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  • 25.07.2011 | Geschwindigkeitsüberschreitung

    Aktuelles zur Geschwindigkeitsüberschreitung: Vorsatz, Fahrlässigkeit und Täteridentifizierung

    von RA und RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster/Augsburg

    Zu den häufigsten Verkehrsordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gehört die Geschwindigkeitsüberschreitung (§ 3 StVO). Das zeigt u.a. auch die große Zahl der dazu veröffentlichten Entscheidungen. Wegen dieser erheblichen Bedeutung haben wir die dazu in den Jahren 2009 bis 2011 ergangene Rechtsprechung für Sie zusammengestellt (Anschluss an VA 11, 123). Nachstehend finden Sie die Ausführungen zu den Bereichen Vorsatz/Fahrlässigkeit, Täteridentifizierung anhand eines Lichtbilds bzw. einer Videoaufnahme sowie zur Ermächtigungsgrundlage bei der Geschwindigkeitsüberschreitung.  

     

    Rechtsprechungsübersicht: Vorsatz/Fahrlässigkeit

    Ein vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Betroffene das die zulässige Geschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen bemerkt und das Wissen hat, schneller als erlaubt zu fahren (OLG Stuttgart DAR 10, 402).  

     

    Umstände des Einzelfalls  

    Vorsatz/Fahrlässigkeit?  

    Fundstelle  

    Überschreitung um 57 km/h bei 100 km/h zulässiger Höchstgeschwindigkeit auf einer BAB.  

    grds. ja.  

    OLG Bamberg  

    VA 11, 49  

    Geschwindigkeitsüberschreitung um 40 km/h.  

    Annahme von Vorsatz bei einem außerorts begangenen Verstoß i.d.R. gerechtfertigt.  

    OLG Koblenz  

    VA 10, 13  

    Geschwindigkeitsüberschreitung um 45 km/h.  

    Annahme von Vorsatz nicht zwingend, wenn offen ist, ob der Betroffene die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung kannte.  

    OLG Zweibrücken DAR 11, 274  

    Bei einer Vorsatzverurteilung die Feststellung, dass das betreffende Verkehrszeichen „für jedermann deutlich sichtbar am linken und rechten Fahrbahnrand aufgestellt“ gewesen sei.  

    lässt einen sicheren Schluss auf dessen vorsätzliche oder nur fahrlässige Nichtbeachtung nicht zu, da es keinen Erfahrungssatz dahingibt, dass gut sichtbar aufgestellte Schilder immer gesehen werden.  

    OLG Stuttgart  

    DAR 10, 402  

    Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 40 Prozent.  

    Rückschluss auf Vorsatz grundsätzlich zulässig, allerdings nicht, wenn dem Betroffenen die Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung möglicherweise - z.B. aus Unachtsamkeit - verborgen geblieben ist.  

    OLG Celle  

    VA 10, 192  

     

     

    Rechtsprechungsübersicht: Täteridentifizierung anhand eines Lichtbilds/Videoaufnahme

    Die obergerichtliche Rechtsprechung beruht seit Jahren auf der Grundsatzentscheidung des BGH (vgl. NJW 96, 1420). Dennoch werden von den Tatrichtern immer wieder Fehler gemacht.  

     

    Umstände des Einzelfalls  

    Auswirkungen auf die Identifizierung/ die Urteilsgründe  

    Fundstelle  

    Allgemeine Verwertbarkeit der Lichtbilder.  

    Werden bei einer Geschwindigkeitsmessung im Zusammenhang mit dem Messverfahren zum Zweck der Identifizierung Lichtbilder von den Fahrzeugführern gefertigt, sind diese verwertbar, auch wenn es für den Einsatz der Messgeräte keine gesonderte gesetzliche Grundlage gibt und das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung hierbei tangiert sein kann.  

    AG Saarbrücken 8.9.09, 22 OWi 63 Js 917/09 (568/09)  

    Beiziehung der Kopie eines ausländischen Passes von der Aus- länderbehörde.  

    Beiziehung zulässig, wenn dies zur Identifizierung des Betroffenen erforderlich ist.  

    OLG Hamm  

    VA 09, 213  

    Auf das vom Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild wird ohne Angabe der Blattzahl der Akte Bezug genommen.  

    Angabe der Blattzahl für eine prozessordnungsgemäße Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht erforderlich.  

    OLG Koblenz  

    VA 10, 13  

    Hinweis auf die „in der Akte befindlichen Lichtbilder“.  

    Keine i.S. des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ausreichende Bezugnahme auf ein Lichtbild.  

    OLG Koblenz  

    VA 10, 197  

    Zur Identifizierung wird auf einen Videofilm verwiesen.  

     

    Zulässigkeit noch umstritten, bejaht vom OLG Zweibrücken (VRS 102, 102) und vom OLG Dresden (VA 09, 160), verneint vom OLG Brandenburg (VA 10, 51); offengelassen vom OLG Hamm (VA 10, 52).  

     

    Zurückweisung eines Beweisantrags zur Täteridentifizierung, nicht der Betroffene, sondern sein in Spanien lebender Bruder sei zum Tatzeitpunkt Kfz-Führer gewesen. Dieser gleiche dem Betroffenen „wie ein Ei dem anderen“.  

    Zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) weil der Betroffene eindeutig identifiziert ist und eine Ähnlichkeit von Brüdern unterschiedlichen Alters eher selten ist. Zurückweisung des Beweisantrags nur dann nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, wenn das AG dadurch seine nach § 77 Abs. 1 S. 1 OWiG prinzipiell fortbestehende Aufklärungspflicht nicht verletzt.  

    OLG Celle  

    VA 11, 13  

    Bild ist unscharf und kontrastarm.  

    Nähere Angaben zur Bildqualität und zu den Identifizierungsmerkmalen sind erforderlich.  

    OLG Hamm NStZ-RR 09, 250  

    Das Tatgericht stützt sich zur Identifizierung des Betroffenen auf die Ausführungen eines Sachverständigen.  

    Es genügt den sachlich-rechtlichen Darlegungsanforderungen regelmäßig nicht, wenn in den Urteilsgründen im Wesentlichen dann nur das Ergebnis des erstatteten anthropologischen Identitätsgutachtens mitgeteilt wird.  

    OLG Bamberg VA 10, 138  

     

     

    Praxishinweis: Hat der Tatrichter den in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen anhand eines bei der Tat gefertigten Lichtbilds eindeutig zu identifizieren vermocht, setzt eine zulässige Aufklärungsrüge, mit der das Unterbleiben der Vernehmung eines angeblich ebenfalls als Fahrer in Betracht kommenden Zeugen zur Fahreridentifizierung bemängelt wird, die Behauptung nahezu identischen Aussehens des Betroffenen und des Zeugen voraus (OLG Jena VRS 114, 447).  

    Übersicht: Ermächtigungsgrundlage für Geschwindigkeitsmessungen

    Nach der inzwischen wohl. h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Vorschrift des § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG eine ausreichende Grundlage für die Messung von Geschwindigkeitsverstößen im Straßenverkehr (vgl. dazu auch die Zusammenstellung bei Burhoff VRR 10, 93 ff. oder bei Rausch zfs 10, 302 ff.).  

     

    Gericht  

    Messverfahren  

    Fundstellen  

    BVerfG  

    ES 3.0  

    VA 10, 154  

    BVerfG  

    Videoabstandsmessung  

    VA 10, 172  

    OLG Bamberg  

    Bayerisches Brückenabstandsmessverfahren (VAMA)  

    NJW 10, 100 = VRR 09, 468  

    OLG Bamberg  

    offen  

    VRR 09, 470;  

    OLG Bamberg  

    MultaNova VR F6 und ES 1.0  

    VRR 10, 190 m. Anm. Gieg  

    OLG Brandenburg  

    ES 3.0  

    NJW 10, 1472  

    OLG Bremen  

    VKS im aufmerksamen Messbetrieb  

    DAR 11, 35  

    OLG Celle  

    offen  

    StraFo 10, 247; 10.2.10, 311 SsRs 15/10; 7.4.10, 322 SsBs 94/10  

    OLG Dresden  

    VKS 3.01  

    DAR 10, 210  

    OLG Düsseldorf (1., 3. und 4. Senat für Bußgeldsachen)  

    ViBram  

    DAR 10, 393; 10, 395; VA 11, 100  

    OLG Düsseldorf (3. Senat für Bußgeldsachen)  

    Riegl FG-21P  

    NZV 10, 262  

    OLG Hamm (3. Senat für Bußgeldsachen)  

    VKS 3.0  

    VA 10, 48  

    OLG Hamm (1. Senat für Bußgeldsachen)  

    VKS  

    VRR 10, 114  

    OLG Jena  

    VKS 3.01  

    zfs 11, 109  

    OLG Karlsruhe  

    ViBram  

    NStZ-RR 11, 61 (Ls.)  

    OLG Koblenz  

    VAMA  

    4.11.10, 1 SsBs 111/09  

    OLG Koblenz  

    Brückenabstandsmessverfahren  

    4.3.10, 2 Ss 23/10  

    OLG Oldenburg  

    VKS 3.0  

    VA 10, 47  

    OLG Rostock  

    offen  

    StRR 10, 38  

    OLG Rostock  

    VKS 3.0  

    24.2.10, 2 Ss OWi 6/10 I 19/10  

    OLG Rostock  

    TRAFFIPAX TraffiPhot-S  

    2.3.10, 2 Ss (OWi) 15/10 1 38/10  

    OLG Rostock  

    eso ES 3.0  

    VA 10, 192  

    OLG Saarbrücken  

    VAMA Saarland  

    VRS 118, 268  

    OLG Schleswig  

    Provida  

    zfs 10, 172  

    OLG Stuttgart  

    ViBrAm-BAMAS  

    NZV 10, 317  

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2011 | Seite 142 | ID 147239