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  • · Fachbeitrag · Arztpraxen

    Neue Möglichkeit der steuerbegünstigten Veräußerung einer (Zweig-)Praxis als Teilbetrieb

    von StB Dipl.-Finw. Christoph Gasten, LL.M., Köln, www.laufmich.de 

    |r Mitte 2012 hat der BFH (22.6.12, VIII R 22/09) seine Rechtsprechung zum ertragsteuerlichen Teilbetrieb konkretisiert und zugunsten der Freiberufler erweitert. Hierdurch entstehen auch für Ärzte neue Möglichkeiten, (Zweig-)Praxen steuerbegünstigt zu veräußern. Auch angesichts der Tatsache, dass die Bildung von Zweigpraxen aufgrund des Versorgungsstrukturgesetzes erheblich vereinfacht wurde, können hieraus neue Umsatzpotenziale für unternehmerisch denkende Ärzte entstehen. |

    1. Steuerlicher Hintergrund

    Freiberufler können bei der Veräußerung eines Teilbetriebs grundsätzlich die Steuervergünstigungen nach § 16 Abs. 4 EStG und § 34 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG in Anspruch nehmen. Gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 EStG gehören zu den freiberuflichen Einkünften auch die Einkünfte aus der Veräußerung eines „selbstständigen Teils des Vermögens“. Auf diese Veräußerung finden gemäß § 18 Abs. 3 S. 2 EStG die Voraussetzungen und rechtlichen Folgen nach § 16 Abs. 2 bis 4 EStG Anwendung. Erfüllt ein Veräußerungsvorgang diese Voraussetzungen, handelt es sich bei dem Verkauf gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG um außerordentliche Einkünfte, auf die die Steuerbegünstigungen nach § 34 Abs. 1 EStG („1/5-Regelung“) oder § 34 Abs. 3 EStG („halber Steuersatz“) - unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag - anzuwenden sind.

    2. Voraussetzungen für das Vorliegen eines Teilbetriebs

    Für die Beurteilung des „selbstständigen Teils des Vermögens“ muss nach der laufenden Rechtsprechung auf die Definition eines Teilbetriebs nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zurückgegriffen werden. Erfüllt ein Praxisstandort also die Voraussetzungen eines Teilbetriebs und wird nur dieser isolierte Standort veräußert, kann der Veräußerer hierfür von den Steuerbegünstigungen profitieren. Der BFH hatte bislang bei Freiberuflern nur zwei Fallgruppen anerkannt.

     

    2.1 Wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten

    Diese Fallgruppe ist erfüllt, wenn ein Arzt an einem Standort Tätigkeiten ausführt, die wesensmäßig verschieden sind. Auch hier ist jedoch Voraussetzung, dass die Tätigkeiten zumindest in einem gewissen Grad organisatorisch getrennt sind. Hierfür sollte darauf geachtet werden, gesonderte Kundenkarteien zu führen, wenn möglich gesondertes Inventar zu nutzen, die Einnahmen zu trennen und unterschiedliche Gewinnermittlungen zu erstellen.

     

    • Beispiel

    Bei dem Verkauf einer Arztpraxis unter Zurückbehaltung einer Gutachtertätigkeit liegt ein Teilbetrieb nicht vor, wenn zumindest teilweise auch Personal und Geräte der Praxis für die Erstellung der Gutachten genutzt werden (FG Hessen 9.6.08, 13 K 145/08).

     

    Ein Teilbetrieb kann jedoch vorliegen, wenn ein Allgemeinmediziner zugleich Betriebsarzt ist, soweit die organisatorische Selbstständigkeit gewahrt wurde (BFH 4.11.04, IV R 17/03, BStBl II 05, 208).

     

    Mangels verschiedenartiger Tätigkeit liegt bei der Veräußerung des kassenärztlichen Teils bei Zurückbehaltung einer Privatpraxis kein Teilbetrieb vor (zuletzt FG München 19.2.03, 9 K 1015/01, EFG 03, 1012).

     

    2.2 Verschiedene unabhängige Standorte

    Die zweite Fallgruppe hingegen liegt vor, wenn die ärztliche Tätigkeit in zwei örtlich und organisatorisch getrennten Bereichen ausgeübt wird. Hierfür ist erforderlich, dass die verschiedenen Standorte auch unterschiedliche Patientenstämme haben und organisatorisch und örtlich so weit voneinander getrennt sind, dass es sich um zwei tatsächlich „unabhängige“ Standorte handelt. Das heißt, das Einzugsgebiet der Standorte darf sich nicht überschneiden. Auch hier muss in der Praxis darauf geachtet werden, dass die oben genannten, organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind.

     

    • Beispiel

    Ein Arzt unterhält eine kassenärztliche Praxis an einem Krankenhaus in Köln und eine privatärztliche Praxis, die er nur an einigen Stunden je Woche öffnet, in Düsseldorf. Die privatärztliche Praxis hat eigenes medizinisches Personal und eigene Abrechnungen. Hier wird die privatärztliche Praxis aufgrund der örtlichen und organisatorischen Trennung einen eigenen Teilbetrieb darstellen.

     

    2.3 Erworbener und im Wesentlichen unveränderter Teilbetrieb

    Der BFH (26.6.12, VIII R 22/09, PFB 12, 285) hatte in Erweiterung seiner Rechtsprechung eine dritte Fallgruppe eingeführt. In dem Streitfall hatte ein Steuer­berater, der an einem Standort bereits seine Kanzlei betrieb, an einem anderen Standort (20 km entfernt) eine weitere Kanzlei von einem anderen Steuerberater erworben und diese im Wesentlichen unverändert fortgeführt. In diesem Fall war es laut BFH für den Steuerberater möglich, diesen „­neuen“ Standort als begünstigen Teilbetrieb zu veräußern, wenn er diesen personell und organisatorisch im Wesentlichen in dem Zustand veräußert hat, in der er ihn erworben hat. Die räumliche Entfernung zwischen den Standorten sollte in diesem Fall keine Rolle mehr spielen. Als weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach der dritten Fallgruppe ist es (wie bisher auch schon) notwendig, dass der Veräußerer seine Tätigkeit im örtlichen Wirkungskreis des veräußerten Standorts vollständig einstellt.

     

    • Beispiel

    Ein Arzt betreibt im Süden Kölns bereits eine eigene Praxis. Er erfährt, dass sein direkter Konkurrent in der Nachbarschaft (10 km entfernt) seine Praxis veräußern will. Der Arzt erwirbt diese Praxis und führt diese mit gleichem Personal als Zweigpraxis unverändert fort. Da sich der Standort jedoch wirtschaftlich nicht so stark entwickelt, wie erhofft, veräußert er den Standort nach fünf Jahren wieder und stellt seine Tätigkeit an dem Standort wieder ein. Seine ursprüngliche Praxis betreibt er jedoch weiter. In diesem Fall wird die Veräußerung bei strikter Einhaltung der organisatorischen Trennung (siehe hierzu im Folgenden) voraussichtlich steuerbegünstigt sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Als Indiz für die Einstellung der Tätigkeit in dem örtlichen Wirkungskreis hat der BFH das Vorliegen eines Konkurrenzverbots angesehen, wenn die hierin vereinbarten Vertragsstrafen durch die Erwerber nicht eingeklagt wurden. Dies gewährleiste lt. BFH auch für die Zukunft eine eindeutige räumliche und tatsächliche Trennung der Einzugsgebiete der Standorte - auch dann, wenn sich diese vorher überschnitten haben. Ein solches Konkurrenzverbot muss daher auch aus Sicht des veräußernden Arztes nicht nur negativ sein.

     

    3. Konsequenzen für die Errichtung von Zweigpraxen

    Mit Einführung dieser dritten Fallgruppe eröffnet der BFH gerade für Ärzte neue Möglichkeiten, Zweigpraxen in räumlicher Nähe zum Hauptstandort steuerbegünstigt zu veräußern. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz wurde zur Verbesserung der medizinischen Versorgung die Gründung von Zweigpraxen erheblich vereinfacht. Immer mehr Ärzte nutzen diese Möglichkeiten, um neue Budgets und neue Märkte zu erschließen. Mit der Änderung der Rechtsprechung wird es nun Ärzten ermöglicht, eigene Standorte von veräußernden Kollegen in ihrer Nachbarschaft zu erwerben, diese weiter zu betreiben und dann nach einer gewissen Zeit steuerbegünstigt wieder zu veräußern. Die wesentliche Voraussetzung hierbei ist jedoch, dass die neu erworbenen Praxen möglichst unverändert fortgeführt werden und keine Vermischung mit der ursprünglichen Praxis bzw. einem bereits vorhandenen Standort stattfindet.

     

    Hierfür müssen insbesondere die folgenden Punkte beachtet werden:

     

    • Die Patientenstämme müssen soweit wie möglich unabhängig voneinander bleiben. Die Hinzugewinnung neuer Patienten am neuen Standort ist zwar unschädlich, wenn die Patienten aus räumlichen Gründen zum neuen Standort kommen. Sie kann jedoch schädlich sein, wenn der Arzt Patienten seines alten Standorts gezielt zu dem neuen Standort schickt.

     

    • Die Gewinne der Praxis sollten standortbezogen ermittelt und aufgezeichnet werden.

     

    • Die Praxisorganisation sollte getrennt nach Standorten erfolgen. Insbesondere das Personal sollte standortbezogen arbeiten und nicht je nach Bedarf verschoben werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach Ansicht des BFH (26.6.12, VIII R 22/09, PFB 12, 285) ist die Nutzung freier Kapazitäten an dem neuen Standort unschädlich. Das heißt, das medizinische Personal eines Standorts kann für kurze Zeit auch zur besseren Arbeitsverteilung zwischenzeitlich an einem anderen Standort arbeiten.

     

    4. Umsatzsteuerliche Auswirkungen

    Bei der Beurteilung der Frage, ob bei einer teilweisen Veräußerung des Unternehmensvermögens eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, ist durch den BFH (29.8.12, XI R 10/12, DStR 13, 250) entschieden worden, dass ein „gesondert geführter Betrieb“ im Sinne einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht zwingend einen ertragsteuerlichen Teilbetrieb voraussetzt. Hierfür soll vielmehr lediglich entscheidend sein, ob das übertragene Vermögen als „hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht“ und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Nicht erforderlich ist hingegen die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen. Andererseits wird es jedoch problematisch, wenn ein Praxiswert oder eine KV-Zulassung außerhalb einer vollständigen Praxisübertragung (oder des Verkaufs eines gesondert geführten Standorts einer BAG) entgeltlich übertragen werden. Als Folge hieraus kann die Veräußerung nun zur Umsatzsteuerpflicht führen.

     

    • Beispiel

    Dr. A. (60 Jahre) ist Inhaber einer vertrags- und privatärztlichen Einzelpraxis. Er plant die Übertragung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit auf eine MVZ-GbR, um dort als angestellter Arzt tätig zu werden. Hierfür erhält er als Gegenleistung einen 10 %igen Anteil an der MVZ-GbR. Seine umfangreiche privatärztliche Tätigkeit setzt er mit eigenen Geräten und Personal weiter auf eigene Rechnung fort. Da der Arzt nicht seine gesamte Praxis auf die MVZ-GbR überträgt, stellt die Übertragung des „kassenärztlichen Praxiswertes“ eine steuerpflichtige Leistung dar. Der Verkauf unterliegt somit der 19 %igen Umsatzsteuer.

     

    5. Fazit

    Überlegt der Mandant, ob er einen weiteren Standort eröffnen will, sollte der Steuerberater bereits bei den Erwerbsverhandlungen eingebunden werden, um von Anfang an die notwendigen Schritte der organisatorischen Fortführung des erworbenen Standorts mit beeinflussen zu können. Nur bei möglichst strikter Trennung der Patientenstämme und einer möglichst unveränderten Fortführung des Standorts können Ärzte von den neu eingeführten Möglichkeiten später profitieren.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Einkommensteuer: Begünstigter Veräußerungsgewinn bei Teilpraxisveräußerung eines Steuerberaters (Kratzsch, PFB 13, 121)
    • Umsatzsteuer: Die Übertragung des Praxiswerts als Steuerfalle (Kreft, PFB 12, 209)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 152 | ID 37496450

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