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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Nur Zug-um-Zug-Verurteilung bei mangelhaftem Sachverständigengutachten

    Nimmt der Geschädigte den Schädiger nach einem Verkehrsunfall auf Zahlung von Sachverständigenkosten an das Sachverständigenbüro in Anspruch und macht der Schädiger geltend, dem Geschädigten stünden wegen einer mangelhaften Gutachtenerstellung Einwendungen gegen die Honorarforderung zu, so ist der Schädiger zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche des Geschädigten gegen das Sachverständigenbüro verpflichtet (LG Saarbrücken 19.10.12, 13 S 38/12, Abruf-Nr. 130841).

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach einem Unfall ließ der Kl. ein Schadensgutachten erstellen. Die Kosten von 379,02 EUR hat er nicht bezahlt. In seiner Klage verfolgt er den Anspruch in Form eines Hauptantrags (Zahlung an sich) und eines Hilfsantrags (Freistellung Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ersatzansprüche). Das LG hat dem Hauptantrag mit folgender Maßgabe stattgegeben: Verurteilung der Bekl. (vermutlich VR und Halter) zur Zahlung der Kosten an den SV Zug um Zug gegen Abtretung von Ansprüchen des Kl. gegen das SV-Büro.

     

    Begründung: Das Gutachten sei trotz relativ geringfügiger Beschädigung erforderlich gewesen. Der Kl. habe sonst nicht erkennen können, ob der Schaden im Bagatellbereich liege. Sodann geht das LG auf das Verhältnis von Zahlungs- und Freistellungsanspruch ein. Wenn der Geschädigte den SV, wie hier, noch nicht bezahlt habe, könne er zunächst nur Freistellung verlangen. Dieser Anspruch verwandele sich indes in einen Zahlungsanspruch, wenn der Schädiger eine Kostenübernahme ernsthaft und endgültig ablehne (§ 250 S. 2 BGB).

     

    Inhaltlich bestimme sich der Zahlungsanspruch nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Daher sei irrelevant, ob der Kl. dem SV im Innenverhältnis Einwendungen gegen den Honoraranspruch entgegenhalten könne. Grundsätzlich müsse der Schädiger die Kosten auch für ein Gutachten übernehmen, das sich nachträglich als falsch herausstelle. Nächste Frage für die Kammer: Zahlung an den Kl. persönlich oder an den Sachverständigen? Grundsätzlich könne der Geschädigte bei dem - durch Umwandlung entstandenen - Anspruch aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Zahlung an sich fordern. Ausnahmsweise sei das jedoch anders, wenn der Geschädigte den SV noch nicht bezahlt habe und (!) der Schädiger geltend mache, dem Geschädigten stünden wegen mangelhafter SV-Leistung Einwendungen gegen die Honorarforderung zu. Würde der Geschädigte selbst kassieren, bestünde die Gefahr einer ungerechtfertigten Bereicherung. Dass der Kl. fälschlicherweise Zahlung an sich verlangt habe, sei prozessual unschädlich. Sein Ziel sei es, mit dem Klagebetrag den SV vollständig zu befriedigen.

     

    Abschließend begründet das LG seine Ansicht, warum der Kl. nur eine Zug-um-Zug-Verurteilung habe erreichen können. Grundlage sei eine Analogie zu § 255 BGB. Ob abtretbare Ansprüche tatsächlich bestehen, sei unerheblich. Es genüge, dass der abzutretende Anspruch als möglich erscheine.

     

    Praxishinweis

    Ein einfacher Fall und doch Probleme ohne Ende. Oder sind es Scheinprobleme? Dass es „gefestigte Rechtsprechung“ sei, dem Unfallgeschädigten zunächst nur einen Freistellungsanspruch zu geben, wenn er den SV noch nicht bezahlt hat, ist eine kühne These. Das LG zitiert nur OLG Rostock OLGR 09, 134, eine Bausache. Gefestigte BGH-Rspr. in Unfallsachen ist: Der Schädiger hat den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen und nicht etwa vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten (BGH NJW 07, 1450 Tz. 13).

     

    Bei den Sachverständigenkosten genügt zwar - anders als beim Kfz-Schaden - kein fiktiver Aufwand. Abgewälzt werden können nur tatsächlich angefallene (konkrete) Kosten, sofern erforderlich. Der Geschädigte muss nicht erst in Vorlage treten, um Zahlung an sich verlangen zu können. Der Weg über den Freistellungsanspruch mit Umwandlung in einen Zahlungsanspruch ist ein Irrweg, jedenfalls ein überflüssiger Umweg. Für den Schädiger und seinen VR gilt: Im Hinblick auf vielleicht bestehende vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Unfalldienstleister können sie sich nicht von der Schadensersatzpflicht befreien und auch nicht die Abtretung eventueller vertraglicher Ansprüche verlangen und die Leistung bis zur Abtretung oder bis zur Erfüllung des aus einem Abtretungsanspruch abgeleiteten Auskunftsverlangens zurückhalten, so der BGH in ständiger Spruchpraxis (z.B. 16.9.08, NJW-RR 09, 130 Tz. 7).

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 60 | ID 38531090