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  • 23.08.2010 | Fahrverbot

    Neue(re) Rechtsprechung zum Fahrverbot

    von RA und RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster/Augsburg

    Die Verteidigung gegen ein Fahrverbot spielt im OWi-Verfahren in der Praxis ein große Rolle. Dafür muss der Verteidiger die aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot kennen. Wir stellen Ihnen diese im folgenden Überblick vor. Behandelt werden u.a. „Augenblicksversagen“ und „Beharrlicher Verstoß“.  

    Allgemeines

    Der Tatrichter muss im Rahmen der Verhängung des Fahrverbots stets prüfen, ob außergewöhnliche Umständen vorliegen, die ausnahmsweise, insbesondere unter Beachtung des Übermaßverbots, das Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen (OLG Hamm, 19.1.10, 2 (6) Ss OWi 987/09, Abruf-Nr. 100962).  

     

    Rechtsprechungsübersicht: Allgemeines zum Fahrverbot

    Umstände des Einzelfalls  

    Entscheidung  

    Fundstelle  

    Vorsätzliche Begehungsweise.  

    Es ist nicht zulässig, die Regeldauer des Fahrverbots nach dem Bußgeldkatalog pauschal wegen vorsätzlichen Handelns zu verdoppeln.  

    OLG Koblenz  

    VA 10, 100  

    Der Tatrichter unterstellt eine Existenzgefährdung wegen der drohenden Kündigung des Arbeitsplatzes als wahr, verhängt aber dennoch ein Fahrverbot allein im Hinblick auf eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung „an der oberen Grenze der Fahrlässigkeit“.  

    Rechtsfehlerhaft.  

    OLG Bamberg NZV 10, 46  

    Fahrverbot droht.  

    Einem Betroffenen kann grds. zugemutet werden, durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen die Zeit des Fahrverbots zu überbrücken, z.B. durch Inanspruchnahme von Urlaub, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Inanspruchnahme einer Fahrgemeinschaft, Anstellen eines bezahlten Fahrers usw. Die hierdurch auftretenden finanziellen Belastungen hat der Betroffene hinzunehmen, notfalls durch Aufnahme eines Kredits.  

    OLG Frankfurt VA 10, 16  

    Straßenverkehrsbehörde weigert sich trotz Kenntnis einer unübersichtlichen Beschilderung durch Änderung der Beschilderung für Rechtsklarheit zu sorgen.  

    Vom Fahrverbot kann abgesehen werden.  

    AG Stollberg  

    VA 09, 173  

    Im VZR sind noch nicht tilgungsreife Eintragungen wegen Verkehrsstraftaten eingetragen.  

    Diese dürfen nach § 29 Abs. 8 StVG nach Ablauf von fünf Jahren im Rahmen eines Bußgeldverfahrens nicht mehr berücksichtigt werden; insoweit handelt es sich um ein umfassendes Verwertungsverbot, das dazu führt, dass die von ihm erfasste Straftat auch nicht herangezogen werden darf, um die Tilgungshemmung von nachfolgend begangenen, an sich tilgungsreifen Ordnungswidrigkeiten zu begründen.  

    OLG Celle  

    VA 09, 214;  

    so früher auch KG NJW 09, 1015;  

    AG Brandenburg VA 06, 163  

    Der Betroffene wird wegen zwei in Tatmehrheit zueinander stehenden OWi verurteilt.  

    Es kann nur auf ein einheitliches Fahrverbot erkannt werden.  

    OLG Hamm  

    VA 10, 28  

    Erhöhung der Geldbuße beim Absehen vom Fahrverbot  

    Ja, aber der sich aus § 24 Abs. 2 StVG i.V.m. § 17 Abs. 2 OWiG ergebende Höchstbetrag für eine fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit in Höhe von 1.000 EUR gilt.  

     

    Praxishinweis: Aufgrund des Verschlechterungsverbots ist es dem Rechtsbeschwerdegericht in diesen Fällen verwehrt, ein vom AG herabgesetztes Fahrverbot zu verlängern.  

    OLG Köln  

    VA 10, 46  

     

     

     

    Praxishinweis: Die Entscheidung des Tatrichters über das Absehen oder die Verhängung eines Fahrverbots ist vom Rechtsbeschwerdegericht im Zweifel „bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen“ (OLG Hamm zfs 09, 470). Der Tatrichter muss jedoch für seine Entscheidung eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben (OLG Hamm a.a.O.; vgl. u.a. auch OLG Hamm VA 07, 129, Abruf-Nr. 071074; NZV 08, 306). Der Verteidiger hat die Aufgabe, zu allen Umständen, die gegen das Absehen vom Fahrverbot sprechen könnten, vorzutragen. Dazu gehört z.B. auch, ob und warum der Betroffene keinen Kredit mehr bekommt, um mit diesem die finanziellen Belastungen, die durch das Fahrverbot entstehen können, abzumildern.  

    Augenblicksversagen

    Die Verwirklichung eines der Regelbeispiele des § 4 Abs. 1 S. 1 BKat, wie z.B. eines qualifizierten Rotlichtverstoßes, indiziert das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Fahrzeugführers nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, sodass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Wegen dieser Indizfunktion ist das Vorliegen einer Ausnahmesituation nur dann zu prüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen oder der Betroffene diese einwendet (zuletzt OLG Hamburg NZV 10, 42 m.w.N.).