08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 05.05.2006 – 2 K 92/05
Der Eingangsstempel einer Behörde ist eine öffentliche Urkunde, die grundsätzlich als Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreibens zu Grunde zu legen ist,
Das Einreichen eines Einspruchs bei einem falschen Finanzamt ist nicht fristwahrend.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb eines Monats zu begründen. Innerhalb der Monatsfrist muss ggf. auch vorgetragen werden, dass ein Angestellter gegen eine ausdrückliche Anweisung verstoßen hat.
Von einem Verschulden des Steuerberaters ist auszugehen, wenn er ein falsches Finanzamt als Boten für einen Einspruch benutzt und er sich nicht vorher ausreichend über etwaige Postlaufzeiten informiert.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin rechtzeitig Einspruch gegen den geschätzten Umsatzsteuerbescheid 2001 eingelegt hat bzw. ob ihr wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Durch Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 07.10.2003 (Dienstag) wurde eine Umsatzsteuer in Höhe von 4.421,65 Euro gem. § 162 AO festgesetzt, weil keine Steuererklärung eingereicht worden war. Dieser Umsatzsteuerbescheid erging ohne den Vorbehalt der Nachprüfung. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist u.a. folgender Hinweis enthalten:
„Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs beträgt einen Monat.”
Durch das Schreiben vom 07.11.2003, welches laut Eingangsstempel des Beklagten am 11.11.2003 beim Beklagten eingegangen ist, legte die Klägerin gegen den Schätzungsbescheid Einspruch ein. Am 12.11.2003 ging beim Beklagten die Umsatzsteuererklärung 2001 der Klägerin ein, durch die sie eine Umsatzsteuererstattung in Höhe von 65.567,50 Euro erklärte.
Der Beklagte forderte durch Schreiben vom 17.11.2003 von der Klägerin Belege an. Dieser Forderung entsprach die Klägerin durch Schreiben vom 01.12.2003, welches am 05.12.2003 beim Beklagten einging.
Durch Schreiben vom 08.01.2004 teilte der Beklagte mit, dass der Einspruch erst am 11.11.2003 und damit einen Tag zu spät beim Beklagten eingegangen sei und gab Gelegenheit Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen. Die Stellungnahme wurde bis zum 06.02.2004 erbeten.
Die Klägerin beantragte durch Schreiben vom 12.01.2004 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieses Schreiben ging am 15.01.2004 beim Beklagten ein. Zur Begründung trug sie folgendes vor:
„Sämtliche Steuererklärungen und Briefe an die verschiedenen Finanzämter in Hamburg werden von Herrn ...(A) persönlich an jedem Wochenende beim Finanzamt Hamburg-...(1) abgegeben. Dringende Briefe gibt Herr ...(A) auch an normalen Wochentagen beim Finanzamt ab.... Sicherheitshalber wurde von uns am 7.11.03 Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid eingelegt. Der Brief wurde von Herrn ...(A) an dem Wochenende beim Finanzamt Hamburg-...(1) abgegeben. Ein Eingangsstempel des Finanzamtes ...(1) mit dem Datum vom 7.11.03 müsste also auf dem Brief oder auf dem Briefumschlag sein.... Wir beantragen hiermit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 (1) AO weil der Einspruch fristgerecht beim Finanzamt Hamburg-...(1) eingereicht wurde bzw. ein Verschulden unserseits nicht vorliegt.”
Der Beklagte lehnte durch Schreiben vom 30.01.2004 den Wiedereinsetzungsantrag ab, da das Finanzamt Hamburg-1 unzuständiges Finanzamt gewesen sei und daher selbst nach dem Vorbringen der Klägerin Verschulden vorliegen würde.
Hiergegen legte die Klägerin durch Schreiben vom 05.02.2004, welches am 06.02.2004 beim Beklagten eingegangen ist, Einspruch ein:
„Der Einspruch vom 07.11.2003 wurde an die richtige Adresse - Finanzamt Hamburg ...(2), Postfach ... - fristgemäß eingelegt. Der Brief wurde in den Postkasten ...(X-Straße) am 07.11.2003, drei Tage vor Fristablauf, persönlich von Herrn ...(A) eingeworfen um sicherzugehen, dass der Einspruch fristgemäß bei der zuständigen Behörde eingeht. Herr ...(A) ist seit dem 01.11.1995 als Steuerfachangestellter beschäftigt. Er ist ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter. Herr ...(A) hat die Poststelle ...(X-Straße) in Unkenntnis für zuständig gehalten, da er der Meinung war, dass das Finanzamt ...(1) in Hamburg für die Postverteilung zuständig ist. Bei einer normalen Laufzeit hätte mit rechtzeitigem Posteingang beim Finanzamt ...(2) gerechnet werden können.”
Durch Einspruchsentscheidung vom 15.03.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 14.04.2005 eingegangene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, das Finanzamt Hamburg-1 besitze die Sonderzuständigkeit eines Verteilerfinanzamtes. Das ergebe sich aus § 17 Abs. 2 Satz 3 und 4 FVG in Verbindung mit der Verordnung über die Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 28.10.1997. Es würde daher die rechtzeitige Anbringung des Einspruchs bereits fristwahrend sein.
Es sei auch möglich, dass das Einspruchsschreiben rechtzeitig beim Beklagten eingegangen sei und dieser nur einen falschen Eingangsstempel angebracht habe. Es sei möglich im Rahmen eines Freibeweises die Unrichtigkeit des Eingangsstempels zu erbringen.
Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen.
Es bestehe für eine unzuständige Behörde die Verpflichtung, fristgebundene Schriftstücke rechtzeitig weiterzuleiten. Eine Wiedereinsetzung komme insbesondere dann in Betracht, wenn die unzuständige Behörde willkürlich, offenkundig nachlässig oder durch nachgewiesenes Fehlverhalten die Übermittlung schuldhaft verzögert und unterlassen habe. Hiervon müsse ausgegangen werden, da das Einspruchsschreiben nicht am nächsten Werktag beim zuständigen Finanzamt eingegangen sei. Der Beklagte habe es der Klägerin durch das Nichtaufbewahren des Briefumschlages erschwert, nachzuweisen, dass das Einspruchsschreiben am 07.11.2003 beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben worden sei. Die Tatsache, dass auf dem Schreiben selbst kein Eingangsdatum des Finanzamts Hamburg-1 vorhanden sei, sei ebenfalls ein Verschulden des Finanzamts Hamburg-1, denn nach dem Vortrag des Beklagten seien eingehende Schreiben regelmäßig mit einem Eingangsstempel zu versehen. Es sei zulässig, das Finanzamt Hamburg-1 aus Bequemlichkeitsgründen als Boten zu benutzen. Entscheidend sei, dass das Einspruchsschreiben richtig adressiert worden sei.
Die Klägerin ist der Ansicht, das Gericht müsse weiter aufklären, wie der Verteilungsablauf der behördlichen Post geregelt sei. Insbesondere solle hierzu der Ansprechpartner beim BTS, Herr B befragt werden.
Durch Schriftsatz vom 25.05.2005 trägt die Klägerin vor: Der Mitarbeiter des Steuerberaterbüros A habe das Einspruchsschreiben persönlich gegen 11.30 Uhr beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben. Damit habe er gegen die ausdrückliche Weisung der Steuerberaterin und Geschäftsführerin der D Steuerberatungsgesellschaft mbH verstoßen. Denn diese habe ihn angewiesen, das Einspruchsschreiben persönlich beim Finanzamt Hamburg-2 abzugeben. In diesem Zusammenhang werde Beweis angeboten durch die Zeugenvernehmung des Mitarbeiters Herrn A und der Geschäftsführerin Frau E.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2006 ausdrücklich auf die Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 25.05.2005 Blatt 38 Gerichtsakte hin und bat um Zeugenvernehmung des Zeugen A und der Zeugin E wegen des Ablaufs der Abgabe des Einspruchsschreibens und der Anweisungen, die diese erhalten bzw. gegeben haben.
Auch das einen Tag später abgegebene Schreiben mit der unterzeichneten Jahresumsatzsteuererklärung habe der Mitarbeiter A gegen die ausdrückliche Weisung wieder beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben. Es liege daher kein Fall des Organisationsverschulden vor, welches zu einem anzurechnenden Verschulden des Beraters bei der Klägerin führen würde, sondern es habe lediglich eine Hilfsperson der Bevollmächtigten, welche ansonsten langjährig und zuverlässig für die Beraterin gearbeitet habe, eine fehlerhafte Handlung begangen.
Die Monatsfrist des § 110 AO sei nicht versäumt worden, da innerhalb des Monats vorgetragen worden sei, dass wegen des fehlerhaften Verhaltens des Mitarbeiters A das Schreiben an das Finanzamt Hamburg-1 abgegeben worden sei.
Auch sei der Beklagte selbst davon ausgegangen, dass der Einspruch rechtzeitig eingelegt worden sei, da er ansonsten nicht weitere Belege angefordert hätte. Hierdurch sei ein Vertrauenstatbestand begründet worden, da die Klägerin nicht mehr damit habe rechnen müssen, dass ihr Einspruch als verfristet angesehen würde. Es verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich der Beklagte später darauf berufe.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 30.01.2004, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2005, der Klägerin gegen die Versäumung der Einspruchsfrist des Umsatzsteuerbescheides für 2001 vom 07.10.2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung der eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2001 erklärungsgemäß zu veranlagen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, der Einspruch sei verspätet eingegangen und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Der im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragene Sachverhalt widerspreche dem Vortrag im Rechtsbehelfsverfahren und sei deshalb nicht glaubhaft. Zudem sei der neue Vortrag, dass der Mitarbeiter gegen die ausdrücklichen Weisungen gehandelt habe, außerhalb der Monatsfrist des § 110 AO vortragen worden. Denn zunächst habe die Klägerin vorgetragen, dass grundsätzlich alle Schreiben an das Finanzamt Hamburg-1 abgegeben werden. Dies sei als Organisationsverschulden zu werten. Das gelte insbesondere, weil die Geschäftsführerin noch im Schreiben vom 05.02.2004 die Auffassung vertreten habe, man habe damit rechnen können, dass ein am Freitag abgegebenes Schreiben dem zuständigen Finanzamt noch am Montag zugehen werde. Es werde auch ausdrücklich dem Vortrag widersprochen, das Einspruchsschreiben sei bereits am Freitag beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben worden.
Unzuständige Finanzämter seien auch nicht verpflichtet, mehrfach täglich Post an die zuständigen Finanzämter zu senden. Insofern sei es ausschließlich vom Routenverlauf der Post abhängig gewesen, ob das Schreiben noch am Montag habe das zuständige Finanzamt habe erreichen können. Es gebe zudem keine Zusage über Postlaufzeiten. Wegen der behördeninternen Postorganisation wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 23.11.2005 verwiesen.
Dem Senat hat die Umsatzsteuerakte (Steuernummer ...) vorgelegen. Auf die Sitzungsprotokolle des Erörterungstermins vom 06.10.2005 und der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2006 wird verwiesen.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Einspruch der Klägerin gegen den geschätzten Umsatzsteuerbescheid 2001 ist erst am 12.11.2003 und damit verspätet beim Beklagten eingegangen. Die Klägerin ist durch die Ablehnung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch den Bescheid des Beklagten vom 30.01.2004 nicht in ihren Rechten verletzt; die Ablehnung vom 30.01.2004 und deren nachfolgende Bestätigung durch die Einspruchsentscheidung vom 15.03.2005 sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht gegeben. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2001 ist bestandskräftig geworden und konnte nicht mehr entsprechend der nachträglich eingereichten Umsatzsteuererklärung geändert werden.
1. Der Einspruch ist verspätet beim Beklagten eingegangen.
Die gegen den am 07.10.2003 zur Post gegebenen Bescheid nach § 355 Abs. 1 AO einzuhaltende Einspruchsfrist endete gemäß §§ 122 Abs. 2 Nr. 1; 108 Abs. 1 Abgabenordnung (-AO-) i.V.m. §§ 187 Abs. 1; 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (-BGB-) am 10.11.2003. Die Klägerin hat diese Frist versäumt. Einspruch wurde erst durch das am 11.11.2003 beim Beklagten eingehende Schreiben eingelegt.
Laut dem sich auf dem Einspruchsschreiben befindlichen Eingangsstempel ist der Einspruch am 11.11.2003 beim Beklagten eingegangen. Die Beweiswirkung des Eingangsstempels dahingehend, dass das Einspruchsschreiben erst einen Tag nach Ablauf der Einspruchsfrist beim Beklagten eingegangen ist, konnte nicht von der Klägerin widerlegt werden.
Ausweislich der Regelung in § 81 Abs. 1 Satz 2 FGO ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren der Urkundenbeweis i.S. des § 418 Abs. 1 ZPO zulässig, selbst wenn § 82 FGO nicht auf die §§ 415 bis 444 ZPO verweist. Denn diese fehlende Verweisung soll lediglich die formalisierten Beweisregeln der ZPO zugunsten der freien richterlichen Beweiswürdigung im finanzgerichtlichen Verfahren ausschließen. Mit dieser Maßgabe kommt einer öffentlichen Urkunde auch im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung hoher Beweiswert zu; nach allgemeinen Erfahrungssätzen erbringt sie im Regelfall vollen Beweis für die in ihr beurkundeten Tatsachen. Das gilt insbesondere für den Eingangsstempel einer Behörde oder eines Gerichts, der grundsätzlich als Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreibens zu Grunde zu legen ist. Zwar schließt es dieser Beweiswert nicht aus, dass das Gericht im Wege des Freibeweises trotz eines solchen Eingangsstempels von der Rechtzeitigkeit einer Rechtsbehelfseinlegung oder Rechtsmitteleinlegung überzeugt ist. Das Gericht ist nicht aus Rechtsgründen gehindert, im Einzelfall z.B. schon aufgrund einer eidesstattlichen Versicherung eine Entkräftung des Beweiswerts eines Eingangsstempels durch eine eidesstattliche Versicherung anzunehmen. Denn der Beweiswert eines Eingangsstempels ist bereits erheblich gemindert und hindert eine weiter gehende gerichtliche Sachaufklärung zur Frage des Rechtsbehelfszugangs nicht, wenn der vom Rechtsbehelfsführer vorgetragene und glaubhaft gemachte Sachverhalt die sachliche Unrichtigkeit eines Eingangsstempels als wahrscheinlich ausweist. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, hat das FG im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung zu entscheiden (BFH vom 29.03.2005, IX B 236/02, zitiert nach juris).
Auf Grund des Vortrages der Klägerin konnte der Beweiswert des Eingangstempels nicht gemindert werden. Denn die Klägerin konnte keine eindeutigen Aussagen darüber treffen, wann das Einspruchsschreiben beim Beklagten eingegangen ist. Der Vortrag der Klägerin ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Eingangsstempels zu begründen. Es ist nicht ausreichend, wenn die Klägerin vorträgt, es könnte auch anders gewesen sein bzw. das Finanzamt Hamburg-1 wäre verpflichtet gewesen, ebenfalls das Einspruchsschreiben mit einem Eingangsstempel zu versehen.
Selbst eine rechtzeitige Abgabe beim Finanzamt Hamburg-1, wie sie die Klägerin vorträgt, kann nicht als fristgerechter Einspruch gewertet werden, da das Finanzamt Hamburg-1 für das Entgegennehmen des Einspruchs nicht zuständig gewesen ist. Eine Zuständigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 17 FVG in Verbindung mit der Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter, denn in der Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter ist nicht geregelt, dass bei dem Finanzamt 1 fristwahrend für andere Finanzämter Rechtsbehelfe eingelegt werden können. Zwar ergibt sich aus der offiziellen Homepage der Stadt Hamburg, dass das Finanzamt 1 als Verteilerfinanzamt fungiert. Damit ist jedoch nur gemeint, dass dieses Finanzamt für alle nicht zuordnungsfähigen Schreiben an Hamburger Finanzämter zuständig sein soll. Aus der Rechtsbehelfsbelehrung des streitigen Steuerbescheides ergibt sich eindeutig, dass fristwahrende Rechtsbehelfe ausschließlich bei dem Finanzamt eingelegt werden können, die den jeweiligen Steuerbescheid erlassen haben.
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht gegeben.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat (§ 110 Abs. 1, 2 und 4 AO).
Liegen die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung vor, so hat der Betroffene einen Anspruch auf Wiedereinsetzung. Die Entscheidung ist keine Ermessensentscheidung. Die Gerichte können die Entscheidung der Finanzbehörde ohne Einschränkung nachprüfen und gegebenenfalls die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung bejahen und in der Sache entscheiden (Tipke/Kruse-Tipke, Kommentar zur Abgabenordnung, § 110 Rd. 98,99 m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung sind die Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrages grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO darzulegen. Ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist ist unzulässig. Zulässig ist lediglich, unvollständige Angaben auch noch Ablauf dieser Frist zu erläutern und zu ergänzen. Innerhalb der Antragsfrist wird daher, ohne dass die Behörde dazu auffordern müsste, der fristgerechte eigene Vortrag von Wiedereinsetzungsgründen verlangt, d.h. eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller für die Frage der Wiedereinsetzung entscheidungserheblichen Tatsachen (BFH-Beschluss vom 26.02.2004 - VI B 101/01 - juris - m.w.N. zur BFH-Rspr.).
Wird im Fall der Versäumnis einer gesetzlichen Frist - wie im Streitfall der Einspruchsfrist - vorgetragen, das fristwahrende Schreiben sei rechtzeitig abgesandt worden, so bedarf es nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 2 AO neben der lückenlosen und schlüssigen Darstellung des Absendevorgangs dessen Glaubhaftmachung durch Vorlage präsenter Beweismittel, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf die Richtigkeit des zur Entschuldigung Vorgetragenen zulassen (BFH-Beschluss vom 09.04.1998 - VIII R 35/96 - BFH/NV 1998/1242). Erforderlich ist danach ein Tatsachenvortrag, nach dem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass das Schriftstück nicht nur rechtzeitig bearbeitet, sondern auch rechtzeitig abgesandt worden ist (BFH-Beschluss vom 24. März 1995 - VIII B 62/94 - BFH/NV 1995, 1069). Hierzu bedarf es innerhalb der Monatsfrist der schlüssigen und lückenlosen Darstellung, welche Person zu welcher Zeit (Uhrzeit), in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Briefkasten, den Hausbriefkasten des Finanzamtes oder Abgabe bei einem bestimmten Postamt) den Brief, in dem sich das Einspruchsschreiben befunden hat, aufgegeben hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 1996 - I R 13/96 - BFH/NV 1997, 120; vom 26. November 1993 - VIII R 53/93 - BFH/NV 1994, 644 und vom 05. November 1998 - I R 90/97 - BFH/NV 1999, 512). Bei Bevollmächtigten, die die steuerrechtliche Beratung - wie im Streitfall die seinerzeitige Vertreterin - berufsmäßig ausüben, ist außerdem die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und diese durch Vorlage des Fristenkontrollbuchs und des Postausgangsbuchs glaubhaft zu machen. Denn zu den in Betracht kommenden objektiven präsenten Beweismitteln gehört bei Angehörigen der steuer- und/oder rechtsberatenden Berufe insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung fristwahrender Schriftstücke in einem Postausgangsbuch und das Löschen einer Frist auf der Grundlage der Ausgangseintragung im Postausgangsbuch (vgl. BFH-Urteil vom 07. Dezember 1988 - X R 80/87 - BStBl II 1989, 266 sowie BFH-Beschlüsse vom 05.11.1998 - I R 9/97 - BFH/NV 1999, 512 und vom 24. Februar 2000 - VII B 132/99 - juris - m.w.N.). Wird kein Postausgangsbuch vorgelegt, so ist dies Ausdruck mangelnder Beweisvorsorge (BFH-Beschluss vom 04. November 1999 - X B 81/99 - BFH/V 2000, 546).
Entspricht die Fristen- und Ausgangskontrolle den vorstehend dargelegten Anforderungen nicht, kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gleichwohl in Betracht kommen, wenn eine Bürokraft mit der Absendung des fristgebundenen Schriftstücks beauftragt und auf die Eilbedürftigkeit hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall ist allerdings geboten, dass die Beauftragung der mit der Versendung des Schriftstücks betrauten Kanzleikraft durch eine ausdrückliche und eindeutige Einzelweisung des verantwortlichen bevollmächtigten Berufsträgers erfolgt. Zur Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es erforderlich, dass die im vorstehend qualifizierten Sinne beauftragte Person den Absendevorgang schlüssig und detailliert - ggf. in der Form einer innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist abzugebenden eidesstattlichen Versicherung - schildert und durch ein präsentes Beweismittel, z.B. eine Notiz über die Erledigung bzw. Versendung - wenn schon nicht in einem Fristenkontrollbuch oder Postausgangsbuch, wenigstens in der Akte - glaubhaft macht (BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 - VII B 132/99 - juris - m.w.N.).
Fehlt es an einer schlüssigen Darstellung der zur Einhaltung der Frist tatsächlich getroffenen, generellen Maßnahmen und ist zudem der Vortrag über eine im konkreten Einzelfall gleichwohl rechtzeitige Absendung des fristwahrenden Schriftstücks mit keinem der bei einer ordnungsgemäßen Büroorganisation zu erwartenden präsenten Beweismittel belegt, kann ein Verschulden des Bevollmächtigten bei der Fristversäumnis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Das Verschulden des Bevollmächtigten ist dem von ihm vertretenen Steuerpflichtigen zuzurechnen. Die Mängel der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages können nach Ablauf der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO auch nicht mehr beseitigt werden. Sie gehen damit ebenfalls zu Lasten des Vertretenen (BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 - VII B 132/99 - juris).
Das Verfahren über die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen versäumter Einspruchsfrist ist ein verwaltungsrechtliches Zwischenverfahren, das abgeschlossen ist, wenn die Verwaltungsinstanz eine Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung getroffen hat. In einem sich anschließenden Klageverfahren können Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ebenfalls nicht mehr vorgetragen bzw. nachgeschoben oder glaubhaft gemacht werden (BFH-Urteil vom 29. Juli 1981 - I R 245/78 - juris).
Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall war der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren.
Durch Schreiben vom 08.01.2004, welches gem. § 122 Abs. 2 AO spätestens am 11.01.2004 bei der Klägerin angekommen ist, teilte der Beklagte mit, dass der Einspruch erst am 11.11.2003 und damit einen Tag zu spät beim Beklagten eingegangen sei, und gab Gelegenheit, Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen. Hierdurch setzte er die einen Monat umfassende Antragsfrist des § 110 AO in Gang. In Fällen, in denen der Steuerpflichtige - wie nach dem eigenen Vortrag der Klägerin für den Streitfall zu unterstellen ist - überhaupt nichts von der Fristversäumnis weiß, fällt das Hindernis im Sinne des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO jedenfalls ab dem Zeitpunkt weg, in dem die Behörde dem Vertreter mitteilt, dass die Einspruchsfrist versäumt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 31.03.1994 - VIII R 78/93 - juris). Die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand endete daher mit Ablauf des 11.02.2004 (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Mit Schreiben vom 12.01.2004 und damit noch innerhalb der Antragsfrist stellte die Klägerin den formellen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erklärte, dass alle Briefe an die Hamburger Finanzämter an jedem Wochenende beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben würden. Das Einspruchsschreiben sei am 07.11.2003 beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben worden. Durch Einspruchsschreiben vom 05.02.2004 ergänzte die Klägerin, der Mitarbeiter A habe in Unkenntnis das Finanzamt Hamburg-1 für zuständig gehalten. Herr A sei ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter. Zudem habe damit gerechnet werden können, dass das am 07.11.2003 beim Finanzamt Hamburg-1 eingeworfene Einspruchsschreiben rechtzeitig beim Beklagten hätte eingehen müssen.
Damit hat die Klägerin zwar dem Grunde nach vorgetragen, ihr mangelndes Verschulden beruhe auf einer rechtzeitigen Abgabe des Einspruchs an das Finanzamt Hamburg-1. Dies genügt jedoch nicht den Anforderungen an eine lückenlose und schlüssige Darstellung des konkreten Absendevorgangs. Es fehlten konkrete Angaben darüber, zu welcher Uhrzeit und in welcher Weise der Brief aufgegeben wurde. Zu der konkreten Uhrzeit hat die Klägerin erst im Klageverfahren vorgetragen, dass die Übergabe des Briefes vor 11.30 Uhr gewesen sei. Der Vortrag zu der Art und Weise der Aufgabe des Schreibens ist widersprüchlich, da zunächst vorgetragen worden ist, das Einspruchsschreiben sei abgegeben worden, und im Einspruchsschreiben ausgesagt wurde, der Brief sei eingeworfen worden. Zudem wurde zunächst vorgetragen, dass die Einspruchsfrist durch die Abgabe des Einspruchs beim Finanzamt Hamburg-1 eingehalten worden sei. Hierbei handelte es sich um einen vermeidbaren Rechtsirrtum, welcher ein Verschulden begründet, welches der Klägerin zuzurechnen ist.
Soweit die Klägerin später vorträgt, man habe das Finanzamt Hamburg-1 lediglich als eine Art Boten nutzen wollen, so ist auch hierin ein Verschulden zu sehen. Denn Verschulden liegt vor, wenn die Abgabe des fristwahrenden Schriftstückes bei einem falschen Finanzamt erfolgt. Etwas anders hätte nur dann gelten können, wenn das Schreiben bei dem falschen FA so rechtzeitig abgegeben worden wäre, dass die Klägerin mit einer rechtzeitigen Weiterleitung an das zuständige FA hätte ohne weiteres hätte rechnen können (BFH vom 19.12.2000, XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563). Hierüber hat sich die Klägerin aber keine ausreichenden Gedanken gemacht, da ansonsten die von der Klägerin vom Gericht erwarteten Ermittlungen nicht erforderlich gewesen wären. Insofern waren die Ermittlungen des Gerichts, die die Klägerin verlangt hat, auch nicht erforderlich, da sie nicht streitentscheidend gewesen sind. Es wäre erforderlich gewesen, dass die Klägerin bzw. ihre steuerlichen Berater sich bevor sie ein anderes Finanzamt als Boten nutzen, über behördliche Postlaufzeiten informiert hätten, denn dann hätten sie erfahren, dass die Postlaufzeiten erheblich im Einzelfall variieren können. Die Klägerin konnte sich nicht darauf verlassen, dass das unzuständige Finanzamt das Einspruchsschreiben noch am selben Tag an das zuständige Finanzamt weiterleitet.
Zum anderen hat die insoweit verantwortliche Bevollmächtigte, die als Steuerberatungsgesellschaft berufsmäßig steuerrechtliche Beratung ausübte und damit die seit Jahrzehnten bestehenden gesetzlichen Vorschriften bezüglich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die dazu ergangene Rechtsprechung kennen musste, in keiner Weise die in ihrem Hause praktizierte Fristenkontrolle und Postausgangskontrolle nach Art und Umfang geschildert, noch diese durch Vorlage von hierfür in Betracht kommenden objektiven präsenten Beweismitteln glaubhaft gemacht. Auch im finanzgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin immer noch nicht in ausreichender Weise Erklärungen über die von ihr tatsächlich praktizierte Fristen- und Postausgangskontrolle abgegeben.
Damit ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einspruchsfrist schon wegen des innerhalb der Antragsfrist unzureichend substantiierten Vortrags gemäß § 110 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO ausgeschlossen.
Soweit die Klägerin im Klageverfahren erstmalig vorträgt, der Angestellte A hätte gegen die ausdrückliche Weisung seiner Vorgesetzten gehandelt, ist dieser wesentliche Vortrag nicht innerhalb der 1-Monatsfrist des § 110 AO erfolgt, so dass er hier nicht berücksichtigt werden kann. Es handelt sich hierbei auch nicht um die Ergänzung von bereits vorgetragenen Gründen, sondern um einen neuen Sachvortrag. Die Nachholung der Glaubhaftmachung nicht rechtzeitig bzw. noch gar nicht vorgetragener, ein Verschulden im konkreten Fall ausschließender Umstände durch einen erstmals im Klageverfahren angebotenen Zeugenbeweis kommt deshalb nicht in Betracht. Einer Beweiserhebung durch Einvernahme der Zeugen A und E durch den erkennenden Senat bedurfte es mithin nicht. Es ist auch nicht erforderlich aufzuklären, ob tatsächlich, wie die Klägerin vorträgt, das Einspruchsschreiben am 07.11.2003 beim Finanzamt Hamburg-1 abgegeben worden ist.
Die Entscheidung bewirkt keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.09.2000 (1 BvR 2104/99, DStZ 2000, 906) kann nicht auf den Streitfall übertragen werden, denn die Klägerin hat nicht das Einspruchsschreiben über die Deutsche Post AG befördern lassen und den Brief dort rechtzeitig aufgegeben. Die Behördenpost gibt entgegen der Deutschen Post AG gerade keine festen Zusagen bezüglich der Postlaufzeiten ab. Zudem ist die Klägerin auch nicht in vertragliche Beziehungen zu der Behördenpost getreten. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.09.2002 (1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835) spricht nicht gegen das Ergebnis, denn im Streitfall konnte keine schuldhafte Handlung des Beklagten oder eines anderen Finanzamts nachgewiesen werden.
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben folgt auch nicht aus der Tatsache, dass der Beklagte zunächst Belege angefordert hatte, um die Angaben der Umsatzsteuererklärung zu überprüfen. Der Beklagte hatte von Amts wegen zu prüfen, ob ein Einspruch rechtzeitig eingelegt worden ist und die Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen. Das kann auch im Zusammenhang mit der Überprüfung der zur Begründung des Einspruches eingereichten Steuererklärung geschehen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.