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· Fachbeitrag · Haftung

Fristgebundene Schriftsätze: Wer sich privater Anbieter bedient, muss aufpassen

| Gerade in Angelegenheiten älterer Mandanten geht es oft um existentielle Sachverhalte. Versäumte Fristen wirken hier noch einmal besonders schwer. Wollen Anwälte fristgebundene Korrespondenz mit privaten Dienstleistern verschicken, ist Vorsicht geboten. Laut BSG gelten strenge Grundsätze, die das LSG Niedersachsen-Bremen jetzt aufgegriffen hat. |

 

1. Sachverhalt

Der Anwalt hatte für seine Mandantin eine Erwerbsminderungsrente eingeklagt. Das klageabweisende Urteil wurde ihm am 27.12.16 zugestellt. Die Berufungsfrist endete daher am 27.1.17. Den Berufungsschriftsatz übergab der Anwalt am 23.1.17 einem privaten Postzusteller. Beim LSG ging dieser aber erst am 30.1.17 ein. Der beauftragte Postzusteller arbeitete mit weiteren privaten Zustellunternehmen im Rahmen eines Postdienstleistungsverbunds zusammen. Briefsendungen, die ‒ wie hier ‒ außerhalb des eigenen Zustellbereichs zuzustellen sind, werden daher an das örtlich zuständige kooperierende private Unternehmen weitergeleitet.

 

Der Anwalt beantragte Wiedereinsetzung und trug vor, dass er davon ausgehen durfte, dass die Berufungsschrift fristgerecht zugestellt wird, zumal dies in der Vergangenheit stets der Fall gewesen sei. Das LSG Niedersachsen-Bremen lehnte die Wiedereinsetzung ab (21.8.17, L 2 R 49/17, Abruf-Nr. 196853).

 

2. Entscheidungsgründe

Seitdem das Postmonopol weggefallen ist, hat der Gesetzgeber im Ausgangspunkt davon abgesehen, bindende Vorgaben zu normieren, welche Postlaufzeiten privater Postunternehmen sicherzustellen haben, so das LSG. Soweit der § 2 Nr. 3 Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) Anforderungen an die Postlaufzeiten vorsieht, betreffen diese nur den Universaldienst im Sinne der §§ 1 PUDLV, 11 PostG.

 

Dieser Universaldienst wird bislang allein durch die Dienste der Deutschen Post AG gewährleistet. Daneben existierten Ende 2013 etwas über 600 konkurrierende private Unternehmen im lizenzpflichtigen Bereich der Postdienstleistungen.

 

Der Anwalt ist selbst verantwortlich, ein leistungsfähiges Unternehmen auszuwählen, wenn Fristen einzuhalten sind. Seine anwaltliche Sorgfaltspflicht umfasst insoweit auch gewissenhaft zu prüfen, ob das gewählte Unternehmen mit gleicher Zuverlässigkeit fristgerecht zustellen kann (BFH 4.9.08, I R 41/08). Dies vor allem, wenn fristgebundene Schriftsätze nur wenige Tage vor Fristablauf verschickt werden. Dabei muss von einer erwartbar jedenfalls gleich hohen Verlässlichkeit auszugehen sein, als wenn der Postuniversaldienst genutzt wird.

 

3. Relevanz für die Praxis

Natürlich darf ein Anwalt frei wählen, mit welchem Dienstleister er seine Post befördert. Aber: Das BSG verlangt Anwälten bezüglich zu wahrender Rechtsmittelfristen ab, eine „äußerste Sorgfalt“ einzuhalten (BSG 10.12.14, B 1 KR 11/14 B). Dieser Grundsatz zwingt die Bevollmächtigten, unter Umständen genauer nachzuprüfen und sich nicht einfach auf eine rechtzeitige Zustellung zu verlassen, sofern die Kanzlei verschiedene Postdienstleister nutzt. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie er prüfen, bzw. sicherstellen kann, dass der Anbieter zuverlässig ist:

 

 

PRAXISHINWEIS | Bei einem Poststreik ist im übrigen die BGH-Rechtsprechung zu beachten: Ist der Streik auf bestimmte Gebiete beschränkt, darf der Anwalt auf reguläre Postlaufzeiten vertrauen. Nämlich, wenn ihm die Post die Auskunft erteilt, dass für die geplante Briefsendung streikbedingte Beeinträchtigungen nicht bekannt sind und die Postbeförderung normal läuft (BGH 16.8.16, VI ZB 19/16).

 

Weiterführende Hinweise

  • Wenn das Gericht dem Gutachter Fristen setzt, SR 17, 78
  • Gerichtlicher Eingangsstempel ist entscheidend, SR 16, 64
  • Regelmäßiger Rechtsmittelausschluss bei Verurteilungen zur Auskunftserteilung, SR 16, 120
Quelle: Ausgabe 10 / 2017 | Seite 171 | ID 44891893