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  • · Fachbeitrag · Schadenabwicklung

    Manipulation des Kilometerstands und die fatalen Folgen im Schaden- und Kaskofall

    | In der Januar-Ausgabe 2016 (Seite 3) hat UE über ein Urteil des AG Bochum berichtet. Das hat dem Geschädigten Schadenersatz versagt, weil er wegen einer erwiesenen Manipulation des Kilometerstands den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nicht belegen konnte. Dort ging es um einen Totalschaden. Zu Ende gedacht ist das Thema weit umfangreicher. Erfahren Sie, welch fatale Folgen die Manipulation des Kilometerstands im Schaden- und Kaskofall haben kann. |

    Der unwissende Gebrauchtwagenkäufer

    Mit demjenigen, der selbst den Kilometerstand manipuliert hat und im Schadenfall erwischt wird, muss man wenig Mitleid haben. Ohne Weiteres kann es aber auch den Käufer eines Gebrauchtwagens treffen, der im Schadenfall nun zwei Kröten schlucken muss. Eventuell erfährt er vom Versicherer, dass er beim Kauf über den Tisch gezogen wurde. Und gleichzeitig hat er nun ein schaden- oder kaskorechtliches Problem.

     

    Informationsquelle kann wie so oft das HIS sein

    Vom Versicherer erfährt er das dann, wenn dem bei seiner inzwischen routinemäßigen Abfrage beim Hinweis- und Informationssystem HIS des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (Versicherer-Schufa) auffällt, dass das Fahrzeug schon einmal einen Unfall hatte. Möglicherweise hat der Verkäufer das dem jetzt Betroffenen auch verschwiegen. Bemerkt der Versicherer bei seiner nun tiefer gehenden Recherche (es darf ohne weiteres angenommen werden, dass die Versicherer sich im wechselseitigen Interesse gegenseitig auch über Details informieren), dass der Kilometerstand beim früheren Unfall schon höher war als jetzt, zieht sich die Schlinge zu.

     

    Einen Mindestschaden ermitteln statt ein „Null-Urteil“ zu erhalten

    Wenn ein Gericht erkennt, dass der Geschädigte an dieser Stelle nicht der tachomanipulierende Täter, sondern das Opfer eines Gebrauchtwagenkaufs ist, kann man guten Willen erwarten und über die Festlegung eines Mindestschadens nachdenken. Es ist sicher möglich, aus dem Alter des Fahrzeugs beim Verkauf und der letzten bekannten Laufleistung, deren Datum mit dem Erstunfall auch feststeht, den Kilometerstand näherungsweise bis zum Verkauf hochzurechnen. Die weitere Laufleistung ab Kauf ist ja bekannt, die kann addiert werden. Auf der so gefundenen Grundlage kann ein Wiederbeschaffungswert näherungsweise ermittelt werden. Die Beweisregelung in § 287 ZPO (Schadenschätzung) gibt das nach unserer Auffassung her.

     

    Im Diebstahlsfall kann genauso vorgegangen werden.

    Im Falle eines Diebstahls des Fahrzeugs dürfte für den redlichen Versicherungsnehmer, also für den, der für die Manipulation des Kilometerstandes nicht selbst verantwortlich ist, wohl in gleicher Weise vorgegangen werden.

     

    Das Thema ist auch restwertrelevant

    Beim Restwert muss man allerdings auch aufpassen. Beim Einholen von Geboten muss dem Bieter klar sein, dass er auf ein Fahrzeug mit nur näherungsweise zu schätzendem Kilometerstand bietet. Wird das Problem erst bemerkt, wenn das Gebot schon vorliegt, muss der Umstand klargestellt werden. Der Bieter ist dann sicher nicht mehr an seinen unter anderen Voraussetzungen genannten Preis gebunden.

     

    Hat man dem Versicherer - zum Beispiel im Kaskofall - die Restwertermittlung überlassen, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Denn Verkäufer des Fahrzeugs wird nicht der Versicherer sein, sondern der Versicherungsnehmer. Der hat dann später die Reklamation am Bein, und das gegebenenfalls mit der auf drei Jahre verlängerten Verjährung wegen Arglist.

     

    PRAXISHINWEIS | Dann muss der Versicherer aufgefordert werden, das Gebot unter Berücksichtigung des nun bekannten Umstandes mit dem Bieter zu klären. Wurde das verunfallte Fahrzeug im Haftpflichtfall zügig verkauft und tritt das Problem erst danach zu Tage, muss der Ehrliche den Restwertkäufer nachträglich informieren. Zur Restwertkorrektur sollte der Sachverständige dann auch noch einmal Stellung nehmen.

     

    Bei Reparaturschäden schlägt das Problem ebenfalls zu

    Kann kein zuverlässiger Wiederbeschaffungswert (WBW) ermittelt werden, kann auch keine 130-Prozent-Grenze fixiert werden. Angesichts des Sondercharakters der 130-Prozent-Rechtsprechung darf bezweifelt werden, dass alle Gerichte eine näherungsweise gezogene Grenze ausreichen lassen werden.

     

    Wie die Fälle behandelt werden, bei denen der Versicherer die Manipulation des Kilometerstands erst nach der Reparatur ausgräbt, steht in den Sternen. Hierauf die Rechtsprechung des Prognoserisikos anzuwenden, liegt außerhalb der bisherigen Fallgruppe der Reparaturerweiterung.

     

    Ähnlich problematisch sind die Fälle, bei denen die Beteiligten angenommen haben, die Reparaturkosten lägen unterhalb des WBW. Bei dem näherungsweise ermittelten WBW liegen sie aber nun darüber. Wenn vollständig und fachgerecht repariert wurde und wenn der Geschädigte das Fahrzeug behält, dürfte der Geschädigte im Haftpflichtfall mit einem blauen Auge davonkommen.

     

    Beim Kaskoschaden kommt es nun auf die Kombination der Klauseln A.2.5.1 und A.2.5.2.1 a und b an. Liegen die Reparaturkosten nun über dem WBW, muss die Reparatur ebenfalls vollständig und fachgerecht sein.

     

    FAZIT | Es ist zu erwarten, dass Fälle rund um einen manipulierten Kilometerstand künftig häufiger auftreten werden. Wie sie die Rechtsprechung dann entscheidet, muss abgewartet werden.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2016 | Seite 10 | ID 43828932