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  • · Fachbeitrag · Mietwagen

    Der Mieter haftet für grob fahrlässig verursachte Schäden auch bei unwirksamer Befreiungsklausel

    | Der BGH hat entschieden: Wenn die Haftungsbefreiungsklausel im Mietvertrag unwirksam ist, wird sie durch die gesetzliche Regelung in § 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz ersetzt. Die Folge der Unwirksamkeit ist also nicht, dass der Mieter damit gänzlich aus dem Schneider wäre. Er bleibt vielmehr in der Haftung für Schäden am Fahrzeug, die er grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat. |

     

    Worum ging es? Mit dem Mieter war im Mietvertrag vereinbart, dass er im Falle eines selbst verschuldeten Unfalls nur mit einem definierten Betrag für den Schaden am Fahrzeug haften solle. Gefühlt ist das für den Mieter ja wie eine Vollkaskoversicherung.

    Völliger Wegfall bei grober Fahrlässigkeit unzulässig

    In den AGB war geregelt, dass diese Beschränkung entfällt, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird.

     

    In der Vollkaskoversicherung wäre das so nicht mehr zulässig. Bei grober Fahrlässigkeit darf nach den Regeln des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) die Sanktion nicht mehr automatisch die völlige Leistungsbefreiung des Versicherers sein. Stattdessen muss innerhalb der groben Fahrlässigkeit noch einmal abgestuft werden. Nur bei den ganz harten Fällen („alkoholisiert über die rote Ampel“) muss der Versicherer gar nicht mehr leisten.

     

    • Beispiel

    Ist der Bereich der groben Fahrlässigkeit nur knapp erreicht, darf der Kaskoversicherer beispielsweise um 25 Prozent kürzen und mit zunehmender Deutlichkeit der groben Fahrlässigkeit immer mehr.

     

    Das Leitbild der Vollkaskoversicherung

    Die Rechtsprechung sagt seit Jahrzehnten, dass die Haftungsbefreiung im Automietvertrag dem Leitbild der Kaskoversicherung entsprechen muss. Also erklären die Instanzgerichte Klauseln in Mietverträgen, die bei grober Fahrlässigkeit ohne jede Abstufung den Wegfall der Haftungsbefreiung und damit den vollen Schadenersatz des Mieters gegenüber dem Vermieter vorsehen, für unwirksam wegen Verstoßes gegen AGB-Regeln.

     

    Was sind die Konsequenzen?

    Das ist nachvollziehbar. Aber nun war die Frage, was das im Ergebnis bedeutet. Der Mieter war der Auffassung: Wenn die Regelung über seine Haftung für Schäden am Fahrzeug unwirksam sei, müsse er überhaupt nicht haften. Der Vermieter müsse also auf dem Schaden sitzen bleiben.

     

    Das gelte umso mehr, weil die Kaskoversicherer mehrheitlich auf freiwilliger Basis grobe Fahrlässigkeit gar nicht mehr einwenden würden, solange es nicht um Alkoholfälle oder um Fälle mit anschließender Unfallflucht gehe. Folge man also dem Leitbild der Kaskoversicherung, müssten sich auch Autovermieter verpflichten, grobe Fahrlässigkeit nur noch in diesen beiden Ausnahmefällen einzuwenden.

     

    Falsch, sagt der BGH zu beiden Gedankengängen

    Auf das Marktgeschehen kommt es nicht an. Ob es wahr ist, dass die meisten Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichten, muss nicht aufgeklärt werden. Denn das Leitbild der Vollkaskoversicherung ergibt sich aus den Regeln des VVG, und ein solches vertragsprägendes Marktgeschehen ist vom Gesetz nicht vorgesehen (BGH, Urteil vom 15.7.2014, Az. VI ZR 452/13, Abruf-Nr. 142435).

    Das Gesetz als Auffanglösung

    Wenn die Klausel aus dem genannten Grund unwirksam ist, wird sie durch den Rechtsgedanken des § 81 Abs. 2 VVG ersetzt. Denn, so sagt der BGH: Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen, § 306 Abs. 2 BGB. Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes. Und das gilt dann entsprechend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung, die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat.

     

    • § 81 Abs. 2 VVG lautet

    „Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.“

     

    Übertragen auf die Haftungsfreistellung heißt das also: Führt der Mieter den Schaden grob fahrlässig herbei, ist der Vermieter berechtigt, die Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens des Mieters entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

     

    Die Folge davon ist: Der BGH hat das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dort gewichtet wird, ob und mit welchem Grad der Schwere des Verschuldens dem Mieter grobe Fahrlässigkeit angelastet werden kann.

    Rechtsprobleme rund um Schäden während der Mietzeit

    Eine Frage, die sich immer wieder stellt, wenn der Mieter das Fahrzeug mit Schäden zurückbringt, ist: Haftet der Mieter nur für von ihm verschuldete Schäden oder auch für solche, die zufällig während der Mietzeit entstanden?

     

    • Mieter benennen gern den „Großen Unbekannten“, wenn Schäden am Fahrzeug sind. Und manchmal stimmt das auch. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass ein geparkter Wagen beschädigt wird und der Schädiger nicht mehr aufzufinden ist. Auch der Marder schlägt von Zeit zu Zeit zu.

     

    • Eine weitere Variante der Mieter ist die These, der Schaden sei doch schon am Fahrzeug gewesen, als er es übernommen hat.

     

    • Oder auch: Den Mietwagen habe doch niemand angeschaut, als er zurückgegeben wurde. Der nunmehr entdeckte Schaden sei erst nach der Rückgabe entstanden.

     

    Überwiegende Rechtsprechung: Keine Haftung ohne Verschulden

    Nach weit überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung ist ein Mieter tatsächlich nicht für den Schaden haftbar, den ein Dritter, auf den der Mieter keinen Einfluss hat, am Mietobjekt angerichtet hat. Es gibt insoweit keine verschuldensunabhängige Haftung. Und die lässt sich nach überwiegender Auffassung auch nicht im „Kleingedruckten“ konstruieren.

     

    Allerdings muss der Mieter sich entlasten

    Jedoch ist nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 10.9.2007, Az. I-24 U 97/07; Abruf-Nr. 080092) der Mieter dafür in vollem Umfang beweispflichtig, dass er den Schaden nicht verschuldet hat.

     

    Dem hat sich das AG Köln (Urteil vom 24.5.2011, Az. 120 C 676/09; Abruf-Nr. 120810) angeschlossen. So musste der Mieter für den Schaden eintreten, weil er nicht lückenlos beweisen konnte, zum Beispiel durch den Beifahrer als Zeugen, dass er den Schaden nicht verursacht hat.

     

    In einem Fall des AG Leipzig (Urteil vom 23.9.2010, Az. 114 C 7253/09; Abruf-Nr. 122656) hingegen konnte die Autovermietung nicht beweisen, dass der Schaden nicht erst nach der Rückgabe entstanden ist, weil sich bei der Rückgabe des Fahrzeugs niemand die Mühe gemacht hat, es anzuschauen.

     

    PRAXISHINWEIS | Der dem Leipziger Urteil zugrunde liegende Streitschauplatz ist völlig überflüssig. Er lässt sich durch eine sorgfältige Übergabe, bei der der Mieter die Schadenfreiheit bestätigt, und eine Rücknahme mit sofortiger Kontrolle des Fahrzeugs vermeiden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Einmal quer durch den Mietwagengarten - die uneinheitliche Rechtsprechung in Detailfragen“, UE 9/2013, Seite 13
    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 14 | ID 42899577