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  • · Fachbeitrag · Krankenhausrecht

    LSG: Mindestmengen für Knie-TEPs unzulässig!

    von Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Jahr 2006 eingeführte Mindestmenge von 50 Eingriffen für die Durchführung von Kniegelenks-Totalendoprothesen (Knie-TEP) ist unwirksam. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 17. August 2011 (Az: L 7 KA 77/08 KL, Abruf-Nr. 112966 ) entschieden. Chefärzte an Kliniken, die aufgrund der Mindestmengen-Regelung in ihrem Leistungsangebot beschränkt sind, können somit wieder auf eine Ausweitung ihres Spektrums drängen. |

    Der Fall

    Zum Jahr 2006 hat der G-BA eine Regelung eingeführt, nach der Kliniken nur noch dann zur Durchführung von Knie-TEPs berechtigt sind, wenn sie mindestens 50 dieser Eingriffe pro Jahr durchführen. Nach der gesetzgeberischen Intention sollen durch Mindestmengen, die beispielsweise auch für bestimmte Transplantations-Eingriffe oder die Versorgung von Frühgeborenen gelten, hohe Qualitätsstandards gesichert werden. Gegen diese Regelung wandte sich eine Brandenburger Klinik, die sich ungeachtet der festgelegten und von ihr nicht erreichten Mindestmenge in der Lage sah, die Leistung durch spezialisierte Ärzte in qualitativ hochwertiger Weise zu erbringen. Der Klage gab das LSG Berlin-Brandenburg nunmehr erstinstanzlich statt.

    Die Entscheidung

    Nach der bislang vorliegenden Pressemitteilung äußert das LSG bereits erhebliche Bedenken an dem Verfahrensablauf, der der Einführung der Mindestmengen für Knie-TEPs vorausgegangen war. So hatte der G-BA zwar 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einem Gutachten über einen Schwellenwert für Knie-TEPs beauftragt, die Mindestmenge dann aber bereits im August 2005 festgelegt, ehe das entsprechende Gutachten vorlag. Insbesondere stützt das LSG seine Entscheidung aber darauf, dass die vom Gesetz ausdrücklich geforderte „besondere Abhängigkeit“ der Leistungsqualität von der Leistungsmenge nicht hinreichend belegt sei. Der primäre Indikator „postoperative Beweglichkeit“ sei untauglich, weil das vorliegende statistische Material hier sogar darauf hindeute, dass ab einer bestimmten Schwelle das Behandlungsergebnis sogar schlechter werde, wenn die Anzahl der Eingriffe steige.

     

    Anmerkungen

    Das LSG wies ausdrücklich darauf hin, dass die Entscheidung für alle Akteure des Gesundheitswesens - nicht nur für die klagende Brandenburger Klinik - verbindlich sei. Diese Feststellung ist freilich wenig aussagekräftig, da der G-BA bereits angekündigt hat, Revision einzulegen. Es wäre wünschenswert, wenn das Bundessozialgericht zeitnah über die nach wie vor sehr strittige Frage, ob Mindestmengen ein geeignetes Mittel zur Qualitätssicherung bzw. -steigerung sind, entscheiden würde. Dadurch wird zwar - je nach Sichtweise - keine Gerechtigkeit, jedenfalls aber Rechtssicherheit eintreten.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2011 | Seite 8 | ID 28814050