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  • 01.06.2007 | Entziehung der Fahrerlaubnis

    Zur Anwendung des Punktekatalogs bei der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 StVG

    Für die Frage, zu welchem Zeitpunkt sich Punkte im Sinne des § 4 StVG „ergeben“, ist grundsätzlich auf die Rechtskraft der Ordnungswidrigkeit abzustellen. Ausnahmsweise ist zugunsten des Betroffenen der Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeiten heranzuziehen, wenn die Warn- und Appellfunktion des Maßnahmenkatalogs nicht zum Tragen kommt (OVG Münster 9.2.07, 16B 2174/06, Abruf-Nr. 071266).

     

    Sachverhalt

    Der Antragsteller war bei 15 Punkten von der Behörde gem. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG verwarnt worden. Dabei hatte die Behörde das sog. Rechtskraft-Prinzip zugrunde gelegt. Anschließend nahm der Antragsteller an einer verkehrspsychologischen Beratung teil und legte die Bescheinigung der Behörde vor. Später wurden weitere Verurteilungen rechtskräftig, so dass der Antragsteller auf über 18 Punkte kam. Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem Antragsteller nun die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Beschwerde des Antragstellers hatte beim OVG Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das OVG hat im summarischen Verfahren Folgendes festgestellt:  

    • Für die Anwendung des § 4 StVG kommt es grundsätzlich auf den Eintritt der Rechtskraft der die Verkehrsverstöße ahndenden behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen an. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift. So bestimmt § 4 Abs. 6 StVG, dass eine Unterrichtung der Fahrerlaubnisbehörde durch das KBA vorzunehmen ist, wenn die Eintragungen im VZR erfolgt sind. Der Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde gehen die Rechtskraft der zugrunde liegenden Entscheidung und die Eintragung ins Register voraus. Auch § 4 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s sowie § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 nehmen Bezug auf „zu erfassende Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“.
    • Allerdings gilt eine Ausnahme: Das Tattag-Prinzip ist anzuwenden, wenn eine Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 S. 1 oder 2 angeordnet wird zu einem Zeitpunkt, an dem bereits weitere Ordnungswidrigkeiten begangen wurden und die Warn- und Appellfunktion des Maßnahmenkatalogs zu spät kommen. In diesem Fall sei entscheidend, dass der Fahrerlaubnisinhaber nicht die nächste Stufe des Maßnahmenkatalogs erreiche, bevor er aufgrund der Maßnahme sein Verkehrsverhalten entsprechend ausrichten könne.

     

    Praxishinweis

    Das OVG Münster schließt sich hinsichtlich der Anwendung des Tattag-Prinzips dem VG Leipzig an (21.11.05, 1 K 1110/05). Es entscheidet sich insoweit gegen OVG Lüneburg (NJW 03, 1472), OVG Sachsen (NJW 07, 168) und OVG Thüringen (NJW 03, 2770; s. auch Gübner in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 1602, 1609). Insbesondere im Hinblick auf eine drohende Entziehung der Fahrerlaubnis muss der RA unter Anwendung der Entscheidung des OVG Münster künftig in jedem Einzelfall prüfen, ob die vorangegangenen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt erfolgt sind.