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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Der Lackmaterialzuschlag ist in den Fokus mancher Versicherer geraten

    | Zunehmend laufen in der „UE“-Redaktion Hinweise auf, dass sich die sogenannten Prüfberichte der für die Versicherer tätigen Dienstleister mit dem Lackmaterialzuschlag befassen. Da steht dann lapidar, der Zuschlag sei in der berechneten Höhe „unangemessen“. Stattdessen wird eine beliebige andere Größenordnung eingesetzt. Erfahren Sie nachfolgend, wie Sie aus Werkstattsicht damit umgehen sollten. |

    Der prozentuale Zuschlag ist durchaus merkwürdig

    Die Kosten für das Lackmaterial als prozentualen Zuschlag auf den Lackierlohn zu berechnen, ist nicht auf Anhieb nachvollziehbar. Die verbrauchte Menge in Litern oder Teilmengen eines Liters oder die zu lackierende Fläche als Flächenmaß wären ein nachvollziehbarerer Maßstab. Denn bei einer Anknüpfung an den Lackierlohn müsste ja in den „teuren Städten“ deutlich dicker lackiert werden, als auf dem „billigen Land“.

     

    Dennoch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die prozentuale Zuschlagsberechnung durchgesetzt. Die meisten Kalkulationsprogramme arbeiten damit, und auch in von Versicherern erstellten Kalkulationen findet sich diese Methode. Eine andere Methode gibt Zeitzuschläge, also mehr Zeit, als man braucht. Das soll die Materialkosten abdecken. Im Ergebnis läuft das auf das Gleiche hinaus: Das Material steht in Abhängigkeit zu den Lohnkosten.

    Werkvertrag und Schaden-/Kaskorecht getrennt betrachten

    Wie immer bei der Beurteilung von Unfallregulierungsfragen müssen die werkvertraglichen Aspekte im Verhältnis von der Werkstatt zum Kunden einerseits und die schaden- oder kaskorechtlichen Aspekte im Verhältnis des Kunden zum Versicherer andererseits getrennt betrachtet werden.

     

    Die werkvertraglichen Aspekte

    Werkvertraglich schuldet der Kunde der Werkstatt den vereinbarten Betrag. Und wenn - wie es regelmäßig rund um den Unfall der Fall ist - im Detail keine Vereinbarung getroffen wurde, greift das Zusammenspiel von § 632 Abs. 1 und 2 BGB. Ist eine Gratisleistung nicht zu erwarten, ist gemäß § 632 Abs. 1 BGB ein Werklohn geschuldet. Der Höhe nach ist „…die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.“, § 632 Abs. 2 BGB.

     

    Da es völlig üblich ist, dass die Kosten für das Lackmaterial als Lohnpreis- oder Zeitzuschlag ausgedrückt werden, ist das im Kern nicht zu beanstanden. Nach unserer Marktkenntnis sind Zuschläge von 30 bis 40 Prozent und sogar noch etwas mehr völlig üblich. Vor dem Hintergrund sehr teurer Farbanalyse- und Mischanlagen und der kalkulatorischen Freiheit des Werkunternehmers ist das auch nachvollziehbar.

     

    Das wissen die Versicherer und deren Dienstleister auch. Deshalb verwenden sie den Begriff „unangemessen“, denn die Formulierung „unüblich“ wäre allzu leicht zu widerlegen.

     

    Wichtig | Damit steht es außer Zweifel, dass die berechneten Kosten dem Kunden gegenüber berechtigt und durchsetzbar sind.

     

    Die schadens- bzw. kaskorechtlichen Aspekte

    Sowohl beim Haftpflichtschaden als auch in den allermeisten Kaskoversicherungsbedingungen kommt es auf die „erforderlichen Kosten“ der Reparatur an.

     

    Beim Haftpflichtschaden ist der Geschädigte nicht verpflichtet, die billigste Werkstatt am Ort zu suchen. Dem normalen Geschädigten ist das Thema „Lackmaterialzuschlag“ vermutlich schlichtweg unbekannt. Und im Übrigen bedeutet es ja noch lange nicht, dass die Werkstatt mit dem niedrigsten Lackmaterialzuschlag am Ende auch die niedrigsten Gesamtkosten berechnet.

     

    Nach heutigem Stand der Rechtsprechung darf der Geschädigte die Werkstatt selbst aussuchen. Solange die von der Werkstatt berechneten Kosten den Rahmen des Üblichen (Vergleichsmaßstab ist jeweils das Marktsegment, also gegebenenfalls die Werkstätten der Marke oder der Strauß der freien Werkstätten) nicht sprengen, sind die Kosten „erforderlich“ im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB).

     

    Beim Kaskoschaden gilt im Grundsatz nichts anderes. Dann sind die Kosten „erforderlich“ im Sinne der jeweiligen Klauseln.

    Durchsetzung der gekürzten Ansprüche

    Die Durchsetzung des gekürzten Anspruches im (Haftpflicht-)Schadenrecht ist einfach: Es muss geklagt werden, notfalls aus abgetretenem Recht. Die Erfolgsaussichten sind bei korrekter Argumentation so gut, dass viele Versicherer auf Klagezustellung hin einknicken werden. Die pokern nur darauf, dass schon niemand klagen wird. Urteile zu dieser Frage können wir Ihnen nicht präsentieren. Auch das spricht dafür, dass die Versicherer die Auseinandersetzung vor Gericht scheuen.

     

    Bei Kaskoschäden ist die Durchsetzung ungleich komplizierter. Das ist ein Fall für das schwerfällige, unsichere und sehr teure Sachverständigenverfahren nach A.2.17 Muster-AKB.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Textbaustein 385: Lackiermaterialzuschlag erstattungsfähig (H/K)
    • Beitrag „Meinungsverschiedenheiten bei Kaskoschäden: Das Sachverständigenverfahren“, UE 9/2012, Seite 15
    • Beitrag „Sachverständigenverfahren durchgeführt: Versicherer stellt sich tot - was tun?“, UE 12/2014, Seite 18
    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 6 | ID 43118281