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  • 16.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061335

    Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 28.03.2006 – 14 U 200/05

    Der Geschädigte hat sein gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bestehendes Wahlrecht, entweder Wiederherstellung oder den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen, nicht bindend ausgeübt (und damit verloren, vgl. Senat, OLGR 1994, 222), wenn er zunächst auf der Basis einer "fiktiven" Schadensberechnung Ersatz begehrt, ohne damit eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung auszuschließen. Soweit nach anschließender Durchführung der Reparatur die tatsächlichen Reparaturkosten höher als die "fiktiven" sind, kann er auch noch den Differenzbetrag zwischen diesen und den tatsächlich angefallen Kosten verlangen.


    Oberlandesgericht Celle
    Im Namen des Volkes
    Urteil

    14 U 200/05

    Verkündet am
    28. März 2006

    In dem Rechtsstreit

    hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 18. August 2005 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.512,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2005 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.512,07 EUR.

    Gründe:

    (abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

    Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte aus § 839 BGB, Art. 34 GG i. V. m. Art. VIII Abs. 5 des Nato-Truppenstatuts zu.

    1. Die Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach zu 100 % unstreitig (LGU 2).

    a) Dem Klageanspruch steht nicht die Bestandskraft des Bescheids des Landkreises Soltau-Fallingbostel vom 7. September 2004 (Anlage K 4, Bl. 22 d. A.) entgegen.

    aa) Die in dieser Entschließung getroffene Entscheidung ist zwar grundsätzlich abschließend. Denn das Verwaltungsverfahren zur Regelung von Truppenschäden ist dazu bestimmt, Schadensfälle möglichst rasch und abschließend abzuwickeln und damit eine endgültige Befriedigung unter den Beteiligten herbeizuführen. Dieser Gedanke der Befriedigung soll grundsätzlich auch Vorrang vor der Wahrung der materiellen Gerechtigkeit haben. Die Entschließung des Amtes für Verteidigungslasten bzw. wie hier des Landkreises legt den Anspruch des Berechtigten dem Grunde und der Höhe nach verbindlich fest (vgl. BGH MDR 1977, 124; VersR 1979, 423).

    bb) Das gilt aber nicht, wenn die Rechtsbeziehungen der Beteiligten noch nicht endgültig bereinigt worden sind oder wenn - wie hier - ein neuer Sachverhalt vorliegt, der noch nicht endgültig beschieden worden ist.

    Der Entschließung vom 7. September 2004 lag zwar das Anspruchsschreiben des Klägers vom 21. Juni 2004 (Bl. 19 d. A.) zugrunde. Der Kläger hatte den Schaden damals nur "derzeit" konkretisiert, allerdings hinsichtlich der hier streitigen Reparaturkosten einen konkret bezifferten Betrag verlangt. Ein Vorbehalt bestand lediglich in Bezug auf einen Nutzungsausfallschaden und etwaige Ummeldekosten. Mit dem Bescheid vom 7. September 2004 sollte also der vom Kläger geltend gemachte Anspruch zumindest in Bezug auf die Reparaturkosten abgegolten werden. Daran ändert auch die Nachtragsentschließung vom 26. Januar 2005 (Anlage K 7, Bl. 26 d. A.) nichts. Dort wurde lediglich eine weitere Entschädigung wegen der noch nicht abgegoltenen Mietwagenkosten ausgesprochen und im Übrigen darauf verwiesen, dass durch die vorangehende Entschließung vom 7. September 2004 die dort behandelten Ansprüche bereits abschließend reguliert wurden.

    Der Kläger macht vorliegend aber nicht die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis (vgl. Anlage K 1, Bl. 7 d. A.), wie sie der Entschließung vom 7. September 2004 zugrunde lag, geltend, sondern begehrt Ersatz der überschießenden tatsächlich angefallenen Reparaturkosten nach Durchführung der Reparatur (vgl. Bl. 4 d. A. sowie Anlage K 5, Bl. 23 d. A). Die Parteien sind sich dabei einig, dass der Kläger "durchaus" von der fiktiven Schadensabrechnung auf eine konkrete Schadensabrechnung wechseln kann (so ausdrücklich im Schriftsatz der Beklagten vom 12. Dezember 2005, Bl. 94 d. A.). Wenn aber ein solcher Wechsel der Abrechnungsart möglich ist, dann kann dem - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht die Bestandskraft der Entschließung der Schadensregulierungsstelle vom 7. September 2004 entgegenstehen. Denn über diesen - neuen - Sachverhalt ist noch überhaupt keine Entscheidung getroffen worden. Die Entschließung vom 7. September 2004 hat sich lediglich mit den "fiktiven" Reparaturkosten, nicht aber den tatsächlich angefallenen befasst. Wenn der Kläger - wie von der Beklagten angenommen - die Abrechnungsart auch noch im Nachhinein wechseln kann, steht ihm auch ein Anspruch auf eine nachträgliche eigenständige Entscheidung zu.

    b) Dem Kläger war ein Wechsel in der Abrechnungsart weiterhin möglich. Der Senat hat zwar mit Urteil vom 17. März 1994 (OLGR 1994, 222) entschieden, dass der Geschädigte an das von ihm einmal ausgeübte Wahlrecht, im Wege der Naturalrestitution gemäß § 249 Satz 2 BGB Ersatzbeschaffung statt Reparatur der beschädigten Sache zu begehren, gebunden ist, weil das Wahlrecht dann verbraucht ist, wenn es bindend ausgeübt wurde. Anders als im vorliegenden Fall hatte der Kläger dort aber sein Wahlrecht bereits - endgültig - verloren, weil er eine Ersatzbeschaffung vorgenommen hatte, auf deren Grundlage dann der Schaden reguliert wurde. Der Kläger hatte dort also gezeigt, dass er in jedem Fall eine Ersatzbeschaffung und nicht lediglich eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis wollte. Vorliegend ist das gerade nicht der Fall. Der Kläger hatte sich hier noch nicht festgelegt, ob er reparieren oder dies unterlassen will und lediglich "fiktiv" Ersatz verlangen möchte. Er hatte also gerade noch die Entscheidungsfreiheit, zu reparieren oder dies zu unterlassen. Entsprechend kann er sein Wahlrecht auch noch nicht bindend ausgeübt haben.

    Im Übrigen findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern (vgl. nur BGHZ 162, 161 m. w. N. [II. 1 b), cc) der Entscheidungsgründe]). Eine derartige Bereicherung ist hier aber nicht feststellbar; der Anspruch ist der Höhe nach nicht zu beanstanden (s. u. 2.).

    c) Anders als das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Bezug auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln (OLGR 2001, 287) meint, "verquickt" der Kläger auch nicht die Abrechnung auf fiktiver Basis mit der Abrechnung auf der Grundlage einer durchgeführten Reparatur. In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall hat der Kläger auf fiktiver Basis, d. h. auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens und nicht nach den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten abgerechnet. Dazu hat er dann einzelne, vom Sachverständigen nicht anerkannte Schadenspositionen "nachgeschoben". Vorliegend ist das anders: Hier hat der Kläger letztlich insgesamt einen Wechsel von der Abrechnung auf Gutachtenbasis zu der auf Reparaturkostenbasis vorgenommen. Er verlangt demnach allein die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten ersetzt (und rechnet konsequent nur die bereits erhaltene Zahlung von seinem Anspruch ab). Das ist nicht mit dem vom OLG Köln entschiedenen Fall vergleichbar.

    Im Übrigen hat der BGH eine "Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung" - um die es sich wie erwähnt vorliegend jedoch nicht handelt - nicht an sich für unzulässig gehalten, sondern die Frage noch nicht abschließend entschieden (vgl. BGH NJW 2003, 3480, 3481).

    2. Die Klage ist auch der Höhe nach begründet. Der Kläger hat seinen Anspruch im Einzelnen dargelegt (vgl. S. 4 der Klageschrift, Bl. 4 d. A., mit Anlagen). Danach ergibt sich noch der "offene" Differenzbetrag von 1.512,07 EUR. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

    Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus Verzug (vgl. Anlage K 6, Bl. 25 d. A.).

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 249 Abs. 2