11.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143437
Landgericht Oldenburg: Beschluss vom 31.07.2014 – 9 S 376/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Oldenburg
Geschäfts-Nr.: 9 S 376/14
11 C 303/14 Amtsgericht Vechta
Oldenburg, 31.07.2014
Beschluss
In dem Rechtsstreit
xxx
Geschäftszeichen: 14/0063/U/KE
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg am 31.07.2014 durch xxx beschlossen:
I.
Die Kammer weist darauf hin, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat die Kammer die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Es sind weder konkrete Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine erneute Feststellung geböten, noch liegen im Berufungsrechtszug zu berücksichtigende neue Tatsachen vor. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einer falschen Rechtsanwendung.
Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die die Kammer Bezug nimmt, im vorliegenden Fall die Erstattungsfähigkeit der Verbringungskosten als auch der UPE-Aufschläge bejaht.
Unstreitig rechnet der Kläger seinen Fahrzeugschaden fiktiv auf Gutachtenbasis ab. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass der Kläger berechtigt ist, seinen Fahrzeugschaden fiktiv auf der Grundlage des Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. xxx vom 19.12.2013 abzurechnen. Dieser hat sowohl die Verbringungskosten als auch die UPE-Aufschläge für eine markengebundene Fachwerkstatt nachvollziehbar dargelegt und seiner Kalkulation zu Grunde gelegt.
In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Rechtsmeinung hat der Geschädigte grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGH, Urteil vom 29. April 2003 i– VI ZR 398/02 –, BGHZ 155, 1-8). Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (vgl. BGHZ 115, 364, 368 f.). Doch genügt im allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen hält, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02 –, BGHZ 155, 1-8).
Zwar kann der Beklagten vom Ansatz her in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Doch können die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat gravierende Mängel des Sachverständigengutachtens nicht gerügt. Soweit sie ohne konkrete Ausführungen pauschal bestreitet, dass die markengebundene Fachwerkstatt, die der Sachverständige anführt, nicht über eine eigene Lackiererei zu verfügen und Verbringungskosten in Rechnung stellen würde, ist dieses Bestreiten unbeachtlich. Denn der Sachverständige hat hierzu gerade festgestellt, dass diese markengebundene Werkstatt nicht über eine Lackiererei verfügt und entsprechend Verbringungskosten anfallen. Anhaltspunkte dafür, dass die Werkstatt gerade gegenüber dem Kläger die Verbringungskosten nicht berechnen würde, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
Unter diesen Umständen muss sich der Kläger auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen (BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02 –, BGHZ 155, 1-8).
Eine entsprechende Verweiswerkstatt ist seitens der Beklagten auch zu keinem Zeitpunkt benannt worden.
Im Wege der fiktiven Schadensabrechnung hat der Kläger auch Anspruch auf den sogenannten UPE-Aufschlag in dem hier durch den Sachverständigen angegebenen Umfang.
Die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis ist geteilt. Nach der wohl herrschenden Meinung können prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind. Dann machen sie den erforderlichen Reparaturaufwand aus, der für die Behebung des Fahrzeugschadens erforderlich ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 – I-1 U 246/07, 1 U 246/07 –, juris; Lemcke in van-Bühren, Anwalts-Handbuch Verkehrsrecht, Teil 3, Rdnr. 92 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Das Schätzgutachten eines anerkannten Kfz-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten ist für das Gericht eine sachgerechte Grundlage, sofern - wie hier - das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 – I-1 U 246/07, 1 U 246/07 –, OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. März 2012 - I - 1 U 108/11, 1 U 108/11 - juris).
Hierbei muss der Sachverständige eine Prognose darüber erstellen, welche Kosten bei einer Reparatur in einer Fachwerkstatt anfallen. Zu dem Ersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gehören dabei auch die Kosten der Verbringung des geschädigten Gegenstandes zum Ort der Reparatur, wenn und soweit diese erforderlich sind (LG Hildesheim, NZV 2007, 575 m.w.N.). Nichts anderes gilt dabei hinsichtlich der branchenüblich erhobene Ersatzteilaufschläge (sog. UPE-Aufschläge), die aufgrund der Lagerhaltung von Originalersatzteilen auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers aufgeschlagen werden und den Aufwand abgelten sollen, der mit der ständigen Vorhaltung dieser Teile zum Zwecke der Verkürzung der Reparaturdauer verbunden ist. Soweit daher entsprechende Kosten in die Kalkulation aufgenommen und in dem Gutachten ausgewiesen werden, handelt es sich lediglich um unselbstständige Rechnungspositionen im Rahmen der Reparaturkostenermittlung, deren Beurteilung durch den Sachverständigen nicht anders zu behandeln ist als seine hinsichtlich der Arbeitszeit oder des ben ötigten Materials erfolgte Einschätzung (vgl. LG Aachen, NZV 2005, 649; LG Bochum, Urteil vom 19.10.2007, Az.: 5 S 168/07).
Bei einer Abrechnung auf Gutachtensbasis ist daher dann von einer Ersatzfähigkeit der entsprechenden Position auszugehen, wenn ein öffentlich bestellter vereidigter (anerkannter) Kfz-Sachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise UPE-Aufschläge und Verbringungskosten erhoben werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. März 2012 – I-1 U 108/11, 1 U 108/11 –, juris; OLG Düsseldorf DAR 2008, 523; KG Berlin, Urteil vom 10.09.2007, Az.: 22 U 224/06).
Führt demnach ein öffentlich bestellter und vereidigter ("anerkannter") Kfz-Sachverständiger - wie hier - in seinem Gutachten aus, dass in der Region bei einem entsprechenden Hersteller im Falle einer Reparatur typischerweise UPE-Aufschläge erhoben werden, ist bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis eine Ersatzfähigkeit dieser Aufschläge gegeben. Die Gegenansicht liefe im Ergebnis auf die Konsequenz hinaus, dass die fraglichen Aufschläge nur im Falle ihrer tatsächlichen Berechnung nach der Fahrzeuginstandsetzung erstattungsfähig wären. Indes ist bei der fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis die tatsächliche Reparatur gerade nicht maßgeblich. Nichts anderes ergibt sich aus der Neufassung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften: Durch diese Änderung sollte nicht die Zulässigkeit einer fiktiven Schadensabrechnung - einschließlich der die UPE-Aufschläge betreffenden - schlechthin beseitigt werden, sondern nur die Ersatzfähigkeit des Umsatzsteueranteils an dessen tatsächlichen Anfall geknüpft werden. Ansonsten hat sich nichts an der bis dahin bestehenden Rechtslage geändert, dass es dem Geschädigten frei steht, den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag nach § 249 Satz 2 BGB a.F. nicht für die Instandsetzung seines Fahrzeuges zu verwenden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 – I-1 U 246/07, 1 U 246/07 –, OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. März 2012 - I - 1 U 108/11, 1 U 108/11 juris m.w.N.).
Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Gegenposition auf die vereinzelten Entscheidungen des LG Osnabrück, Urteil vom 19-12-2008 - 3 S 413/08 und des LG Oldenburg, Urteil vom 15.06.2011 - 3 S 493/10 verweist, ist dies nicht geeignet eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu rechtfertigen. Das Landgericht Oldenburg hat sich inhaltlich nur mit Verbringungskosten beschäftigt und diese schlicht als nicht erstattungsfähig angesehen. Das Landgericht Osnabrück hat Verbringungskosten und UPE-Aufschläge nur für erstattungsfähig erachtet, wenn sie tatsächlich anfallen. Dies widerspricht der oben dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Möglichkeit der fiktiven Schadensberechnung.
II.
Da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, beabsichtigt die Kammer, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Binnen 2 Wochen nach Zustellung besteht Gelegenheit, zu diesem Beschluss Stellung zu nehmen oder - im Kosteninteresse - die Berufung zurückzunehmen.