08.08.2013
Landesarbeitsgericht: Urteil vom 13.03.2013 – 8 Sa 427/12
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 17.8.2012, Az.: 5 Ca 293/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 03.04.1995 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Bundesentgelttarifvertrag der Chemischen Industrie (im folgenden: BETV Chemische Industrie) Anwendung.
Der Kläger, der über eine abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung als Schlosser verfügt, erhält für seine Tätigkeit von der Beklagten derzeit Vergütung nach Entgeltgruppe E 3 BETV Chemische Industrie. Mit seiner am 12.07.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Differenz zwischen dem Tarifentgelt der Entgeltgruppe E 6 und dem Tarifentgelt der Entgeltgruppe E 3 für den Zeitraum vom 01.11.2010 bis 30.06.2011 in Anspruch genommen und für die Zeit ab dem 01.07.2011 die Feststellung seiner Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 begehrt.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 17.08.2012 (Bl. 118 - 120).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 01.07.2011 nach der Entgeltgruppe E 6 des Bundesentgelttarifvertrages der Chemischen Industrie, Tarifsatz nach 6 Tätigkeitsjahren, zu vergüten.
Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.320,-- Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.08.2012 die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 11 dieses Urteils (= Bl. 120 - 127 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 23.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.09.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 22.10.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23.11.2012 begründet.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, selbst wenn man mit dem Arbeitsgericht davon ausgehe, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, ihn nach Entgeltgruppe E 6 zu vergüten, so habe er gleichwohl einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, da er tarifgerecht (zumindest) in die Entgeltgruppe E 5 eingruppiert sei. Entgegen der Behauptung der Beklagten werde er nicht lediglich in einer Abteilung eingesetzt. Sein Einsatz erfolge vielmehr in drei Abteilungen, nämlich in der Abteilung "Dichtmassen/Kunstrasen", in der Abteilung "Reaktionskleber" sowie in der Abteilung "Rohstoffvorrichterei". In der Abteilung "Dichtmassen/Kunstrasen" werde er an 15 unterschiedlichen Maschinen eingesetzt. Dabei habe er zwar auch einfache Arbeiten in der Produktion zu erledigen, die nach Entgeltgruppe E 3 zu vergüten seien. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege insoweit allerdings eindeutig bei höher qualifizierten und dementsprechend auch höher zu vergütenden Tätigkeiten, die den Entgeltgruppen E 5, E 6 oder gar E 7 zuzuordnen seien. In der Abteilung "Reaktionskleber" werde er an nur einer Maschine eingesetzt. Insoweit habe er zwar auch einfache Tätigkeiten auszuführen, die isoliert betrachtet nach Entgeltgruppe E 3 zu vergüten wären. Bei der betreffenden Maschine handele es sich jedoch um eine schwieriger zu handhabende Maschine, deren Bedienung isoliert betrachtet nach Entgeltgruppe E 6 zu vergüten sei. Da die Maschinenbedienung gegenüber den einfacheren Tätigkeiten die überwiegende Zeit seines Einsatzes in der betreffenden Abteilung in Anspruch nehme, sei in der Gesamtbetrachtung auch diese Tätigkeit der Entgeltgruppe E 5 zuzuordnen. Soweit er in der Abteilung "Rohstoffvorrichterei" eingesetzt sei, obliege ihm die Verantwortung für die sachgerechte Lagerhaltung der vorhandenen Rohstoffe und der Gebindeauswahl sowie das Umfüllen und Beschriften. Diese Tätigkeiten seien isoliert betrachtet nach der Entgeltgruppe E 6 zu vergüten. Das gleiche gelte bezüglich der Bedienung des elektrischen Hubwagens, der darüber hinaus auch noch gewartet und beladen werden müsse. Die Kommissioniertätigkeiten, die er verrichte, seien ebenso wie die Bedienung des Ofens für die Rohstoffe der Entgeltgruppe E 4 zuzuordnen. Insgesamt ergebe sich daher auch bezüglich seiner Arbeit in dieser Abteilung eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 5.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 23.11.2012 (Bl. 166 - 173 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil wie folgt abzuändern:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab dem 01.07.2011 nach der Entgeltgruppe E 5 des Bundesentgelttarifvertrags der Chemischen Industrie, Tarif nach 6 Tätigkeitsjahren, zu vergüten.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Differenzvergütung für die Zeit vom 01.11.2010 bis 30.06.2011 in Höhe von 1.744,00 € brutto, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozenpunkten über dem Basiszinssatz, gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit, zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
Zur Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungserwiderungsschrift vom 30.01.2013 (Bl. 221 - 236 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
II. Die insgesamt zulässige Klage ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger in zweiter Instanz sein Feststellungs- und Zahlungsbegehren auf die Entgeltgruppe E 5 BETV Chemische Industrie beschränkt bzw. reduziert hat.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung nach Entgeltgruppe E 5 BETV Chemische Industrie.
Der betreffende Tarifvertrag enthält - soweit vorliegend von Interesse - folgende Bestimmungen:
"§ 3 Allgemeine Entgeltbestimmungen
...
2. Die Arbeitnehmer werden entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppen eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe; hierzu sind als Erläuterung die bei den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen. Passen die Oberbegriffe nicht auf eine ausgeübte Tätigkeit, so ist ein Arbeitnehmer in diejenige Entgeltgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit am nächsten kommt.
...
4. Übt ein Arbeitnehmer innerhalb seines Arbeitsbereiches ständig wiederkehrend mehrere Tätigkeiten aus, auf die verschiedene Entgeltgruppen zutreffen, so ist er in die Entgeltgruppe einzugruppieren, deren Anforderungen den Charakter seines Arbeitsbereiches im wesentlichen bestimmen. Für solche Tätigkeiten, die bezüglich ihrer Anforderungen zu höheren Entgeltgruppen gehören und durch die Eingruppierung gemäß Satz 1 noch nicht abgegolten werden konnten, ist eine angemessene Vergütung als Ausgleich zu gewähren.
...
§ 7Entgeltgruppenkatalog...
E 3
Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine Berufspraxis von in der Regel 6 bis 12 Monaten erworben werden.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können folgende Tätigkeiten als Richtbeispiele gelten:
Arbeiten gleichwertiger Art insbesondere in Produktion, Labor, Technik, Lager, Materialausgabe, Versand, Verwaltung oder in Wirtschaftsbetrieben
E 4
Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene zweijährige Berufsausbildung in einem nach dem Berufungsbildungsgesetz anerkannten oder gleichgestellten Ausbildungsberuf erworben worden sind und in der Regel nach eingehenden Anweisungen ausgeführt werden. Das Merkmal der abgeschlossenen Berufsausbildung in dieser Gruppe wird erfüllt durch den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung, z.B. zum Chemiebetriebswerker, Chemielaborwerker, Elektroanlageninstallateur, Teilezeichner oder Handelsfachpacker.
Arbeitnehmer ohne eine derartige planmäßige Ausbildung, die aufgrund einer längeren Berufspraxis auf einem Arbeitsplatz der Entgeltgruppe 3 eine entsprechende Tätigkeit wie nach Absatz 1 ausüben.
Hilfshandwerker und Arbeitnehmer, die gleichzubewertende Tätigkeiten verrichten.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können folgende Tätigkeiten als Richtbeispiele gelten:
...
E 5
Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, die über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 4 hinaus erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen und in der Regel nach allgemeinen Anweisungen ausgeführt werden.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können folgende Tätigkeiten als Richtbeispiele gelten:
..."
Maßgeblich für die Eingruppierung des Klägers sind die in den einzelnen Entgeltgruppen des Entgeltgruppenkatalogs genannten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale. Darauf, ob eines der in den Entgeltgruppen aufgeführten Regelbeispiele erfüllt ist, kommt es hingegen nicht an. Bei den von den Tarifvertragsparteien im BETV Chemische Industrie verwendeten Regelbeispielen handelt es sich nämlich nicht um konkrete, nur einmal in einer Entgeltgruppe genannten Tätigkeitsbeispiele, sondern um allgemeine Beschreibungen von Tätigkeiten unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe mit in der Regel mehrfacher Verwendung in den Entgeltgruppen. Es ist daher bezüglich der Eingruppierung nach dem BETV Chemische Industrie auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale abzustellen (BAG v. 19.08.2004 - 8 AZR 375/03 - EzA § 4 TVG Chemische Industrie Nr. 7).
Voraussetzung für eine Eingruppierung des Klägers in die von ihm begehrte Entgeltgruppe E 5 BETV Chemische Industrie ist zunächst, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit den Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe E 4 entspricht, da es sich bei den Entgeltgruppen E 4 und E 5 um sog. Aufbaufallgruppen handelt. Denn die Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 5 setzt zwingend das Vorliegen der Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 4 voraus, da sie "über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 4 hinaus erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten" voraussetzt (BAG v. 19.08.2004, a.a.O.).
Gemäß den in der Entgeltgruppe E 4 BETV Chemische Industrie genannten Anforderungen muss es sich bei der vom Kläger verrichteten Tätigkeit in objektiver Hinsicht um eine in der Regel nach eingehenden Anweisungen ausgeübte Tätigkeit handeln, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die in subjektiver Hinsicht durch eine abgeschlossene zweijährige Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten oder gleichgestellten Ausbildungsberuf erworben worden sind, wobei das Merkmal der abgeschlossenen Berufsausbildung durch den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung z.B. zum Chemiebetriebswerker, Chemielaborwerker, Elektroanlageninstallateur, Teilezeichner oder Handelsfachpacker erfüllt wird. Bei Nichtvorliegen einer derartigen planmäßigen Ausbildung muss der Kläger in subjektiver Hinsicht aufgrund einer längeren Berufspraxis auf einem Arbeitsplatz der Entgeltgruppe 3 eine entsprechende Tätigkeit ausüben.
Hiervon ausgehend, rechtfertigt das Vorbringen des Klägers keine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 4 BETV Chemische Industrie und daher erst recht keine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 5. Der Kläger hat nämlich nicht dargetan, dass es sich bei den von ihm ausgeführten Tätigkeiten oder bei einem Teil dieser Tätigkeiten um solche der Entgeltgruppe E 4 handelt, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, die durch eine abgeschlossene zweijährige Berufsausbildung erworben werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung lässt sich dem Vorbringen des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers nicht entnehmen. Die bloße Auflistung von Tätigkeiten und die Behauptung, diese seien bestimmten Entgeltgruppen zuzuordnen, ist insoweit unzureichend. Es wäre Sache des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, welche Kenntnisse und Fertigkeiten für die Ausübung der ihm obliegenden Tätigkeiten erforderlich sind und dass diese Kenntnisse und Fertigkeiten durch eine zweijährige Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten oder gleichgestellten Ausbildungsberuf erworben werden. Diesbezüglich lässt sich dem Sachvortrag des Klägers jedoch nichts entnehmen.
III. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand in Ansehung der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.