Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Unternehmer in der Krise

    Pflichten des Steuerberaters bei Erkennen einer Überschuldung des Mandanten

    von RA Tim Günther, Hamburg/Hannover

    | Rechtzeitig zu erkennen, dass sich das Unternehmen in einer existenzgefährdenden Krise befindet, ist in der Regel recht problematisch. Oft liegt dies daran, dass das Unternehmen kein wirkungsvolles Frühwarnsystem etabliert hat. Kommt es in der Folge zu einer Insolvenz, wird häufig der Steuerberater vom Insolvenzverwalter wegen fehlerhafter Beratung und damit einhergehender Pflichtverletzungen in Anspruch genommen. Dem kann der Steuerberater präventiv vorbeugen, indem er Krisen rechtzeitig erkennt und die sodann rechtlich gebotenen Veranlassungen trifft. |

    1. Unternehmenskrise erkennen

    Der Begriff der Unternehmenskrise ist zwar rechtlich nicht definiert, bezeichnet aber im betriebswirtschaftlichen Sinne die Phase eines Unternehmens, in der seine Funktionsfähigkeit und Stabilität beeinträchtigt ist und eine Gefährdung des Fortbestehens des Unternehmens droht oder bereits eingetreten ist. Die Erfassung der Krise gehört zu den Pflichten des Steuerberaters, da wesentliche unternehmerische Belange (bspw. Beschaffung, Personal, Auslastung, Investitionen, Finanzierung, Absatz) Gegenstand des Lageberichts sind. Hinsichtlich der Krisenart werden grundsätzlich drei Arten definiert: Strategiekrise, Erfolgskrise und Liquiditätskrise.

     

    1.1 Strategiekrise

    Die Strategiekrise zeichnet sich durch die Störung langfristig wirkender Erfolgsfaktoren aus und beginnt in der Regel mit einer Krise in der Unternehmensidentität, welche die Summe der Charakteristika eines Unternehmens repräsentiert, wie bspw. strategische Ausrichtung, Stakeholder-Struktur, Absatzmarkt und Produktsortiment. Eine Strategiekrise tritt in der Regel immer dann auf, wenn sich das Konsumverhalten der Kunden wandelt oder ein technologischer Fortschritt eintritt und das Unternehmen auf diese Veränderungen nicht oder nicht rechtzeitig reagiert hat.

     

    CHECKLISTE / Warnsignale einer Strategiekrise

    • Verlust von Kunden an die Konkurrenz,
    • keine erfolgreiche Neukunden-Akquise,
    • Nicht-Akzeptanz neuer Angebote/Produkte durch meine Kunden,
    • Preisdruck durch zunehmende Konkurrenz,
    • Laufkundschaft am Standort nimmt ab,
    • neue Gesetze, Regelungen, Vorschriften verschlechtern die Arbeitsbedingungen,
    • Qualifikation der Mitarbeiter und Qualität der Produkte nimmt ab und
    • veraltete Produktionsverfahren.
     

    1.2 Erfolgskrise

    Typischerweise werden in einer Erfolgskrise die ersten rückläufigen Umsätze wahrgenommen, die sich besonders in den Verlusten von Marktanteilen widerspiegeln. Darüber hinaus wird durch Entstehung von Gewinnrückgängen und schließlich Verlusten die Eigenkapitalbasis geschmälert und es droht die Überschuldung. Diese Entwicklung wird geprägt durch den Rückgang der Nachfrage und einen Preisverfall. Anhaltspunkte sind insbesondere:

     

    • Verlust von Stammkunden,
    • hoher Bestand an noch ausstehenden Geldforderungen,
    • Zahlungsziele werden verfehlt,
    • Anstieg von Beschwerden und Reklamationen,
    • Rückgang der Absatzzahlen,
    • Anstieg des Lagerbestands,
    • Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Lieferterminen,
    • Probleme bei der Kapazitätsauslastung,
    • Qualitätsmängel treten auf,
    • Umsatz- und Gewinnrückgang sowie
    • Fluktuation qualifizierter Mitarbeiter nimmt zu.

     

    1.3 Liquiditätskrise

    Der Eintritt in die Liquiditätskrise bezeichnet die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit. Das Unternehmen ist in dieser Phase in seiner Existenz erheblich gefährdet. Anhaltspunkte sind:

     

    • Verlust von Stammkunden,
    • hoher Bestand an noch ausstehenden Geldforderungen,
    • Rückgang der Absatzzahlen (25 % und mehr),
    • Liefertermine können nicht mehr eingehalten werden,
    • Lieferanten verlangen Vorkasse,
    • dauerhafte Überziehung des Kontokorrentrahmens,
    • Banken gewähren keine Kredite, verlangen mehr Sicherheiten, erhöhen die Kreditzinsen,
    • Rückstand bei der Rückzahlung von bestehenden Krediten,
    • Probleme bei der Kapazitätsauslastung,
    • Einführung von Kurzarbeit,
    • Löhne und Gehälter können nicht mehr gezahlt werden und
    • Pfändungen aufgrund unbezahlter Forderungen.

    2. Insolvenzgründe

    Aus den vorliegenden Krisen können sich drei Gründen für eine Insolvenzantragspflicht ergeben:

     

    • Nach § 17 Abs. 2 InsO 2 ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

     

    • Nach § 18 Abs. 2 InsO droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

     

    • Eine Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO (nur für juristische Personen) liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

    3. Pflichten des Steuerberaters

    Der Steuerberater ist in dieser Krise des Mandanten verpflichtet, diesen rechtzeitig zu belehren, dass er sich möglicherweise in einer Insolvenzantragspflicht befindet und dies durch einen externen Dritten unverzüglich prüfen lassen sollte. Diese Belehrung sollte der Steuerberater unverzüglich in der Akte dokumentieren, bestmöglich noch durch den Mandanten gegenzeichnen lassen. Die Prüfung der Insolvenzantragspflicht durch den Steuerberater selbst ist in diesem Zusammenhang nicht zu empfehlen, da dies eine unzulässige Rechtsdienstleistung sein könnte (die Reichweite der Ausnahme des § 5 Abs. 1 RDG ist streitig). Ob der Steuerberater bei einer fehlerhaften Belehrung in Anspruch genommen werden kann, wird im nächsten Kapitel (unter 4.2) aufgezeigt.

     

    Klassischerweise basiert die Geschäftsbeziehung zwischen dem Steuerberater und der Gesellschaft darin, dass dieser die laufenden steuerlichen und buchhalterischen Pflichten der Gesellschaft erfüllt. Stellt er nun im Zuge dieser Tätigkeit eine bilanzielle Überschuldung fest, so ist die Frage, ob er den Geschäftsführer hierauf hinzuweisen hat.

     

    Es gibt durchaus Gerichte, die dies bejahen würden und davon ausgehen, dass der Steuerberater „Kraft überlegenen Wissens“ den Geschäftsführer auf die Notwendigkeit einer Insolvenzantragstellung hinweisen muss (LG Saarbrücken 28.11.11, 9-O-261/10). In dieser Entscheidung kam es darauf an, was Umfang des erteilten Mandats war, insbesondere, ob es eine insolvenzrechtliche Beratungspflicht umfasste. Das Mandat bestand ausweislich der Urteils-gründe der Vorinstanz in dem zugrunde liegenden Sachverhalt darin, „fortlaufend die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die Lohn-abrechnungen der Mitarbeiter, die Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger, die Jahresabschlüsse und die Bilanzen zu fertigen und diese bei den Prüfungen der genannten Stellen zu unterstützen“, mithin nach dem „Gesamtbild“ die „allgemeinen steuerlichen Interessen des Auftraggebers“ zu wahren (Römermann, GmbHR 2013, 513, 514).

     

    Nach Ansicht des BGH umfasst ein „normales“ Steuerberatungsmandat nur steuerrechtliche Fragen. Im Rahmen des Mandats müssten zwar durchaus auch ungefragt Hinweise erteilt werden, insbesondere, wenn es darum geht, Schäden von Mandanten abzuwehren. Der Hinweis darauf, dass der Geschäftsführer ggfs. eine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens zu veranlassen habe, rechnet der BGH nicht zu den steuerrechtlichen Fragestellungen, sondern vielmehr zu der Kategorie der „allgemeinen wirtschaftsrechtlichen Beratung“.

     

    Der BGH begründet dies insbesondere damit, dass eine etwaige Unterdeckung in der steuerlichen Bilanz nicht automatisch Schlussfolgerungen für eine insolvenzrechtliche Überschuldungsbilanz zulasse. Wesentlich sind insoweit die Fortführungsprognose und die stillen Reserven (Römermann, GmbHR 2013, 513, 514).

     

    Zudem hat der Steuerberater grundsätzlich die Pflicht, seinen Mandanten auch über die Möglichkeit der Beseitigung der Insolvenzgründe zu informieren; hierzu zählen insbesondere

     

    • Rangrücktrittserklärungen,
    • Stundungen durch Gläubiger,
    • die Aufnahme von Sanierungskrediten,
    • Patronatserklärungen durch Gesellschafter,
    • Verkauf von Aktiva,
    • Sale and lease back,
    • Forderungsverkauf,
    • Abbau von Vorräten,
    • Reduzierung von Forderungspaketen oder
    • die Erhöhung des Stammkapitals.

    4. Haftung des Steuerberaters

    Im Hinblick auf die Frage der Pflichtverletzung gilt es allerdings zunächst, den Pflichtenkreis des Beraters positiv abzustecken, um sodann im Einzelfall das Vorliegen einer Pflichtverletzung als Grundvoraussetzung einer Inhaftungsnahme prüfen zu können.

     

    4.1 Pflichtverletzung

    Als pflichtverletzende Handlung kann dem Berater insbesondere vorgeworfen werden, dass er falsch beraten bzw. unbrauchbare und/oder wertlose Beratungsleistungen erbracht habe (OLG Celle 23.10.03, NJW 03, 3638). Das Berufsbild des Steuerberaters beinhaltet dabei mindestens zwei selbstständige Formen der Berufsausübung innerhalb des Terminus „Hilfeleistung in Steuersachen“: Erstens wird die eigentliche Steuerberatung in Form der Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts und zweitens die Hilfeleistung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten, die der Rechnungslegung zuzuordnen ist, umfasst (BGH 14.6.12, IX ZR 145/11). Letztere ist in der Praxis weit verbreitet.

     

    • Dauermandat oder beschränktes Mandat für allgemeine steuerrechtliche Angelegenheiten;
    • Sanierungsberatung;
    • Erstellung des Jahresabschlusses mit Prüfung der Insolvenzreife sowie
    • Erstellung des Jahresabschlusses im Dauermandat für allgemeine steuerrechtliche Angelegenheiten oder in einem beschränkt isolierten Mandat.

     

    Häufig - nicht nur im Rahmen von Sanierungsmandaten - lautet der Vorwurf an den Steuerberater, er habe fehlerhafte Rechtsberatung geleistet. Der Steuerberater hält dem regelmäßig entgegen, dass er Rechtsberatung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nicht schulde.

     

    Ob eine Pflicht verletzt wurde, ist eine Frage des Einzelfalls und abhängig von dem Auftragsgegenstand. Jedenfalls hat der Steuerberater stets die Insolvenzgründe im Auge zu behalten. Er muss gegebenenfalls die Antragstellung empfehlen (OLG Düsseldorf 9.9.03, DStRE 04, 664), was jedoch unter Umständen mit § 5 RDG unvereinbar sein könnte.

     

    Bedauerlicherweise aber wird der Steuerberater nicht grundsätzlich vor einem Haftungsausschluss geschützt. Der BGH (19.5.09, IX-ZR-43/08) beschreibt das Pflichtenprogramm des Steuerberaters analog zu demjenigen eines Rechtsanwalts in ständiger Rechtsprechung derart, dass der Steuerberater seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutenden steuerrechtlichen Einzelheiten und deren Folgen zu informieren hat. Dabei muss er den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge für dessen Verwirklichung unterbreiten.

     

    Der Steuerberater wird meist von dem Management oder den Anteilseignern des Unternehmens beauftragt. Es kann aber auch sein, dass Banken oder sonstige Dritte einen Berater in das Unternehmen bringen (Schmittmann, ZInsO 11, 545, 546).

     

    Besteht zwischen dem Mandanten und dem Berater ein enges, auf gegenseitiges Vertrauen gegründetes Verhältnis, können sich für den Berater auch weitere Hinweispflichten ergeben bis hin zur generellen Schadensverhinderungsverpflichtung, wenn besondere Gefahren dem Berater bekannt oder für ihn offenkundig sind und er annehmen muss, dass der Mandant die Gefahr nicht kennt (BGH 4.3.87, WM 87, 661).

     

    Haftungsgefahren birgt zudem die Sachverhaltsaufklärung. Der Berater muss sich klar darüber sein, dass der Mandant nicht von sich aus alles Bedeutende erklären wird, da ihm die Relevanz einzelner Informationen nicht bewusst ist. Unter Umständen muss der Berater dann nachforschen, inwieweit die Darstellung ergänzungsbedürftig ist (Ehlers, NZI 08, 211, 214).

     

    PRAXISHINWEIS | Unzureichend ausgearbeitete Sanierungskonzepte, die letztlich keinen Inhalt haben, können ebenfalls eine Pflichtverletzung darstellen (OLG Köln 24.9.09, 18 U 134/05, ZInsO 10, 238).

     

    Gegenüber Dritten kann der Steuerberater zunächst haften, wenn zwischen ihm und dem Dritten ein eigenständiges Schuldverhältnis entsteht. Das kann z. B. der Fall sein, wenn mit dem Dritten während der Verhandlungen ein Auskunftsvertrag (konkludent) geschlossen wird. Gleiches gilt bei gegenüber Dritten abgegebenen Garantien. Nimmt der Berater besonderes Vertrauen des Dritten in Anspruch und wird dessen Entscheidung dadurch erheblich beeinflusst, kann sich eine Haftung des Beraters aus § 311 Abs. 3 BGB ergeben.

     

    4.2 Inhaftungsnahme des Steuerberaters

    Der BGH hat im Jahre 2012 (BGH 14.6.12, IX ZR 145/11) ein bemerkenswertes Urteil zur Steuerberaterhaftung getroffen:

     

    In der Entscheidung des BGH wurden die Grundsätze der Beraterhaftung im Hinblick auf die Einbeziehung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in den Schutzbereich eines Steuerberatungsvertrags über die Prüfung der Insolvenzreife der GmbH konkretisiert.

     

    Erstmals hat der BGH auch Gesellschafter einer GmbH in den Schutzbereich eines zwischen der GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrags mit einbezogen.

     

    Die Klägerin war Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH. Der Ehemann der Klägerin war Rechtsanwalt und zum relevanten Zeitpunkt in Bürogemeinschaft mit dem beklagten Steuerberater. Er war an der GmbH still beteiligt.

     

    Der beklagte Steuerberater fertigte seit 2002 die Jahresbeschlüsse der GmbH. Am 10.2.06 kam es zu einem Gespräch über die Bilanz 2004. Anwesend waren die Klägerin, ihr Ehemann und der Beklagte. Da den Beteiligten bekannt war, dass die GmbH sich in einer schwierigen finanziellen Lage befand, sollte sich der Berater auch zur Frage einer eventuellen Insolvenz der GmbH gutachterlich äußern. Klägerin und Ehemann waren der Ansicht, dass noch eine ausreichende Kreditlinie bei der Bank zur Verfügung stand. Demgegenüber hatte der Steuerberater erkannt, dass die GmbH überschuldet und zahlungsunfähig war. Er teilte dies seiner Mandantin und ihrem Ehemann aber nicht mit, weil diese mögliche Sanierungsbemühungen erörterten und er diese Bemühungen nicht erschweren wollte. Nach dem Gespräch erhöhte der Ehemann seine stille Beteiligung um 100.000 EUR. Am 27.6.06 stellte die Klägerin einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit. Mit Datum 26.6.06 lag die Bilanz 2005 vor.

     

    Der Insolvenzverwalter nahm die Klägerin u. a. nach § 64 GmbHG in Anspruch, da eine Überschuldung zum 31.12.05 festgestellt wurde. Für den Schaden machte die Klägerin den Berater verantwortlich. Wogegen der Berater sich darauf berief, dass Klägerin und Ehemann aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrungen die Insolvenz hätten selbst erkennen müssen.

     

    Der BGH entschied, dass eine mündliche Besprechung zwischen dem Steuerberater und seinem Mandanten, in der auch über die wirtschaftliche Situation einer GmbH und die Frage einer möglichen Insolvenzreife gesprochen wird, als mündlicher Prüfungsvertrag zu werten ist und der Geschäftsführer auf Basis dessen den Steuerberater in Regress nehmen kann.

     

    Für den Berater folgt aus dieser Entscheidung, dass zur Haftungsvermeidung der Inhalt eines Gesprächs über die Krise einer GmbH unverzüglich dokumentiert und von dem Mandanten bestätigt werden sollte. Im Übrigen sollte der Umfang des Mandats stets im Rahmen von Mandatsbedingungen genau definiert werden. Nur dann nämlich, wenn der Mandant den Steuerberater ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife auf Grundlage eines Überschuldungsstatus beauftragt, ist der Steuerberater zu der Erbringung einer derartigen Leistung verpflichtet, die keinesfalls als - nicht gesondert zu vergütender - Bestandteil des allgemeinen Steuerberatungsmandats verstanden werden kann (Juretzek, DStR 12, 1825, 1827).

     

    Der Steuerberater haftet aber in zwei Fallkonstellationen höchstwahrscheinlich für seine etwaige Fehlberatung: Bei den Erläuterungen im Jahresabschluss zur Überschuldung und bei den konkreten Erörterungen zur Insolvenz-reife im Gespräch.

     

    • Beispiel 1

    Der Steuerberater S erstellte im August 2005 im Rahmen seines Auftrags den Jahresabschluss für das Jahr 2004. Es ergibt sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von ca. 47.000 EUR. Im Bilanzbericht führt S aus, es handle sich um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“, weil der GmbH für Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 48.500 EUR Rangrücktrittserklärungen vorlägen und wegen des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne. Später stellt sich heraus, dass damals bereits eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorlag. Nun verlangt der Insolvenzverwalter Schadenersatz von S, weil er pflichtwidrig die zum 31.12.04 bei der GmbH gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hat und diese mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten eingegangen sei.

     

    Grundsätzlich besteht auch hier keine Hinweispflicht des Steuerberaters, soweit er den gr- eine bilanzielle Überschuldung der GmbH ausweisenden - Jahresabschluss gefertigt hat. Jedoch hat er nicht nur eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert sowie durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handele, eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen. Mit der Erklärung, es handele sich um eine rein bilanzielle Überschuldung, findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt.

     

    Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass der Steuerberater eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat, nämlich die Prüfung der Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin. Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit des Steuerberaters, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die GmbH vertrauen durfte (BGH 6.6.13, IX ZR 204/12).

     

    Es ergibt sich jedoch folgendes Problem für den Steuerberater: In dem Fall des BGH - aber auch sonst - hatte die Steuerberaterin im Bilanzbericht bei Erstellung des Jahresabschlusses die Äußerung zur rein bilanziellen Überschuldung gemacht. Bei Erstellung des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 HGB), insbesondere bei der Bilanzerstellung, muss jedoch auch die Fortführungsprognose bejaht werden, um entscheiden zu können, ob Buchwerte h- und nicht etwa Zerschlagungswerte - angesetzt werden können (vgl. § 252 Abs.1 Nr. 2 HGB).

     

    Beachten Sie | Die Frage, ob Insolvenzgründe vorliegen, muss stets geprüft werden. Im Ergebnis muss der Steuerberater bereits für die ordnungsgemäße Erstellung des Jahresabschlusses das Nichtvorliegen von Insolvenzgründen prüfen, unabhängig davon, ob hierzu ein Auftrag besteht oder nicht.

     

    • Beispiel 2

    Trotz einer rein steuerrechtlichen Beratung lässt sich der Steuerberater S anlässlich eines unverbindlichen Gesprächs bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für 2004 auf Erörterungen zur Insolvenzreife ein. Bei dem Gespräch waren die Geschäftsführerin G und ihr Ehemann, der als Rechtsanwalt tätig ist, beteiligt. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage der GmbH erklärte der S, dass das Unternehmen ohne Probleme fortgeführt werden könnte.

     

    Den Steuerberater treffen bei einer solchen Gestaltung weitergehende vertragliche Hinweispflichten, wenn er - wie hier - bei einem rein steuerrechtlichen Mandat mit dem Vertretungsorgan in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft eintritt. Hier ist er verpflichtet, dem Mandanten einen Weg zur Klärung der Frage, ob Insolvenzreife vorliegt, aufzuzeigen. Ferner sind Anregungen, Belehrungen und Hinweise erforderlich, einen entsprechenden Prüfauftrag zu erteilen. Dieser Prüfauftrag kann sowohl an den Steuerberater selbst oder an einen externen Fachkundigen ergehen (BGH 6.2.14, IX ZR 53/13).

     

    FAZIT | Für den Steuerberater in der Krise der Gesellschaft lässt sich zusammengefasst sagen:

     

    Bewegt sich der Steuerberater nur auf dem Pfad der reinen steuerlichen Beratung, so besteht nach neuester Rechtsprechung keine Pflicht, den Mandanten auf die Pflicht zur Prüfung der Insolvenzreife hinzuweisen.

     

    Dies ist jedoch bei der Erstellung des Jahresabschlusses anders, da er hier ohnehin prüfen muss, ob er zu Fortführungs- oder Zerschlagungswerten bilanziert. Es sei aber davor gewarnt, diesen sehr schmalen Pfad zu verlassen. Schon ein kurzes Telefonat, bei dem die Frage der Insolvenzantragspflicht von dem Mandanten aufgeworfen wird, kann dazu führen, dass ein mündlicher Prüfungsauftrag unterstellt wird. Weist der Steuerberater dann bei einer tatsächlichen Antragspflicht nicht auf diese hin, weil er sie möglicherweise nicht erkennt, haftet er.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Römermann/Praß, Das neue Sanierungsrecht für Unternehmen, 2012

    Zum Autor | Rechtsanwalt Tim Günther ist u. a. Fachanwalt für Versicherungsrecht/Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und seit Jahren in der Römermann Rechtsanwälte AG (www.roemermann.com) schwerpunktmäßig im Berufs- und Haftungsrecht der Freien Berufe tätig.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 214 | ID 44202866

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents