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  • 19.02.2013 · IWW-Abrufnummer 170056

    Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 30.11.2012 – 13 TaBV 56/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor: Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 21.05.2010 - 4 BV 45/09 - abgeändert. Die Anträge werden abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe: A. Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zur Ein- bzw. Umgruppierung von (noch) vier Arbeitnehmern. Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt einen Blutspendedienst und beschäftigt in ihrem Betrieb in M1 ca. 300 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. In der Vergangenheit traf die Arbeitgeberin Tarifabschlüsse einerseits mit der Gewerkschaft ver.di und andererseits mit den Arbeitnehmerorganisationen DHV und medsonet, wobei den Mitarbeitern im Betrieb ein Wahlrecht hinsichtlich des für ihr Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifwerks eingeräumt wurde. Die mit der DHV und medsonet abgeschlossenen Manteltarifverträge sahen in den §§ 19 ff. neben acht aufeinander aufbauenden Entgelt- und einer Niedriglohngruppe eine Vergütung innerhalb bestimmter Bandbreiten vor. Die Manteltarifverträge einschließlich der ergänzend dazu vereinbarten Entgelttarifverträge wurden von der Arbeitgeberin am 05.08.2011 zum 31.12.2011 gekündigt. Kurz zuvor am 26.07.2011 wurde unter Beteiligung der Arbeitgeberin, die mit Wirkung ab 01.03.2011 dem Kommunalen Arbeitgeberverband beigetreten war, mit der Gewerkschaft ver.di ein Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der D1-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden kurz: ÜTV-DRK-BSD) geschlossen. Dieser am 01.08.2011 in Kraft getretene Tarifvertrag sieht die Geltung des TVöD für den Bereich der Verwaltung im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände für alle am 31.07.2011 bestandenen Arbeitsverhältnisse vor. Im Fall C1 beantragte die Arbeitgeberin am 21.12.2009 die Zustimmung zur Eingruppierung in Entgeltgruppe 4 sowie im Rahmen der Bandbreite 20 % wegen der Qualifikation (Bl. 233 d. A.). Am 11.03.2010 stellte sie für den Arbeitnehmer R1 den Antrag auf Eingruppierung in Entgeltgruppe 3 - ebenfalls mit 20 % wegen der Qualifikation (Bl. 241 d. A.). Im Falle S2 begehrte sie mit Schreiben vom 31.08.2009 die Eingruppierung in Entgeltgruppe 4 mit 40 % im Rahmen der Bandbreite (Bl. 100 d. A.). Schließlich beantragte sie am 09.10.2009 die Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin S1 in Entgeltgruppe 2 mit 0 % im Rahmen der Bandbreite (Bl. 105 d. A.). In allen vier Fällen verweigerte der Betriebsrat schriftlich seine Zustimmung. U.a. berief er sich auf die fehlende Tarifzuständigkeit der DHV und rügte, warum die Arbeitnehmer nicht im Rahmen der Bandbreite die volle Qualifikation von 60 % erhalten hätten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 28.12.2009 sowie arbeitgeberseitigem Schriftsatz vom 30.03.2010 eingereichten Kopien der Zustimmungsverweigerungsschreiben (Bl. 101 f., 106 f., 235 f., 242 ff. d. A.). Die Arbeitgeberin hat den Standpunkt vertreten, Gründe für die Zustimmungsverweigerung seien nicht gegeben. Bei der DHV handele es sich um eine Gewerkschaft, die auch die erforderliche Tarifzuständigkeit besitze. In der Sache seien dem Betriebsrat alle erforderlichen Informationen erteilt worden zur Eingruppierung in die jeweilige Entgeltgruppe und zur Bemessung der Prozentzahlen im Rahmen der Bandbreite. Soweit hier noch von Interesse, hat die Arbeitgeberin beantragt, 1. die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung von Herrn P1 C1 in die Entgeltgruppe 4 sowie zur Entgeltfestsetzung im Rahmen der Bandbreite mit einer Qualifikation von 20 % des zwischen der Antragstellerin und der Gewerkschaft DHV am 31.10.2006 geschlossenen Manteltarifvertrages zu ersetzen, 2. die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung von Herrn R1 in die Entgeltgruppe 3 sowie zur Entgeltfestsetzung im Rahmen der Bandbreite mit einer Qualifikation von 20 % des zwischen der Antragstellerin und der Gewerkschaft DHV am 31.10.2006 geschlossenen Manteltarifvertrages zu ersetzen, 3. die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung von Herrn S2 in die Entgeltgruppe 4 sowie zur Entgeltfestsetzung im Rahmen der Bandbreite mit einer Qualifikation von 40 % des zwischen der Antragstellerin und der Gewerkschaft DHV am 31.10.2006 geschlossenen Manteltarifvertrages zu ersetzen, 4. die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung von Frau G1 S1 in die Entgeltgruppe 2 sowie zur Entgeltfestsetzung im Rahmen der Bandbreite mit einer Qualifikation von 0 % des zwischen der Antragstellerin und der Gewerkschaft DHV am 31.10.2006 geschlossenen Manteltarifvertrages zu ersetzen. Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der DHV fehle die erforderliche Tarifzuständigkeit. Davon abgesehen habe die Arbeitgeberin keine Begründung dafür abgegeben, aus welchem Grund welcher Arbeitnehmer im Rahmen der Bandbreite eingruppiert worden sei. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.05.2010 den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird verwiesen auf II. der Gründe der genannten Entscheidung. Dagegen wendet sich der Betriebsrat mit seiner Beschwerde. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass nach erfolgter Kündigung des Tarifwerks DHV/medsonet eine Eingruppierung im Betrieb nur noch nach den Grundsätzen des TVöD erfolgen könne. Der Betriebsrat beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 21.05.2012 - 4 BV 45/09 - abzuändern und die verbliebenen Anträge abzuweisen. Die Arbeitgeberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie nimmt ebenfalls Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, im Betrieb beständen unverändert zwei tarifliche Entlohnungssysteme. Entsprechend des hier von den vier Arbeitnehmern ausgeübten Wahlrechts seien deshalb weiterhin die Eingruppierungsgrundsätze des Tarifwerks DHV/medsonet maßgeblich. Wegen des weiteren sehr umfangreichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen. B. Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist begründet. Die auf § 99 Abs. 4 BetrVG gestützten Anträge der Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrats zur Ein- bzw. Umgruppierung der Arbeitnehmer C1, R1, S2 und S1 zu ersetzen, waren abzuweisen, weil die Arbeitgeberin ihren Ersuchen zu Unrecht - unverändert - die mit den Arbeitnehmerorganisationen DHV und medsonet vereinbarten Entgeltordnungen zugrunde gelegt hat. Unter Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die erstmalige Einreihung und unter Umgruppierung die Änderung der Einreihung in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung zu verstehen (zuletzt z.B. BAG, 19.04.2012 - 7 ABR 52/10 - DB 2012, 2172; 04.05.2011 - 7 ABR 10/10 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 55).Diese kann namentlich in einem Tarifvertrag enthalten sein oder auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, die auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG von den Betriebspartnern abgeschlossen wurde. I. Bei der hier zu treffenden Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu einer Ein- bzw. Umgruppierung kommt es nicht darauf an, ob die vom Arbeitgeber beabsichtigte Maßnahme zu einem früheren Zeitpunkt, z.B. bei Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung, betriebsverfassungsrechtlich gerechtfertigt war. Vielmehr ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (16.01.2007 - 1 ABR 16/06 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 52; 23.01.2008 - 1 ABR 64/06 - AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 10; 19.04.2012 - 7 ABR 52/10; vgl. auch 30.10.2001 - 1 ABR 7/01 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 26)im Rahmen des § 99 Abs. 4 BetrVG ausschließlich darauf abzustellen, ob die in Rede stehende personelle Einzelmaßnahme gegenwärtig und zukünftig als endgültige durchgeführt werden kann. Diese Frage ist nach Maßgabe der Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht zu beantworten (BAG, 16.01.2007 - 1 ABR 16/06 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 52),hier also am 30.11.2012. II. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Ein- bzw. Umgruppierung der vier Arbeitnehmer nicht mehr nach den mit der DHV und der medsonet vereinbarten Entgeltordnungen zu erfolgen. Vielmehr hätte die Arbeitgeberin ihren Begehren jedenfalls ab dem 01.01.2012 ausschließlich die maßgeblichen Entgeltbestimmungen des TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) in Verbindung mit den Regelungen des ÜTV-DRK-BSD zugrunde legen müssen. 1. Durch den Abschluss des genannten Tarifwerks mit Wirkung ab 01.08.2011 trat auf Seiten der daran beteiligten Arbeitgeberin Tarifbindung ein. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (18.10.2011 - 1 ABR 25/10 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 141)hatte dies zur Folge, dass - unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG - die Arbeitgeberin betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet war, allein die "neue" tarifliche Entgeltordnung im Betrieb zur Anwendung zu bringen, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Dies folgt aus der Funktion des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG sowie dem Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Transparenz der betrieblichen Lohngestaltung und die Beachtung der Verteilungsgerechtigkeit erfordern eine vergleichende Bewertung des gesamten betrieblichen Entgeltgefüges. An der Schaffung eines solchen für sämtliche Betriebsangehörigen geltenden Regelwerks sind die Betriebsparteien bei Eingreifen des Tarifvorbehalts des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG gehindert. Die dadurch gegebene mitbestimmungsrechtliche Schutzlücke ist in der Form zu schließen, dass der tarifgebundene Arbeitgeber in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das einschlägige tarifliche Entlohnungssystem gegenüber allen bei ihm tätigen Arbeitnehmern losgelöst von deren Tarifgebundenheit anzuwenden hat. 2. Dieser Schutzfunktion konnten die zum 31.12.2011 gekündigten Manteltarifverträge einschließlich der sie ergänzenden Entgelttarifverträge mit der DHV und medsonet - losgelöst von allen anderen aufgeworfenen Streitfragen - in der ab 01.01.2012 begonnenen Nachwirkungsphase nicht mehr gerecht werden. Denn fortan war es der Arbeitgeberin unbenommen, eine andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG herbeizuführen. Die Handlungsmöglichkeiten waren also insoweit durch keine kollektivrechtlichen Regelungen mehr beschränkt, so dass ein für alle transparentes, innerbetriebliches Entgeltsystem nicht mehr gewährleistet war (vgl. BAG, 24.02.1987 - 1 ABR 18/85 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 21; 14.02.1989 - 1 AZR 97/88 - AP BetrVG 1972 § 87 Akkord Nr. 8; Fitting, 26. Aufl., § 87 Rn. 41). 3. Die entwickelten Grundsätze gelten wegen der beschränkten mitbestimmungsrechtlichen Schutzlücke allerdings nur für die tarifliche Entgeltstruktur, nicht aber für die - mitbestimmungsfreie - Höhe der zu zahlenden Vergütung. Dementsprechend hat hier die Arbeitgeberin bei ihrem Verlangen auf Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der vier Arbeitnehmer ausschließlich das nach dem ÜTV-DRK-BSD geltende tarifliche Eingruppierungssystem des TVöD in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung zugrunde zu legen, so dass die auf das Tarifwerk DHV/medsonet gestützten Anträge abzuweisen waren. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

    Rechtsgebiete§ 4, § 99 BetrVGVorschriften§ 99 BetrVG § 4 Abs. 5 TVG