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  • 01.02.2006 | Fahrverbot

    Augenblicksversagen beim Raser?

    Das Außerachtlassen einer besonderen und zum Schutze der übrigen Verkehrsteilnehmer vor unerwarteten Rasern unerlässlichen gesteigerten Sorgfalt bei der Beobachtung von Verbotsaufhebungszeichen ist regelmäßig als grobe Nachlässigkeit zu bewerten und führt zum Ausschluss eines Augenblicksversagens (OLG Koblenz 12.9.05, 1 Ss 235/05, Abruf-Nr. 053653).

     

    Sachverhalt

    Der Kraftradfahrer hatte auf einer BAB die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 73 km/h überschritten. Er hat ein Augenblicksversagen geltend gemacht, weil er sich in dem irrigen Glauben befunden habe, die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 km/h sei aufgehoben gewesen (Verwechslung des Zeichens 280 mit dem Zeichen 282 = Aufhebung sämtlicher Streckenverbote). Das AG hat ein Augenblicksversagen abgelehnt und gegen den Betroffenen auch ein Fahrverbot verhängt. Wer bei dichtem Verkehrsaufkommen per Motorrad mit über 200 km/h auf der Autobahn rase, müsse sich bewusst sein, dass er Verkehrsschilder nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen kann, da er sich voll auf den fließenden Verkehr konzentrieren muss. Das OLG hat die Begründung des AG beanstandet, die Verhängung des Fahrverbotes aber dennoch bestätigt.  

     

    Entscheidungsgründe

    Mit der amtsgerichtlichen Begründung kann das Fahrverbot nur Bestand haben, wenn die „gefahrenträchtige, extreme Konzentration für sich beanspruchende Fahrweise und das Übersehen, Missverstehen oder Verwechseln in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, so dass nach der Lebenserfahrung von einer auf grobe Weise selbstverschuldeten Wahrnehmungsbeeinträchtigung auszugehen ist“. Das müsse aber im Urteil festgestellt werden, was nicht geschehen sei.  

     

    Das OLG hat das Fahrverbot aber mit einer anderen Begründung gehalten: Der Betroffene hat sich zwar auf ein Augenblicksversagen berufen. Seine Einlassung behauptet aber keinen Sachverhalt, der ein Augenblicksversagen rechtfertigt. Der Betroffene hat kein Verkehrsschild übersehen, das ihm eine Beschränkung seines Fahrverhaltens auferlegte. Er war sich der Geschwindigkeitsbeschränkung (130 km/h) vielmehr bewusst und hatte seine Geschwindigkeit danach auch ausgerichtet. Wer vorhat, sich ab Geschwindigkeitsfreigabe mit derart rasendem Tempo durch dichten Verkehr zu bewegen, muss absolut sicher sein, dass die bisherige Geschwindigkeitsbeschränkung auch tatsächlich aufgehoben ist. Er muss dafür sorgen, dass ein Irrtum ausschlossen ist, weil sonst eine extrem hohe Unfallgefahr dadurch entsteht, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer, die das Aufhebungszeichen richtig erkannt haben und sich daher mit relativ langsamer Geschwindigkeit weiterbewegen, zu Recht nicht damit rechnen, dass von hinten ein Motorrad mit derart extremem Tempo herangerast kommt. Das Außerachtlassen dieser besonderen und zum Schutze der übrigen Verkehrsteilnehmer vor unerwarteten Rasern unerlässlichen gesteigerten Sorgfalt bei der Beobachtung von Verbotsaufhebungszeichen ist als grobe Nachlässigkeit zu bewerten, die das Regelfahrverbot rechtfertigt und ein Augenblicksversagen ausschließt .