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  • 01.06.2007 | Blutentnahme

    Anordnung der Blutentnahme: Richtervorbehalt

    Nach § 81a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (BVerfG 12.2.07, 2 BvR 273/06, Abruf-Nr. 071267).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Ermittlungsbehörden haben den sich aus § 81a Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalt verletzt. Die Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (grundlegend BVerfGE 103, 142, 155 f.). Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges steht die Anordnungskom-petenz auch der StA zu. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Diese Grundsätze haben die Fachgerichte nicht beachtet. Da der Zweck der Maßnahme (= Überprüfung, ob der Beschwerdeführer Umgang mit Betäubungsmitteln hatte) auch nach Einholung einer richterlichen Anordnung noch erreichbar war und i.ü. durch nichts belegt ist, dass diese – um 9:00 Uhr morgens – nicht hätte erlangt werden können, liegen die Voraussetzungen einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs objektiv nicht vor.  

     

    Praxishinweis

    Das BVerfG wendet seine st. Rspr. zum effektiven Rechtsschutz (BVerfGE 96, 27, 40; 104, 220, 233; NJW 02, 2699; 02, 2700) auch auf Blutentnahmen an. Dies hat für die Praxis erhebliche Bedeutung: Betroffene können jetzt auch in den Fällen, in denen die anordnende Stelle Dokumentations- und Begründungspflichten, die eine umfassende und eigenständige nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Anordnungsvoraussetzungen ermöglichen sollen, nicht erfüllt haben, das als eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG rügen.  

     

    Zudem gilt auch für Blutentnahmen die Rspr. des BVerfG zur „Gefahr im Verzug“ (dazu Burhoff, Handb. für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 4. Aufl., Rn. 538 ff.). Wenn Blutentnahmen anstehen, also z.B. bei Trunkenheitsfahrten nach §§ 316 ff. StGB, werden die Ermittlungsbehörden ab sofort – zumindest tagsüber – um eine richterliche Anordnung nicht herum kommen, wenn man die Grundsätze der Entscheidung des BVerfG konsequent umsetzt. Konkret: Bei Blutentnahmen tagsüber ohne Anordnung des Richters wird man von einem Beweisverwertungsverbot ausgehen müssen (dazu auch OLG Karlsruhe NStZ 05, 399 [Abwägung erforderlich]; s. auch Burhoff StraFo 05, 140). Dies ergibt sich auch aus der neueren Rspr. des BVerfG zu den Beweisverwertungsverboten bei Durchsuchungsmaßnahmen. Das BVerfG (NJW 05, 1917) will diese nämlich jetzt nicht mehr nur bei „willkürlichen Verstößen“ diskutieren, sondern bereits bei „schwer wiegenden Verstößen“. Das Beweisverwertungsverbot muss der Verteidiger spätestens in der Hauptverhandlung mit einem Widerspruch geltend machen (BGHSt 38, 214).