruf-Nr. 112152)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Am 13.7.08 kam der Kl. auf einer Rückfahrt von einem Rockkonzert gegen 7.15 Uhr mit seinem Pkw in einer Kurve von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Laternenpfahl. Eine um 8.40 Uhr durchgeführte Blutentnahme ergab eine BAK von 2,70 Promille. Der Kl., der wegen fahrlässigen Vollrauschs verurteilt worden ist, klagt aus seiner Vollkaskoversicherung auf Ersatz seines Fahrzeugschadens. Der bekl. VR verweigert jegliche Leistung, womit er in den Vorinstanzen aus unterschiedlichen Gründen Erfolg hatte. Der BGH hob das Urteil des OLG Dresden (BeckRS 2010, 28393 = DAR 11, 24 - nur Ls.) auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück.  

     

    Das angefochtene Urteil kann nach Ansicht des BGH schon deshalb keinen Bestand haben, weil das OLG keine hinreichenden Feststellungen zur Frage der alkoholbedingten Schuldunfähigkeit im Unfallzeitpunkt getroffen hat. Angesichts der hohen BAK (zur Unfallzeit zwischen 2,70 und 3,18 Promille) und weiterer Umstände komme dieser Tatbestand durchaus in Betracht. Sollte er beweiskräftig festgestellt werden können, muss das OLG nach Maßgabe der Segelanweisungen des BGH weitere Prüfungen anstellen (siehe die red. LS 2 + 3).  

     

    Praxishinweis

    Das bei Redaktionsschluss im Volltext noch nicht vorliegende Urteil ist, soweit ersichtlich, das erste des BGH-Versicherungssenats zum „neuen“ Leistungskürzungsrecht nach § 81 Abs. 2 VVG im Fall einer Trunkenheitsfahrt. Wegen des BAK-Werts im Grenzbereich der Unzurechnungsfähigkeit ist der Fall allerdings besonders gelagert. Das OLG hat sich trotz starker Indizien nicht von der Unzurechnungsfähigkeit (§ 827 BGB) überzeugen können. Welcher Fehler ihm dabei unterlaufen ist, wird das BGH-Urteil im Volltext zeigen. Vermutlich steht er im Zusammenhang mit dem Sachverständigenbeweis (das OLG hat das Gutachten aus dem Strafverfahren nach § 411a ZPO verwertet). Schon jetzt kann die Kernaussage des BGH festgehalten werden: Bei absoluter Fahruntüchtigkeit kann der VR auf Null kürzen, einen Automatismus gibt es jedoch nicht. Vielmehr kommt es, wie auch sonst, auf die Umstände des Einzelfalls an (so auch KG 28.9.10, 6 U 87/10, Abruf-Nr. 111791). Fakt ist andererseits: Bei mehr als 1,1 Promille akzeptieren die Instanzgerichte die Totalkürzung (z.B. LG Oldenburg 24.9.10, 13 O 1964/10, Abruf-Nr. 104209 - 1,5 Promille; LG Münster DAR 10, 473 - 1,67 Promille; LG Tübingen zfs 10, 394 - 1,29 Promille). Siehe auch OLG Hamm VA 10, 203 - relative Fahruntüchtigkeit.