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  • 10.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234170

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 16.02.2023 – 2 U 226/21

    1. Es gibt im Zivilrecht keinen allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige den berechtigten Teil seiner Ansprüche verliert, der hinsichtlich weitergehender Ansprüche bewusst wahrheitswidrige Angaben macht.

    2. Die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen, die nicht nur der Behebung des Unfallschadens, sondern auch eines weiteren Schadens dienen, richtet sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung.

    a) Eine Vorteilsanrechnung kommt nicht in Betracht, wenn der Geschädigte die Behebung eines weiteren, nicht durch den Unfall verursachten Schadens unterlässt.

    b) Setzt der Geschädigte zeitgleich durch den Unfall verursachte und nicht durch den Unfall verursachte Schäden instand, ist es angemessen, hinsichtlich der allen Reparaturmaßnahmen dienenden Aufwendungen eine Vorteilsanrechnung vorzunehmen, die sich danach bemisst, wie sich die übrigen Reparaturkosten auf die reparierten Schäden verteilen.

    3. Der Geschädigte kann die Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens auch dann ersetzt verlangen, wenn sich das eingeholte Privatgutachten als falsch erweist. Eine Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn der Geschädigte schuldhaft falsche Angaben gegenüber dem Sachverständigen gemacht hat und sich das Gutachten deshalb als unbrauchbar erweist. Wenn sich der Geschädigte bei der Auftragserteilung eines Autohauses bedient, ist es ihm nicht zuzurechnen, wenn das Autohaus die ordnungsgemäße Angabe eines Vorschadens nicht an den Sachverständigen weitergibt oder der Sachverständige diese Information nicht zur Kenntnis nimmt oder unbeachtet lässt.


    Oberlandesgericht Stuttgart

    Urteil vom 16.02.2023


    In dem Rechtsstreit

    hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht Dr. xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 16.02.2023 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2023 für Recht erkannt:

    Tenor:

    I.
    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 09.07.2021 in Ziffer 1 und 2 der Entscheidungsformel wie folgt abgeändert:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.792,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2020 zu bezahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten bestehenden Pflicht zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro freizustellen.

    II.
    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    III.
    Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    IV.
    Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    Streitwert 2.972,06 Euro

    Gründe

    A

    Die Klägerin verlangt vom beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer Schadensersatz nach einem Ausparkunfall.

    I.

    Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Zusammengefasst: Am 17.12.2019 war der klägerische Pkw VW Golf auf einem Parkplatz abgestellt. Rechts davon stand das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug der Marke Audi. Beim Ausparken fuhr die Fahrerin des Audi nach hinten und lenkte zu früh nach links, so dass sie mit dem Fahrzeug der Klägerin kollidierte.

    Der VW Golf der Klägerin wurde am Kniestück der Seitenwand im Bereich des rechten Hinterrades beschädigt. Weiter gab es einen Vorschaden am hinteren rechten Stoßfänger, der sich nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht dem Unfallereignis zuordnen lässt.

    Die Klägerin ließ den Schaden auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens, welches die fehlende Unfallkausalität des Vorschadens nicht berücksichtigt hat, instandsetzen und verlangte erstinstanzlich insgesamt 5.649,45 Euro, davon Reparaturkosten in Höhe von 4.171,28 Euro, Kosten für ein Schadensgutachten in Höhe von 818,84 Euro, Mietwagenkosten von 247,52 Euro und eine Unfallkostenpauschale von 25,00 Euro, ferner die Freistellung von der Pflicht zur Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro.

    Die Beklagte wendet ein, dass der Klägerin kein Schadensersatz zustehe, da sie einen Vorschaden verschwiegen habe. Die Kalkulation beinhalte auch Positionen, die zur Beseitigung des Vorschadens erforderlich seien. Die Gutachterkosten seien nicht zweckdienlich gewesen und deshalb nicht erstattungsfähig.

    II.

    Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2.972,06 Euro stattgegeben und die Beklagte weiter verurteilt, die Klägerin von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro freizustellen.

    Der Anspruch auf Schadensersatz sei nicht wegen des Vorschadens oder dessen Verschweigens ausgeschlossen. Der Vorschaden sei nicht mit dem Unfallschaden deckungsgleich und technisch sowie rechnerisch abgrenzbar. Es gebe keine Grundlage für einen Ausschluss des Schadensersatzanspruchs. Als unfallbedingt seien Reparaturkosten in Höhe von 1.979,71 Euro anzusetzen. Darauf, ob Posten objektiv nicht erforderlich gewesen seien, komme es wegen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht an; das Werkstattrisiko gehe zu Lasten des Schädigers.

    Von den Reparaturkosten seien auch nicht die Aufwendungen (von 301,58 Euro) für diejenigen Arbeitsschritte abzuziehen, die sowohl der Behebung des Unfallschadens als auch des Vorschadens dienten (Überführungskosten zur Lackierung, Ab- und Anbau der Schlussleuchten und des Stoßfängers, Probefahrt und Fehlerspeicher auslesen). Es liege kein Fall der Vorteilsausgleichung vor, denn es gebe keine Obliegenheit des Geschädigten, einen Vorschaden zu beseitigen.

    Weiter könne die Klägerin für drei Tage Mietwagenkosten (148,51 Euro) und eine Unfallkostenpauschale (25,00 Euro) verlangen. Der Klägerin stünden auch die Kosten für die Erstattung des ersten Sachverständigengutachtens zu (818,84 Euro). Ihr könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie habe den Gutachter nicht über den Vorschaden informiert, denn gegenüber dem Autohaus, das den Kontakt zum Gutachter hergestellt habe, habe die Klägerin den Vorschaden angegeben.

    III.

    Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung. Die Klägerin habe vorgerichtlich und erstinstanzlich bis zum Unstreitigstellen in der letzten mündlichen Verhandlung den Vorschaden verschwiegen und sogar ein ergänzendes Parteigutachten dazu eingeholt, dass auch der Vorschaden unfallkausal sei. Unter diesen Umständen könne die Klägerin keinen Ersatz der Reparaturkosten und der Mietwagenkosten verlangen. Das Landgericht hätte auch nicht diejenigen Aufwendungen zusprechen dürfen, die schon zur Beseitigung des Vorschadens erforderlich gewesen seien. Um diese Kosten sei das Vermögen der Klägerin schon vor dem Unfall gemindert gewesen. Die Kosten des Sachverständigengutachtens könne die Klägerin nicht ersetzt verlangen, weil sie den Gutachter nicht über den Vorschaden informiert habe. Zudem hätte das Landgericht gem. § 96 ZPO der Klägerin die Kosten für die Einholung des Gerichtsgutachtens auferlegen müssen, da sie dieses durch ihren prozessordnungswidrigen Klagevortrag, wonach es sich bei der Eindrückung des hinteren rechten Stoßfängers nicht um einen Altschaden handele, veranlasst habe.

    Die Beklagte beantragt:

    Das Urteil des LG Ravensburg, verkündet am 09.07.2021 - 4 O 104/20 - wird abgeändert und die Klage wird insgesamt abgewiesen.

    Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt

    die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass hinsichtlich des Antrags Ziffer 2 beantragt wird, die Klägerin von der gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten bestehenden Pflicht zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro freizustellen.

    B

    Die zulässige Berufung ist nur geringfügig begründet.

    I.

    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer gem. § 115 Absatz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG und § 7 Absatz 1 StVG für die Folgen des Unfalls ohne Anrechnung einer Quote nach § 17 Absatz 1 StVG haftet.

    II.

    Der Einwand der Beklagten, die Verpflichtung zum Schadensersatz entfalle vollständig aufgrund des Prozessverhaltens der Klägerin, verfängt nicht. Die Klägerin mag gegenüber der Beklagten und bis zum Ende der ersten Instanz verschwiegen haben, dass der Schaden am hinteren rechten Stoßfänger - wie sie erst in der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz offenbarte - aus dem Jahr 2018 stammte und deshalb nicht vom streitgegenständlichen Unfall herrührte. Wie das Landgericht zurecht ausgeführt hat, gibt es im Zivilrecht jedoch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige den berechtigten Teil seiner Ansprüche verliert, der hinsichtlich weitergehender Ansprüche bewusst wahrheitswidrige Angaben macht.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten umfangreich zitierten Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit eines Schadens bei nicht abgrenzbarem Vorschaden. Um einen Schaden geltend zu machen, hat der Kläger darzulegen, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden ist. Dies erfordert bei einem Vorschaden die Darlegung eines bestimmten, näher abgrenzbaren Teils des Schadens (OLG Köln, Urteil vom 5. Februar 1996 - 16 U 54/95, juris Rn. 2). Aus diesen Grundsätzen folgt, dass ein Geschädigter selbst kompatible Schäden, d.h. solche, die an sich durch die Kollision mit dem gegnerischen Fahrzeug entstanden sein können, nicht ersetzt verlangen kann, solange es möglich ist, dass sie auch bereits durch ein früheres Ereignis verursacht worden sein können (OLG Hamburg, Urteil vom 28. März 2001 - 14 U 87/00, juris Rn. 3; Kammergericht, Beschluss vom 13. August 2007 - 12 U 180/06, juris Rn. 10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Februar 2006 - I-1 U 148/05, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Urteil vom 26. September 1990 - 17 U 87/88, VersR 1991, 1070). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Schäden am Kniestück der Seitenwand vom Unfallereignis stammen. Eine Unklarheit darüber, ob dieser abgrenzbare Fahrzeugteil schon zuvor beschädigt war, besteht gerade nicht.

    II.

    Hinsichtlich der Reparaturkosten kann die Klägerin insgesamt 1.800,27 Euro verlangen.

    1.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts betrugen die Aufwendungen zur Beseitigung des unfallkausalen Schadens am Kniestück der Seitenwand insgesamt 1.979,71 Euro einschließlich der Kosten für die Überführung zur Lackierung, Ab- und Anbau der Schlussleuchten und des Stoßfängers, Probefahrt und Auslesen des Fehlerspeichers (brutto 358,88 Euro). Die von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen zur Höhe der Reparaturkosten basieren auf den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen.

    2.

    Von diesem Betrag sind 179,44 Euro im Wege der Vorteilsausgleichung abzuziehen.

    Teilweise berechtigt ist der Einwand, dass das Landgericht Positionen, die für die Behebung auch des nicht durch den Unfall verursachten Schadens erforderlich waren, zugesprochen hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich um Aufwendungen für die Überführung zur Lackierung, Ab- und Anbau der Schlussleuchten und des Stoßfängers, Probefahrt und Auslesen des Fehlerspeichers. Diese Kosten belaufen sich nach den Angaben des Sachverständigen auf 301,58 Euro netto bzw. 358,88 Euro brutto.

    a)

    Ausgangspunkt für die Berechnung des Schadens ist § 249 Absatz 1 BGB, wonach der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dieser Aufwand umfasst auch die Arbeiten, die gleichzeitig für die Behebung der Schäden am Kniestück und am Stoßfänger erforderlich sind.

    b)

    Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Frage der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen, die nicht nur der Behebung des Unfallschadens, sondern auch eines weiteren Schadens dienen, nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung richtet.

    Die Vorteilsausgleichung beruht auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten - jedenfalls in gewissem Umfang - diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis und der Schadensentwicklung zufließen (BGH, Urteil vom 07. Mai 2004 - V ZR 77/03, juris Rn. 15). Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, juris Rn. 17).

    c)

    Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass eine Vorteilsanrechnung nicht in Betracht kommt, wenn der Geschädigte die Behebung eines weiteren, nicht durch den Unfall verursachten Schadens unterlässt. Zurecht stellt das Landgericht darauf ab, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, einen weiteren Schaden an seinem Eigentum beheben zu lassen, auch nicht im Zuge der Reparatur des unfallkausalen Schadens. Als Eigentümer kann der Geschädigte mit seiner Sache beliebig verfahren (§ 903 Satz 1 BGB) und mithin entscheiden, einen (weiteren) Schaden unrepariert zu lassen. In dieser Fallkonstellation hat eine Vorteilsanrechnung für Teilarbeiten, die auch der Instandsetzung weiterer Schäden dienen könnten, auszuscheiden. Lässt der Geschädigte nur den kausalen Unfallschaden instandsetzen, verbleibt ihm durch die fraglichen Arbeiten auch kein Vermögenswert, da er sie bei einer späteren Instandsetzung des anderen Schadens ohnehin erneut aufbringen müsste.

    d)

    So liegt die Konstellation vorliegend jedoch nicht, denn die Klägerin hat tatsächlich die Instandsetzung des Unfallschadens am Kniestück zum Anlass genommen, auch den Vorschaden an der Seitenwand reparieren zu lassen. Hierdurch hat sie sich Aufwendungen in Höhe von 358,88 Euro erspart, die sie bei einer gesonderten Beauftragung der Reparatur des Schadens an der Seitenwand hätte (zusätzlich) aufwenden müssen. Ob und in welcher Höhe diese Vorteile anzurechnen sind, ist nach Wertungsgesichtspunkten zu entscheiden. Einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll aber der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden (BGH, Urteil vom 24. März 1959 - VI ZR 90/58, juris Rn. 9). Beide gesetzgeberische Ziele lassen sich in einer solchen Konstellation nicht vollständig erreichen. Da sich die Reparaturkosten im Übrigen etwa gleich auf die beiden Schäden verteilen, ist es angemessen, die Vorteile zur Hälfte anzurechnen, mithin vorliegend in Höhe von 179,44 Euro. Demnach sind die Reparaturkosten in Höhe von 1.800,27 Euro ersatzfähig.

    3.

    Zutreffend hat das Landgericht die Kosten des ersten Sachverständigengutachtens (818,84 Euro) zugesprochen.

    Es geht richtigerweise von dem Grundsatz aus, dass der Geschädigte die Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens gemäß § 249 Absatz 1 BGB ersetzt verlangen kann (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 104/19, juris Rn. 12), und zwar selbst dann, wenn sich das eingeholte Privatgutachten als falsch erweist (Kammergericht, Urteil vom 17. März 2003 - 12 U 97/01, juris Rn. 8). Eine Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn der Geschädigte schuldhaft falsche Angaben gegenüber dem Sachverständigen gemacht oder die Unrichtigkeit eines Gutachtens aus anderen Gründen zu vertreten hat und sich das Gutachten deshalb als unbrauchbar erweist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2008 - I-1 U 199/07, juris Rn. 11; OLG München, Urteil vom 27. Januar 2006 - 10 U 4904/05, juris Rn. 43).

    Das Vorliegen der Ausnahmekonstellation kann nicht festgestellt werden. Zwar ist das Schadensgutachten falsch, da es auch die Reparaturkosten für den nicht unfallkausalen Vorschaden kalkuliert. Dies hat die Klägerin jedoch nicht zu verschulden. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte die Klägerin keinen unmittelbaren Kontakt zum Sachverständigen, sondern wurde dieser durch Einschaltung des Autohauses X mit der Begutachtung beauftragt. Bei der Annahme des Fahrzeugs durch das Autohaus wurde dokumentiert: "Haftpflichtschaden. Unfallschaden hinten rechts im Bereich des Radlaufs... Hinweis: Stoßfänger hinten rechts beschädigt (Altschaden). Gutachter Herr Y". Daraus ergibt sich, dass die Klägerin gegenüber dem Autohaus den Vorschaden ordnungsgemäß angegeben hat. Die Klägerin hat nicht zu vertreten, wenn das Autohaus diese Information nicht weitergegeben oder der Sachverständige diese Information nicht zur Kenntnis genommen oder unbeachtet gelassen hat. Auch dies hat das Landgericht richtig erkannt (vgl. auch OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 12).

    4.

    Daraus ergibt sich als ersatzfähiger Schaden:

    - Reparaturkosten in Höhe von 1.800,27 Euro
    - Mietwagenkosten (148,51 Euro)
    - Unfallkostenpauschale (25,00 Euro)
    - Sachverständigenkosten (818,84 Euro).

    Der Betrag ist wie vom Landgericht ausgesprochen zu verzinsen. Die Beklagte hat mit der Berufung nicht die Feststellungen des Landgerichts angegriffen, dass sie in der Lage gewesen ist, anhand der ihr vorliegenden Unterlagen den Umfang der bestehenden Schuld zu ermitteln.

    Auch ist die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus den vom Landgericht genannten Gründen freizustellen. In der Entscheidungsformel ist allerdings der Gläubiger aufzunehmen (Toussaint in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 257 BGB Rn. 16).

    C

    I.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO. Die Mehrforderung der Klägerin im Berufungsverfahren beträgt lediglich 6 % des Streitwertes und führt nicht zu höheren Kosten.

    II.

    Eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung, mit der die Kosten des ersten Rechtszugs gegeneinander aufgehoben wurden, ist nicht veranlasst.

    Es besteht kein Anlass, der Klägerin gemäß § 96 ZPO die Kosten für die Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens aufzuerlegen. Demnach können die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt.

    Die Vorschrift ist als Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung eng auszulegen. Zwar verlangt die Norm kein Verschulden auf Seiten der obsiegenden Partei. Jedoch ist im Rahmen ihrer Anwendung das mit ihr verfolgte Ziel, die Parteien zu einer sparsamen Prozessführung anzuhalten, sowie das der Norm innewohnende Veranlasserprinzip zu berücksichtigen. Da der Vorschrift Sanktionscharakter zukommt, reicht es gerade nicht aus, dass einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel verworfen werden, da die Parteien in der Wahl ihrer Rechtsverfolgung auch mit Blick auf drohende Kostenfolgen frei sein müssen. Vielmehr ist maßgebend in die Abwägung einzustellen, ob die Erfolglosigkeit des Angriffs- oder Verteidigungsmittels für die Partei voraussehbar war (BGH, Urteil vom 17. April 2019 - VIII ZR 33/18, juris Rn. 47).

    Nach diesen Maßstäben kommt zwar durchaus eine Auferlegung der Kosten für ein Sachverständigengutachten in Betracht, die alleine durch wissentlich falsche Angaben der Partei entstanden sind (Kammergericht, Urteil vom 10. Februar 2021 - 25 U 160/19, juris Rn. 18). Zurecht hat das Landgericht indes darauf abgestellt, dass das Gutachten nicht allein die nicht erwiesene Behauptung der Klägerin zum Gegenstand hatte, dass auch die Eindrückung am rechten hinteren Kotflügel/Heckstoßfänger unfallkausal gewesen sei. Vielmehr bezog sich der Beweisbeschluss auch darauf, dass im Falle eines Vorschadens (wie er festgestellt wurde) die Rechnungsposten des Privatgutachtens und der Reparaturrechnung vom Vorschaden abzugrenzen sind und zu bestimmen ist, in welcher Höhe die Kosten durch den streitgegenständlichen Unfall angefallen sind. Insoweit war das Gerichtsgutachten brauchbar und hat der Klage auch zum Erfolg verholfen.

    III.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen.

    RechtsgebieteStVG, BGB, ZPOVorschriftenStVG § 7, BGB § 249, ZPO § 96