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  • 25.05.2010 | Akteneinsicht

    Einsicht in Bedienungsanleitung und Lebensakte

    Zu den Unterlagen des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen der Verwaltungsbehörden, die zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Das gilt für die Bedienungsanleitung, nicht jedoch für Lebensakten von technischen Messgeräten (AG Schwelm 13.4.10, 64 OWi 18/10 [b], Abruf-Nr. 101406).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Verteidiger hat nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und die „Lebensakte“ des Geschwindigkeitsüberwachungsgeräts verlangt. Die Verwaltungsbehörde lehnte ab.  

     

    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG hatte nur teilweise Erfolg. Der Verteidiger hat im Rahmen des Bußgeldverfahrens ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Gericht oder dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Zu den Unterlagen des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen der Verwaltungsbehörden, die zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt werde. Um zu gewährleisten, dass der Verteidiger des Betroffenen die Bedienung und Aufstellung des konkret eingesetzten Messgeräts nachvollziehen und überprüfen kann, ist ihm auch Einsicht in die Bedienungsanleitung zu gewähren. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die gegen ein solches Akteneinsichtsrecht sprechen. Insbesondere die datenschutzrechtlichen Bedenken der Herstellerfirma vermögen nicht zu überzeugen. Ein Anspruch auf Einsicht in die „Lebensakte“ des Geräts ist jedoch abzulehnen. Lebensakten von technischen Messgeräten gehören nicht zu den Akten. Im Übrigen besteht auch kein Bedürfnis für die Führung solcher Akten, denn die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung wird durch die Eichordnung hinreichend gewährleistet.  

     

    Praxishinweis

    Zur Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung entspricht die Entscheidung der wohl h.M. in der amtsgerichtlichen Rechtsprechung (AG Bad Kissingen VA 07, 36; AG Kleve VA 08, 177; ähnlich AG Cottbus VRR 09, 118 für einen Messfilm und AG Bad Liebenwerda VA 09, 196 für ein Messfoto). Zutreffend hat es das AG auch abgelehnt, den datenschutzrechtlichen Belangen des Herstellers an der Bedienungsanleitung den Vorrang vor dem Akteneinsichtsrecht einzuräumen und die Übergabe an den Verteidiger zu verweigern (so AG Bad Kissingen, a.a.O., das den Verteidiger auf eine Einsichtnahme an den Aufbewahrungsort der Bedienungsanleitung verwiesen hat; abl. auch AG Kleve, a.a.O.).  

     

    Zu widersprechen ist dem AG allerdings hinsichtlich der nicht gewährten Akteneinsicht in die Lebensakte. Dazu verweist das AG auf Göhler OWiG, 15. Aufl., § 60 Rn. 49, wonach die Lebensakte nicht zur Akte gehört. M.E. ist dem Verteidiger aber auch insoweit Akteneinsicht zu gewähren, da er anders als durch diese Einsicht nicht überprüfen kann, ob tatsächlich entsprechend den Vorgaben der EichO vorgegangen worden ist. Es ist m.E. „blauäugig“ wenn das AG darauf verweist, dass die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung durch die Eichordnung hinreichend gewährleistet werde. Das soll ja gerade durch die Einsicht überprüft werden.