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  • · Fachbeitrag · Stundenverrechnungssätze

    Aktueller Überblick: Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung

    | Bei der Inzahlungnahme eines unreparierten, aber nicht von einem Totalschaden betroffenen Fahrzeugs stellt sich auch für die Werkstatt die Frage der fiktiven Abrechnung. Da tobt der Kampf um die dabei anzusetzenden Stundensätze. Die BGH-Vorgaben sind im Grundsatz klar, in den Details ist die Rechtsprechung jedoch sehr unterschiedlich. |

    Die BGH-Vorgaben

    Nach wie vor ist der Maßstab für jedes im Haftpflichtfall unfallbeschädigte Fahrzeug im ersten Denkschritt der Stundenverrechnungssatz der Marke am Ort. Und für Fahrzeuge, die nicht älter als drei Jahre sind und auch für ältere Fahrzeuge, die bisher konsequent in Werkstätten der Marke zur Wartung und Reparatur waren, bleibt es auch dabei.

     

    Bei anderen Fahrzeugen jedoch kann der Versicherer auf eine gleichwertige und „mühelos erreichbare“ andere - auch freie - Werkstatt verweisen, aber nur auf deren Aushangpreise. „Versicherungsspezialpreise“ bleiben außen vor (BGH, Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09; Abruf-Nr. 093676).

    Der Streit um die Gleichwertigkeit

    Zur Beurteilung der Gleichwertigkeit gibt der BGH den Instanzgerichten alle Freiheiten. Er hat einen Fall entschieden, bei dem es um einen Blechschaden an einem acht Jahre alten BMW ging.

     

    Der Vortrag des Versicherers zur Gleichwertigkeit beschränkte sich auf die Informationen, die drei im Prüfbericht genannten Werkstätten seien Mitglied im Zentralverband Karosserie und Fahrzeugtechnik, sie seien zertifizierte Meisterbetriebe für Karosserie- und Lackierarbeiten, deren Qualitätsstandard regelmäßig vom TÜV oder von der DEKRA kontrolliert werde. Es fänden ausschließlich Originalersatzteile Verwendung und die Kunden erhielten mindestens drei Jahre Garantie. Das hatte dem Berufungsgericht gereicht, und der BGH (Urteil vom 23.2.2010, Az. VI ZR 91/09; Abruf-Nr. 101686) hat das nicht beanstandet.

     

    PRAXISHINWEIS | Es ist leicht zu erkennen, dass es sich hier um die Kriterien handelt, bei deren Erfüllung im ZKF organisierte Karosseriebetriebe die dortige Premiummarke „EUROGARANT“ tragen dürfen. Seither benennen die Versicherer regelmäßig EUROGARANT-Betriebe und verweisen auf diese Kriterien und das BGH-Urteil.

    Mehrheitlich genügt den Gerichten der Vortrag der Versicherer wie in der BGH-Entscheidung. Manchen Amtsgerichten aber ist das zu wenig:

     

    • Einzelne Richter zum Beispiel vom AG Berlin-Mitte und vom AG Düsseldorf lehnen es trotz der BGH-Rechtsprechung rundweg ab, auf Betriebe außerhalb der Markenkette zu verweisen. Darauf zu bauen, ist aber gefährlich, wenn die streitige Differenz die Berufungsgrenze von 600 Euro überschreitet. Es besteht die Gefahr, dass man als Kläger dann eine Instanz später und entsprechend teurer verliert, wenn das der einzige Ansatzpunkt ist.

     

    • Andere Gerichte wollen einen intensiveren Vortrag des Versicherers zur Lehrgangsteilnahme von Mitarbeitern hinsichtlich der zu reparierenden Fahrzeugmarke oder einen Vortrag dazu, wie viele Fahrzeuge der Marke in der Vergangenheit dort repariert wurden.

     

    • Wieder anderen Gerichten genügt es nicht, dass ein Versicherer eine Werkstatt nur benennt. Stattdessen wollen sie einen auf das Fahrzeug bezogenen Kostenvoranschlag der benannten Werkstatt sehen.

    Die „mühelose Erreichbarkeit“

    Eine weitere Streitfrage ist, wie weit die Verweiswerkstatt denn entfernt sein darf.

     

    In der oben benannten Entscheidung - der Geschädigte hatte seinen Sitz in Frankfurt/Main - sagt der BGH lapidar, alle benannten Werkstätten seien im Umfeld von Frankfurt angesiedelt, was zumutbar sei. Allzu eng darf man das also nicht sehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Vor allem muss auch die Entfernung des Geschädigten zum Markenbetrieb im Vergleich gesehen werden. Auf dem Land ist es nicht selten so, dass der Karosseriebetrieb näher liegt als die Markenwerkstatt in der nächsten Stadt.

    Es gibt jedoch auch vereinzelte Urteile, die die Entfernung als Zumutbarkeitskriterium ausblenden, wenn der Verweisbetrieb einen Hol- und Bringservice bietet.

    Flickenteppich der Rechtsprechung

    Weil die Gleichwertigkeit und die Zumutbarkeit Begriffe sind, die der jeweilige Richter mit wertendem Inhalt füllen muss, haben wir zur Frage der Stundenverrechnungssätze bei der fiktiven Abrechnung eine Rechtsprechung, die ähnlich der Mietwagenthematik ein bunter Flickenteppich ist.

     

    Beachten Sie | Halbwegs verlässliche Vorhersagen, wie ein Verfahren ausgehen wird, kann also nur ein Rechtsanwalt machen, der die Rechtsprechung vor Ort im Detail kennt.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 6 | ID 37304780