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  • · Fachbeitrag · Verbrauchsgüterkauf

    Kein Fristsetzungserfordernis beim Verbrauchsgüterkauf

    Beim Verbrauchsgüterkauf muss der Verbraucher als Käufer einer mangelhaften Sache vor dem Rücktritt lediglich erfolglos die Nacherfüllung verlangt und eine angemessene Frist abgewartet haben. Das Setzen einer Frist ist entgegen §§ 437, 439, 440, 323 BGB - auch ohne das Vorliegen besonderer Umstände - nicht erforderlich. § 323 BGB ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 Verbrauchsgüterkauf-RL dahingehend richtlinienkonform auszulegen (LG Stuttgart 8.2.12, 13 S 160/11, Abruf-Nr. 121460).

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach Rücktritt von einem Möbelkauf verlangt die Kl. Rückerstattung ihrer Anzahlung. Bei Anlieferung der Polstergarnitur hatte sie Mängel entdeckt und die Restkaufpreiszahlung verweigert. Die Transportfirma nahm die Möbel wieder mit. Nach einigem Hin und Her - inzwischen waren sechs Wochen vergangen - erklärte der Anwalt der Kl. den Rücktritt vom Kauf. Ein Warten auf die Ersatzlieferung sei nicht länger zumutbar. Das AG hat der Klage stattgegeben. Seiner Ansicht nach ist eine Fristsetzung wegen Unzumutbarkeit entbehrlich gewesen. Dieser Bewertung ist das LG nicht gefolgt, hat die Berufung des Möbelhauses aber mit dem - weitergehenden - Argument zurückgewiesen, einer Fristsetzung zur Nacherfüllung habe es aus Gründen der EU-Kaufrechts-Richtlinie grundsätzlich nicht bedurft. Der abweichenden Auffassung des nationalen Gesetzgebers wie des BGH sei nicht zu folgen.

     

    Praxishinweis

    Das sehr bemerkenswerte LG-Urteil betrifft zwar einen Möbelkauf, ist aber auch für den Verkehrsrechtler von großer Bedeutung (Fahrzeugkauf, Zubehörkauf). Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform 2002 hat man Rückritts- und Minderungsklagen von Verbrauchern in ständiger Rechtspraxis mit der Begründung abgewiesen, es fehle die erforderliche (Nach)Fristsetzung. Der BGH hat diese Judikatur, die von der Wissenschaft nahezu einhellig abgelehnt wird, stillschweigend gebilligt (zuletzt Urteil vom 13.7.11, VA 11, 163), die Anforderungen an die Fristsetzung freilich abgesenkt (NJW 09, 3153 - „umgehend“).

     

    Falls die zugelassene Revision durchgeführt wird, darf man gespannt sein, wie der VIII. ZS sich aus der Affäre ziehen wird (Vorlage an den EuGH? Zurückweisung der Revision aus Gründen einzelfallbezogener Frist-Entbehrlichkeit?). Bis dahin tun Verbraucher-Anwälte in Fällen versäumter (und nicht mehr nachholbarer) Fristsetzung gut daran, sich die Ansicht des LG Stuttgart und der h.L. zu eigen zu machen und nur hilfsweise einen der zahlreichen Entbehrlichkeitstatbestände ins Feld zu führen. Sinn macht das allerdings nur im Bereich B2C und dies auch nur beim Rücktritt und der Minderung, nicht beim Schadenersatz statt der Leistung, denn insoweit besteht keine Richtlinienvorgabe. Interessant ist das LG-Urteil auch in puncto Angemessenheit der Frist. Diese muss zwar nicht gesetzt, aber abgelaufen sein, bevor der Rücktritt oder die Minderung erklärt werden. Beim Möbelkauf sollen es für die Ersatzlieferung max. vier Wochen sein. Zum Kfz-Kauf s. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 902 ff., 3524 ff.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2012 | Seite 91 | ID 33644360