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  • · Fachbeitrag · Teilkasko

    Sturmschäden an Fahrzeugen: Antworten auf die wichtigsten Praxisfragen

    | Der Orkan Niklas hat Ende März eine Spur der Verwüstung durch Deutschland gezogen. Dabei sind auch viele Fahrzeuge beschädigt worden, die derzeit in den Kfz-Werkstätten repariert werden. Lesen Sie, wann welcher Versicherer für den Schaden aufkommen muss. |

     

    Der Sturmschaden ist wie alle sogenannten Elementarschäden von der Teilkasko umfasst.

    Die einschlägigen Regelungen

    In den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV), die in diesem Punkt von - soweit uns bekannt - allen Gesellschaften übernommen wurden, heißt es dazu:

     

    • A.2.2.3 „Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung“

    Versichert ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf das Fahrzeug. Als Sturm gilt eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Ausgeschlossen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind.

     

    Windstärke von 8 Beaufort ist eine Windgeschwindigkeit von mindestens 17,2 m/sek bzw. zirka 62 km/h. Diese Voraussetzung erfüllte Niklas nahezu überall, wo Schaden entstand. Auch das weitere Kriterium, dass diese Windgeschwindigkeit wetterbedingt sein muss (im Gegensatz zum Beispiel zu einer Sog- oder Druckwelle), ist erfüllt.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch für lokale Ereignisse kann im Zweifel beim Deutschen Wetterdienst Auskunft über die Windstärke eingeholt werden (Deutscher Wetterdienst, Frankfurter Straße 135, 63067 Offenbach, Tel. 069/8062-0, Fax 069/8062-2993, www.dwd.de.

     

    Wichtig | Wenn sich ein Sturm langsam aufbaut und der Versicherer behauptet, der konkrete Schaden sei bereits entstanden, bevor Windstärke 8 erreicht war, ist umstritten, wer die Beweislast trägt. Einerseits muss immer derjenige, der einen Anspruch durchsetzen möchte, das Vorliegen der Voraussetzungen beweisen. Andererseits begründet die im Verlaufe des Sturms erreichte Windstärke 8 einen Anscheinsbeweis zugunsten des Versicherungsnehmers.

    Die drei Fallgruppen

    Bei Sturmschäden an Fahrzeugen sind drei Fallgruppen mit jeweils unterschiedlichen Schadenkonstellationen zu unterscheiden:

     

    1. Schäden an einem oder durch ein fahrendes Fahrzeug

    • Wenn eine Sturmböe das fahrende Auto erfasst, es umwirft oder von der Fahrbahn drückt, liegt ein teilkaskoversicherter Sturmschaden durch unmittelbare Einwirkung des Sturms vor.

     

    • Kommt dabei ein weiteres Fahrzeug zu Schaden, kann dessen Halter den Schaden gegenüber der Haftpflichtversicherung des „weggewehten“ abrechnen. Auch wenn den „weggewehten“ Fahrer kein Verschulden treffen mag, geht von dessen Fahrzeug eine Betriebsgefahr aus. Und unabwendbar ist der Unfall auch nicht. Denn der „Idealfahrer“ wäre - insbesondere auf Brücken und ähnlichen gefährdeten Stellen - so langsam gefahren, dass die Situation beherrschbar geblieben wäre.

     

    • Der Dritte kann aber auch einen Sturmschaden gegenüber der eigenen Teilkasko geltend machen. Denn ob der Sturm einen beliebigen Gegenstand oder ein anderes Fahrzeug gegen das eigene weht, macht keinen Unterschied. Das Gleiche gilt, wenn die Tür des benachbart parkenden Fahrzeugs sturmbedingt gegen ein anderes Fahrzeug schlägt, weil sie dem Fahrer aus der Hand gerissen wird. Die Nachteile der Teilkaskoabrechnung: Die Selbstbeteiligung bleibt im Soll. Und die Nebenkosten (Mietwagen, Nutzungsausfallentschädigung etc.) sowie die Wertminderung sind nicht im Schutzumfang der Teilkasko enthalten.
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    • PRAXISHINWEIS | Macht der gegnerische Haftpflichtversicherer bei der Regulierung Schwierigkeiten, kann der geschädigte Dritte zunächst mit der eigenen Teilkasko abrechnen. Anders als bei der Vollkaskoversicherung führt das ja nicht zum Verlust des Schadenfreiheitsrabatts. Die verbliebenen Schäden kann er dann immer noch in Ruhe gegen den Haftpflichtversicherer des „weggewehten“ Fahrzeugs durchsetzen.

       
    • Wird ein teilkaskoversichertes Fahrzeug von einer Sturmböe erfasst und kommt es wegen einer schreckbedingten Fehlreaktion des Fahrers (zum Beispiel durch unangemessenes Gegenlenken) zum Unfall, verneint die Rechtsprechung die Unmittelbarkeit der Sturmeinwirkung. Das ist dann ein Fall für die Vollkasko.

     

    • Fällt ein vom Sturm gefällter Baum, ein abgebrochener Ast oder auch ein anderer vom Sturm verwehter Gegenstand so knapp vor das Fahrzeug, dass eine Kollision unvermeidlich ist, wird die Unmittelbarkeit der Sturmeinwirkung aber bejaht. Die Teilkasko ist eintrittspflichtig.

     

    • Liegt der Baum, der Ast oder der Gegenstand jedoch schon länger auf der Fahrbahn und kommt es zum Zusammenstoß damit, ist das ein schlichtes Auffahren auf ein Hindernis, also ein Fall für die Vollkasko.

     

    2. Schäden an einem Fahrzeug mit Anhänger

    • Häufig sind die Fälle, bei denen insbesondere sehr leichte, aber mit großen Aufbauten versehene Anhänger vom Sturm erfasst und umgeworfen werden. Wenn der Anhänger selbst teilkaskoversichert ist, ist das ein unmittelbarer Sturmschaden. Das Gleiche gilt, wenn der Sturm „nur“ den Aufbau beschädigt.

     

    • Wird beim Umkippen des Anhängers der Zugwagen beschädigt, ist auch das ein Sturmschaden, den die Teilkasko des Zugfahrzeugs übernehmen muss. Denn der BGH hat entschieden, dass der Einfluss der Witterungsbedingungen der nötige Einfluss „von außen“ ist (BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az. IV ZR 21/11, Abruf-Nr. 130507). Zwar ging es in dem Urteil konkret um den Einfluss von Spurrillen, aber unter der Randnummer 13 heißt es dort: „Als Einwirkung von außen wird er hingegen Ursachen ansehen, die weder von dem ziehenden noch von dem gezogenen Fahrzeug ausgehen. Solche Ursachen können auch in der Fahrbahnbeschaffenheit oder den Witterungsverhältnissen liegen.“

     

    3. Schäden an einem abgestellten Fahrzeug

    • Unproblematisch als unmittelbarer Sturmschaden zu qualifizieren sind die Fälle, bei denen ein vom Sturm umgestürzter Baum, Teile davon oder auch ganz andere Gegenstände (zum Beispiel ein Hausteil, eine Mauer, ein umgestürzter Blumenkübel) auf das Fahrzeug fallen und es beschädigen.

     

    • In der Rechtsprechung ist es auch als ein unmittelbar einwirkender Sturmschaden angesehen worden, wenn der Sturm das an einem Wohnwagen befestigte Vorzelt wegreißt und den Wohnwagen dabei beschädigt (LG Oldenburg, VersR 2004, 858).
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    • Beachten Sie | Zu Ende gedacht bedeutet das auch: Wenn der Sturm eine Skibox vom Dachgepäckträger reißt oder die aufgeladenen Fahrräder, ist dadurch am Fahrzeug entstehender Schaden ebenfalls versichert.

     

    • Es gilt auch als unmittelbarer Sturmschaden, wenn der Fahrer oder der Beifahrer eine Tür öffnet, die ihm dann vom Sturm aus der Hand gerissen wird, wobei das eigene Fahrzeug Schaden nimmt.

    Konkurrenz zu anderen Versicherern

    Gelegentlich stellt sich die Frage, ob ein anderer Versicherer zuständig ist. Die Frage taucht insbesondere auf

    • im Hinblick auf die Schonung der Schadenquote bei der eigenen Versicherung und
    • im Hinblick darauf, dass das Hinweis- und Informationssystem (HIS) des GDV zählt, wie oft der Versicherungsnehmer seine Versicherung in Anspruch nimmt, und gegebenenfalls negativ bewertet.

     

    Die gleiche Frage taucht auf, wenn das beschädigte Fahrzeug nur noch haftpflichtversichert ist.

     

    Fallen Hausteile auf das Fahrzeug, kann der Hauseigentümer haften. Auch Grundstücksbesitzer sind im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich für die Standsicherheit der Bäume verantwortlich. Allerdings setzt die Inanspruchnahme des Haus- oder Grundstückseigentümers voraus, dass der etwas falsch gemacht hat.

     

    Stürzt ein nicht vorgeschädigter Baum um, weil der Boden durch den Dauerregen aufgeweicht und der Sturm für diese Gesamtumstände zu kräftig ist, fehlt es am Verschulden. Ähnlich ist es, wenn ein Hausdach normgerecht und nicht vorgeschädigt ist. Es gibt keine Konstruktion, die jedem Sturm standhält.

     

    PRAXISHINWEIS | Wer sich auf diesen schwierigen Weg macht, sollte vorsorglich parallel seinen Teilkaskoversicherer informieren, damit der sich später nicht auf eine verspätete Schadenmeldung berufen kann.

     

    Reparaturgrenze?

    In der Teilkasko sind oft auch ältere Fahrzeuge versichert. Ist zum Beispiel an einem Fahrzeug mit einem Wiederbeschaffungswert von 2.000 Euro durch einen herabstürzenden Ast ein Schaden von 2.500 Euro entstanden, muss das nicht dessen Ende sein.

     

    Jedenfalls nach den am weitesten verbreiteten Bedingungen ist es unproblematisch, den Teilkaskoversicherer bis zum Wiederbeschaffungswert (WBW) abzüglich Selbstbeteiligung (SB) an den Reparaturkosten zu beteiligen, wenn der Kunde den Rest selbst bezahlt. In den Musterbedingungen findet man das unter den Klauseln A.2.6.1 in Verbindung mit A.2.7.1 a und b.

     

    Für den Beispielsfall bedeutet das: Der Geschädigte kann - bei einer SB von 300 Euro - den Teilkaskoversicherer mit 1.700 Euro (2.000 Euro ./. 300 Euro) an der Schadenregulierung beteiligen, wenn er die restlichem 800 Euro selbst zahlt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Die Behandlung von Überschwemmungsschäden in der Teilkasko - ein Überblick“, UE 2/2012, Seite 14
    • Beitrag „Die Rechtsprobleme bei Kasko und Teilkasko rund um den Wildschaden im Überblicka“, UE 12/2014, Seite 14
    • Beitrag „Das Glasschadenthema eskaliert - Versicherer entdecken immer mehr neue Tummelplätze“, UE 2/2014, Seite 6
    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 12 | ID 43314066