Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.06.2005 | Autokauf

    Ungeklärte Grenzen der Beweislastumkehr

    Die Vermutung des § 476 BGB dafür, dass ein Mangel, der innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang auftritt, bereits bei Gefahrübergang vorlag, ist mit der Art des Mangels unvereinbar und gilt daher nicht, wenn eine der möglichen Mangelursachen typischer Weise jederzeit und plötzlich auftreten kann und die der Vorschrift zugrunde liegende Vermutung, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang angelegt war, erschüttert ist (OLG Stuttgart 31.1.05, 5 U 153/04, ZGS 05, 156, Abruf-Nr. 051355).

     

    Sachverhalt

    Mit Vertrag vom 21.1.03 hatte der Kläger vom beklagten Kfz-Händler einen gebrauchten Chrysler Voyager TD (Baujahr 94, km-Leistung 191.347) gekauft. Innerhalb von sechs Monaten nach Auslieferung trat nach gefahrenen rd. 6.000 km ein Schaden am Turbolader auf. Die Ursache war strittig. Nachdem der Kläger wegen der Reparaturkosten von ca. 1.300 EUR Klage erhoben hatte, kam es Ende 2003 zu einem weiteren Motorschaden. Darufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kauf. Unter Hinweis auf eine Notiz im Vertrag „Gewährleistung ist gegeben“ machte er einen „Garantieanspruch“ geltend und berief sich im Übrigen auf die Beweislastumkehr nach § 476 BGB. In beiden Instanzen blieb die Klage erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten für den Turbolader hat das OLG mit der Begründung verneint, der Kläger sei für seine Behauptung, bei dem Defekt handele es sich um einen Sachmangel, der bereits bei Übergabe vorhanden gewesen sei, beweisfällig geblieben. Offen gelassen hat der Senat, ob der Turboladerschaden überhaupt als Sachmangel oder lediglich als „normaler“ Verschleiß einzustufen ist. Unentschieden ist auch die Streitfrage geblieben, ob bei der Abgrenzung Mangel/Verschleiß § 476 BGB zu Gunsten des Verbrauchers in den Mangelbegriff „hineinprojiziert“ werden kann. Die Beweislastumkehr, so das OLG, komme dem Kläger jedenfalls wegen der Art des Mangels nicht zugute. Denn es stehe fest, dass eine der beiden möglichen Schadensursachen, ein Defekt eines Dichtungsrings, nach Übergabe plötzlich aufgetreten sei. Damit habe die Beklagte die Beweisvermutung erschüttert, so dass der Kläger den Vollbeweis der Mangelhaftigkeit bei Übergabe zu führen habe, was ihm aber nicht gelungen sei. Auch hinsichtlich des zweiten Motorschadens, eingetreten nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB, blieb die Klage ohne Erfolg. Insoweit handele es sich schon nicht um einen Sachmangel.  

     

    Praxishinweis

    Um zur ungeklärten Reichweite des § 476 BGB eine Klärung durch den BGH herbeizuführen, hat das OLG die Revision zugelassen. Schon bei der Prüfung der Vermutungsbasis fragt der BGH (VA 04, 145, Abruf-Nr. 041808) danach, ob die Ursache eines Motorschadens bereits bei Gefahrübergang vorhanden war oder möglicherweise durch einen Fahr- oder Bedienungsfehler des Käufers gesetzt wurde. Für den Turboladerschaden kamen ausschließlich technische Ursachen in Frage. Eine der beiden war bei Übergabe nachweislich nicht vorhanden. Bei der – weniger wahrscheinlichen – Alternativursache (nicht fachgerecht eingebaute Papierdichtung am Ansaugkrümmer) bestanden nur mit Blick auf ihre Wirkung, nicht in der Zeitpunktfrage Zweifel. Bei einer solchen Konstellation kann § 476 BGB nicht greifen. Entgegen BGH ist das jedoch keine Frage der Vermutungsbasis, sondern, wie das OLG richtig gesehen hat, ein Problem des Ausschlussgrundes „Art des Mangels“.