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  • · Fachbeitrag · Abschleppkosten

    Abschlepp- und Bergekosten: Alles Wissenswerte im Überblick

    | Zunehmend gibt es Streit mit einigen Versicherern über die Abschlepp- und/oder Bergekosten. Daher fasst der folgende Beitrag alles Wissenswerte zusammen. Erfahren Sie unter anderem, warum der Geschädigte beim Haftpflichtschaden keine Preise vergleichen muss, wie weit ein Unfallfahrzeug abgeschleppt werden darf, warum der Versicherer den Geschädigten nicht auf einen Schutzbrief oder eine Clubmitgliedschaft verweisen darf und was bei Kaskoschäden gilt. |

     

    Beachten Sie | „Abschleppen“ bezeichnet in diesem Beitrag das problemlose Aufladen und den Abtransport. „Bergen“ umfasst die gelegentlich erforderlichen Zusatzarbeiten, wie „das vom Acker holen“ oder das Aufsammeln von Ladung, Teilen oder ähnlichem.

    Der werkvertragliche Preisaspekt

    Obwohl der werkvertragliche Preisaspekt rund um die Schadenersatzrechtsprechung zu den Berge- und Abschleppkosten praktisch keine Rolle spielt, soll zunächst für das Grundverständnis das Werkvertragsrecht kurz vorgestellt werden:

     

    Wenn der Geschädigte den Auftrag erteilt

    Abschleppaufträge zeichnen sich dadurch aus, dass regelmäßig im Vorfeld der Erledigung kein Preis vereinbart wird. Dennoch ist dem Kunden klar, dass das nicht umsonst ist. Solche Situationen sieht das Recht vor:

     

    • § 632 Abs. 2 BGB regelt, dass der Auftraggeber eines Werkvertrags dem Auftragnehmer eine Bezahlung schuldet, wenn die Leistung nur gegen Entgelt erwartet werden kann. Das gilt dann als „stillschweigend vereinbart“.
    • § 316 BGB gibt dem Leistungserbringer das Recht, den Preis für die Leistung einseitig festzusetzen.

     

    PRAXISHINWEIS | Was auf den ersten Blick wie eine Lizenz zum Abzocken aussieht, ist in Wahrheit fein austariert. Aus dem Zusammenspiel der beiden Vorschriften ergibt sich: Der Leistungserbringer muss sich in seiner Rolle als Auftragnehmer mit seiner Preisfestsetzung im Rahmen des Üblichen bewegen. Dabei darf er allerdings den Preisrahmen, der sich unter anderem aus der regelmäßigen Abfrage des Berufsverbandes ergibt, voll ausschöpfen. Mitnichten ist es so, dass „das Übliche“ von den Durchschnittswerten bestimmt wird.

     

    Und wenn die Polizei agiert?

    Dass der Geschädigte selten selbst Kontakt mit dem Abschleppunternehmer aufnimmt, sondern dass das regelmäßig durch die Polizei geschieht, schadet nicht. Die Polizei wird dabei nur als Bote tätig. Sie erteilt keinen eigenen Auftrag. Ist der Geschädigte am Ort des Geschehens damit einverstanden, dass der Abschleppunternehmer sein Auto auflädt, kommt dadurch der Werkvertrag zustande.

     

    Ist der Geschädigte gar nicht mehr aktionsfähig, erteilt die Polizei den Auftrag in dessen Namen. Spätestens, wenn der Geschädigte (der in der Situation ja keine Abtretung unterschreibt) die Rechnung für das Abschleppen der Versicherung präsentiert, hat er den in seinem Namen erteilten Auftrag stillschweigend genehmigt.

    Kein Preisvergleich bei Haftpflichtschäden

    Bei Haftpflichtschäden ist die besondere Situation des Geschädigten zu beachten. Weil die schnelle Räumung der Unfallstelle oft im Vordergrund steht, muss er vor der Beauftragung eines Abschleppunternehmers keine Preise vergleichen. Das ist ihm in der Regel auch gar nicht möglich, zumal der Unternehmer in vielen Fällen von der Polizei ausgewählt und benachrichtigt wird (OLG Celle, Urteil vom 9.10.13, Az. 14 U 55/13; Abruf-Nr. 133275; AG Stade, Urteil vom 10.1.2012, Az. 61 C 946/11; Abruf-Nr. 120729).

     

    Beachten Sie | BGH-Rechtsprechung gibt es dazu (noch) nicht. Es darf aber als sicher gelten, dass er es genau so sehen würde, wie das OLG Celle. Denn mit seiner Rechtsprechung zur Not- und Eilsituation bei Mietwagen hat er bereits eine Vorlage geliefert: Wo der Geschädigte keine Stellschraube hat, muss er auch keine Stellschraube drehen. Und nur auf die Situation des Geschädigten kommt es an.

     

    Das OLG Celle hat es auch akzeptiert, dass der Abschleppunternehmer die Kosten für die Hakenlastversicherung anteilig berechnet, denn der Geschädigte könne schwerlich in seiner Situation einen Konkurrenten finden, der das nicht tut.

     

    Für Bergekosten gilt nichts anderes als für die Abschleppkosten. Der Preis wird in der Regel vorher nicht festgelegt, also muss er sich im Rahmen des Üblichen halten.

    Wie weit abschleppen?

    Bei dieser Frage muss man zwischen offensichtlichen Totalschäden und Reparaturschäden unterscheiden.

     

    Totalschaden

    Ein Fahrzeug, dass bei einem Unfall offensichtlich einen Totalschaden erlitt, kann nicht auf Kosten des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer über eine Strecke von 373 km „nach Hause“ geschleppt werden, entschied das LG Stuttgart (Urteil vom 15.6.2011, Az. 8 O 434/11; Abruf-Nr. 133973). Das Urteil ist nachvollziehbar. Denn die Verwertung des Fahrzeugs kann auch am Unfallort organisiert werden. Einen generellen Anspruch darauf, das Fahrzeug an den Heimatort zu holen, gibt es nicht. Da schlägt die Schadenminderungspflicht durch.

     

    PRAXISHINWEIS | Ist es jedoch von der Unfallstelle zur Heimatwerkstatt nur unwesentlich weiter als zum Hof des Abschleppunternehmers, darf der Geschädigte sicher den Auftrag erteilen, das Fahrzeug zur Heimatwerkstatt zu bringen. Eine feste Grenze in Kilometern lässt sich da aber nicht ziehen.

     

    Reparaturschaden

    Anders als beim Totalschaden könnten die Dinge auch bei größeren Entfernungen bei einem Reparaturschaden liegen. Denn selbst wenn das Fahrzeug in der Nähe des Unfallortes repariert würde, muss es ja danach zum Heimatort des Geschädigten gelangen.

     

    Schadenrechtlich wird man nicht verlangen können, dass der Geschädigte Urlaub nimmt, um seinen Wagen zu holen. Selbst wenn er es täte, fielen Zugfahrkosten oder der Treibstoff für den Mietwagen für die Strecke zur Abholung und für das reparierte Auto für die Strecke nach Hause an. Zwar hätte der Geschädigte ohne den Unfall die Fahrt nach Hause auch gemacht, aber eben nicht doppelt. Immerhin ist er nach dem Unfall auch nach Hause gefahren.

     

    Diese gedachten Rücktransportkosten für das reparierte Auto oder die gedachten Abholkosten sind Beträge, die in eine Alternativberechnung eingestellt werden können. Dann ist der Transport des Unfallfahrzeugs in die Heimatwerkstatt mindestens zu einem Teil, wenn nicht sogar ganz abgedeckt. Rechtsprechung zu dieser Frage ist uns allerdings nicht bekannt.

     

    Notwendige Zwischenlagerung

    Ereignet sich der Unfall außerhalb der Werkstattöffnungszeiten und muss das verunfallte Fahrzeug daher zunächst beim Abschleppunternehmer zwischengelagert werden, muss der gegnerische Haftpflichtversicherer auch die weitere Abschlepprechnung zur Reparaturwerkstatt übernehmen (LG Detmold, Urteil vom 16.1.2009, Az. 12 O 248/07; Abruf-Nr. 092690).

     

    Denn so hat es der BGH in der Standgeldfrage entschieden: Der Geschädigte kann sein verunfalltes Fahrzeug nicht einfach am Straßenrand abstellen. Und unter Umständen muss er es, wenn es nicht mehr witterungsdicht ist, vor Regen und Schnee schützen, und nicht weniger gegen Diebstahl von Teilen, wenn es nicht mehr verschließbar ist (BGH, Urteil vom 5.2.2013, Az. VI ZR 363/11; Abruf-Nr. 130595).

     

    Nicht anders wäre es, wenn der bei dem Unfall verletzte Geschädigte mit dem Krankenwagen abtransportiert und das Fahrzeug mangels anderweitiger Weisungen zunächst beim Abschleppunternehmer zwischengelagert würde. Wenn eine zweite Abschlepprechnung entsteht, weil das Fahrzeug später in die Werkstatt transportiert wird, muss der gegnerische Haftpflichtversicherer auch die erstatten.

    Kein Verweis auf Schutzbrief oder Clubmitgliedschaft

    Mancher Autofahrer hat eine Verkehrsservice-Versicherung, die im Volksmund „Schutzbrief“ heißt. Auch darin sind Abschleppleistungen enthalten.

     

    Jedoch gilt hier der gleiche Grundsatz wie immer: Private Vorsorge ist nicht dazu da, den Schädiger zu entlasten. Der unfallgegnerische Versicherer kann dem Geschädigten also nicht entgegenhalten - wie es bereits versucht wurde - er müsse aus Gründen der Schadenminderungspflicht seinen Schutzbrief in Anspruch nehmen.

     

    Dagegen sprechen nämlich auch weitere Argumente: In vielen Schutzbriefbedingungen ist eine Klausel enthalten, wonach die Schutzbriefleistung nicht beansprucht werden kann, wenn ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten besteht. Damit will sich der Schutzbriefversicherer von Kosten befreien, die auch einem Dritten belastet werden können. Das ist sicherlich zulässig, denn das basiert auf vertraglichen Vereinbarungen. Umgekehrt kann sich der Schädiger nicht von Kosten freihalten wollen, die auch ein Dritter bezahlen könnte, denn dort gilt eben das Recht der unerlaubten Handlung, im Volksmund „Schadenrecht“ genannt.

     

    PRAXISHINWEIS | Das Gesagte gilt auch für den untauglichen Verweis des Haftpflichtversicherers auf Leistungen eines Automobilclubs, die dem Geschädigten eventuell zustehen.

     

    Die Situation bei Kaskoschäden

    In den Musterbedingungen des GDV heißt es im Hinblick auf die Abschleppkosten in Klausel A.2.7.2: „Bei Beschädigung des Fahrzeugs ersetzen wir die Kosten für das Abschleppen vom Schadenort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt, wenn nicht ein Dritter Ihnen gegenüber verpflichtet ist, die Kosten zu übernehmen. Das gilt nur, soweit einschließlich unserer Leistungen wegen der Beschädigung des Fahrzeugs nach A.2.7.1 die Obergrenze nach A.2.7.1.a oder A.2.7.1.b nicht überschritten wird.“

     

    Das bedeutet: Die Abschleppkosten sind vom Versicherungsschutz umfasst. Die Summe aus Reparaturkosten und Abschleppkosten darf aber nicht höher sein, als der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs am Unfalltag, wenn vollständig und fachgerecht repariert wird. Und sie darf nicht höher sein, als die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert, wenn nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert wird.

     

    Beachten Sie | Die Klausel ist auf Abschleppkosten bezogen. Bergungskosten sind nicht umfasst und damit nicht erstattungspflichtig.

     

    Für Totalschäden sehen die Muster-AKB keine Abschleppkosten vor. Das ist in sich schlüssig, weil bei Totalschäden die Differenz aus Wiederbeschaffungswert und Restwert die Höchstentschädigung darstellt. Offenbar sind da aber viele Versicherer kulant.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 6 | ID 42460136