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· Fachbeitrag · Sozialhilferegress

Mit dieser Vereinbarung spart die Oma für ihre Enkel und nicht fürs Sozialamt

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht- und Familienrecht, Limburg a. d. Lahn

| Für viele Großeltern ist es ein Bedürfnis, für ihre Enkel Vorsorge in Form von Ratenzahlungen auf Sparpläne und Ähnliches zu leisten. Verarmen die Großeltern und müssen Sozialleistungen in Anspruch nehmen, stellt sich die Frage, ob die Ratenzahlungen Schenkungen sind, die ein Sozialhilfeträger per Regress zurückfordern kann. Über diese Frage musste das OLG Celle entscheiden. |

 

Sachverhalt

Eine Großmutter (G) hatte für ihre beiden Enkel ab deren Geburt jeweils ein für 25 Jahre angelegtes Sparkonto eröffnet. Darauf hatte sie jeweils monatlich 50 EUR eingezahlt. G hatte selbst eine Rente von etwa 1.250 EUR monatlich. Als sie in eine Pflegeeinrichtung zog, musste sie Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Das Sozialamt verlangte daraufhin von den Enkeln, die gezahlten Sparraten der letzten zehn Jahre gemäß § 529 BGB zurückzuzahlen.

 

Entscheidungsgründe

Das OLG Celle verurteilte die Enkel entsprechend (13.2.20, 6 U 76/19, Abruf-Nr. 214678).

 

Die in Rede stehenden Ratenzahlungen erfolgen freigiebig und im beiderseitigem Bewusstsein, dass sie unentgeltlich sind. Dann stellen sie eine Schenkung dar. Dass G sich durch diese Leistungen vielleicht auch Zuwendung von ihren Enkeln erhofft hat, ändert daran nichts. Die in aller Regel bei diesen Fällen noch minderjährigen Enkel können das Zugewendete ohne Weiteres und damit wirksam annehmen, denn mit ihm sind nur rechtliche Vorteile verbunden.

 

Liegt nach alldem eine wirksame Schenkung vor, dann kann diese bei Verarmung der G auch Gegenstand der Rückforderung im Wege des Sozialhilferegresses sein.

 

Der Anspruchsübergang wird von der Behörde über § 93 SGB XII bewirkt. Anschließend erfolgt die Forderung auf Rückzahlung gemäß § 528 BGB wegen Verarmung der geschenkt habenden G. Für die Enkel bleibt dann nur die Frage, ob der Widerruf gesetzlich ausgeschlossen sein kann.

 

  • Dies kann der Fall sein, wenn eine Pflicht- oder Anstandsschenkung vorliegt (§ 534 BGB). Eine Pflichtschenkung ist anzunehmen, wenn die Schenkung geradezu sittlich geboten ist, zum Beispiel eine Entlohnung für unter großen Entbehrungen erbrachte Pflegeleistungen (BGH NJW 86, 1926). Derartige Voraussetzungen liegen hier augenscheinlich nicht vor.

 

  • Bleibt der Einwand einer Anstandsschenkung. Sie soll vorliegen, wenn sie nach den Anschauungen der sozialen Gruppe des Schenkers nicht unterbleiben kann, ohne dass der Schenker an Achtung und Ansehen verliert (BGH NJW 81, 111). Hierunter werden üblicherweise kleinere Gelegenheitsgeschenke und gängige Geschenke unter Verwandten gezählt.
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  • Unter die Anstandsschenkung können auch bei außerordentlich guten finanziellen Verhältnissen recht wertvolle Gegenstände zu zählen sein, wie zum Beispiel eine Yacht (OLG Düsseldorf ZEV 17, 328). Allerdings ist vorgenanntes Urteil eine extreme Einzelfallentscheidung gewesen, noch dazu auf dem Hintergrund des § 2287 BGB. Es ist daher kaum verallgemeinerungsfähig.

 

Im konkreten Ausgangsfall hat das OLG Celle darauf abgezielt, dass die regelmäßigen Zuwendungen der G bewusst und geplant dem Vermögensaufbau der Enkel gedient haben. Dies schließe die Annahme einer Anstandsschenkung aus. Daher unterliege die Schenkung dem Zugriff des Sozialhilfeträgers. Die Entscheidung stammt vom 13.2.20, dürfte also nicht von dem Gedanken beeinflusst sein, dass der Staat in Corona-Zeiten Geld brauchen wird.

 

Relevanz für die Praxis

Für viele betroffene Großeltern und sonstige Schenker stellt sich bei alldem die Frage, wie eventuell der Zugriff des Sozialhilfeträgers verhindert werden kann. Denkbar wäre eine Vereinbarung mit den Eltern der Enkel, also im Zweifel eine Vereinbarung der Großeltern mit den eigenen Kindern. Danach würden die Ratenzahlungen im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter Leistungen ausgleichen, die die Eltern für die Großeltern erbringen. Die Raten könnten das Entgelt für Leistungen sein, die zum Beispiel üblicherweise auf der Grundlage einer Vorsorgevollmacht erbracht werden. Beispiel: Kommunikation mit Behörden, Versicherungen, Gerichten, die Organisation von Hilfen, Fahrten zum Arzt und Einkaufen, Handreichungen aller Art, Vertragsabschlüsse, Besuche zu Hause oder im Heim etc.

 

Musterformulierung /= Vertrag zugunsten der Enkel

Meine Tochter T und ihr Ehemann M erbringen für mich regelmäßig zahlreiche Leistungen wie sie üblicherweise in einer Vorsorgevollmacht vorgesehen sind. Als Entgelt dafür verpflichte ich mich, die monatlichen Sparraten für meine beiden Enkel X und Y für die Sparpläne bei der B-Bank zu übernehmen. Diese Vereinbarung ist für beide Seiten mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zu jedem Quartalsende kündbar.

 

Geht es um Enkel von getrennt lebenden Eltern, muss aufgepasst werden, dass beide Elternteile die Vereinbarung mit G abschließen. Nach § 1687 BGB ist bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für ein Kind gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Die Anlage von Kindesvermögen wird als von erheblicher Bedeutung bewertet (Gottschalk in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, erste Auflage 2015 § 1687 BGB Rn. 14).

 

Grundsätzliche Bedenken gegen eine solche Vereinbarung sollte es nicht geben, wenn sich ein entsprechender tatsächlicher Hintergrund darstellen lässt. Dies wäre wohl auch bei größeren Entfernungen der Beteiligten möglich, wenn die Eltern z. B. für die Großeltern Leistungen dergestalt erbringen, dass sie Schriftverkehr mit allen möglichen Institutionen etc. führen. Es sei in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass bei der Vorsorgevollmacht zusätzlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen werden kann, der auch eine Vergütungsregelung enthält. Eine Vorsorgevollmacht ist aber, um dies klarzustellen, nicht unbedingt die Voraussetzung für eine Vereinbarung wie oben. Es sollte auch ohne gehen. Es sollte auch rückwirkend möglich sein, so ist zum Beispiel die nachträgliche Honorierung von Pflegeleistungen anerkannt (Ruby, Zerb 04, 46). Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein zunächst voll unentgeltliches Geschäft nachträglich in ein voll entgeltliches Geschäft umgewandelt werden (BGH FamRZ 89, 732).

 

FAZIT | Den Versuch, den Sozialhilfeträgerzugriff wie oben beschrieben, durch eine Vereinbarung zu verhindern, ist es allemal wert. Da es aber bisher keine einzige einschlägige Gerichtsentscheidung gibt, lässt sich allerdings keine Garantie geben, ob und inwieweit die Vereinbarung Stand hält.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Aufgepasst: Fehlender Trauschein schützt nicht vor Sozialhilferegress: Nolting, SR 15, 134
  • Barbetrag ‒ Vererblichkeit ‒ Sozialhilferegress: Stein, SR 18, 134
  • Schenkungsrückforderung wegen Verarmung des Schenkers versus Notlage des Beschenkten: Liceni-Kierstein, VK 17, 208
Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 132 | ID 46584415