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· Fachbeitrag · Praxisfall

Barbetrag ‒ Vererblichkeit ‒ Sozialhilferegress

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht und Familienrecht, Limburg/Lahn

| In einem früheren Beitrag ( SR 13, 42 f.) ist bereits dargestellt worden, dass ein angesparter Barbetrag zum Vermögen seines Beziehers wird mit der Konsequenz, dergestalt angesparte Barbetragssummen sind vererblich. Allerdings wird dieser Umstand in der Praxis anscheinend immer noch viel zu selten beachtet. Die Sozialämter fordern aufgelaufene Barbeträge nach dem Tod untergebrachter Personen zurück, die Einrichtungen kommen diesbezüglichen Forderungen offenbar widerspruchslos nach. |

1. Gesetzliche Grundlagen

Hilfen zum Lebensunterhalt während des Aufenthaltes in Einrichtungen sind für bedürftige Personen u. a. in § 27b SGB XII geregelt. Darüber hinaus benötigen betreute Personen aber zur Befriedigung einiger laufender persönlicher Bedürfnisse einen gewissen Barbetrag. Diesen regelt § 27b Abs. 2 S. 2 SGB XII. Per Gesetz ist ein Mindestbetrag vorgesehen, bei dem aber überprüft werden muss, ob er im Einzelfall tatsächlich ausreicht. Anerkannt ist, angesparter Barbetrag ist Vermögen der betreffenden Person, damit ist es grundsätzlich auch für die Unterbringungszwecke einsetzbar (OVG Lüneburg FEVS 56, 380). Hierbei ist aber zu beachten, dass es eine neue Schonvermögensgrenze seit 1.4.17 von 5.000 EUR gibt. Darunter muss ein angesparter Barbetrag nicht eingesetzt werden.

2. Der Fall eines Lesers

Das sich Sozialämter um diese klaren rechtlichen Grundlagen offenbar nicht scheren, zeigt der Fall eines Lesers von SR. Er wurde nach dem Tod seiner Mutter deren Erbe. Die Mutter war vor ihrem Tod untergebracht in einem Altenpflegeheim. Kosten der Unterbringung trug das Sozialamt. Daneben erhielt sie den gesetzlichen Barbetrag. Als es vom Tod der Mutter des Lesers erfuhr, schrieb das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald dem Altenpflegeheim folgendes Schreiben:

 

  • Schreiben des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

vielen Dank für die Mitteilung über das Versterben von Frau ... Gemäß unserer Berechnung ist Frau ... im Sterbemonat Selbstzahlerin. Bitte überweisen Sie uns den bereits für den Sterbemonat überwiesenen Barbetrag an uns zurück. Sollte auf dem Barbetragkonto der Frau ... nicht verbrauchter Barbetrag vorhanden sein, überweisen Sie und bitte diesen ebenfalls auf eines unserer Konten.

 

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Die Heimleitung erkundigte sich auf das Schreiben hin noch einmal telefonisch beim Landratsamt. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass der Barbetrag tatsächlich dem Sozialamt zustehen würde.

 

Daraufhin informierte das Altenpflegeheim unseren Leser, dass es aufgrund der Auskunft des Landratsamts den restlichen Barbetrag an das Sozialamt überwiesen habe.

3. Rechtslage

In unserer Rechtsordnung gilt der Grundsatz, wer etwas mit Recht fordern will, muss dafür eine Anspruchsgrundlage haben. Eine solche Anspruchsgrundlage gibt es aber für die Forderungen der Sozialämter nicht. Werden Barbetragssummen gleichwohl an Sozialämter zurückgezahlt, so sind diese insoweit ungerechtfertigt bereichert und zur Herauszahlung an die Erben, Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger etc. verpflichtet. Der Einwand der Entreicherung kommt für Sozialämter nicht in Betracht.

 

Beachten Sie | Ausgenommen sind jedoch Barbeträge, die nach dem Tod einer untergebrachten Person noch ausgezahlt worden sind, z. B. weil sich die Auszahlung nicht mehr hat rechtzeitig stoppen lassen. Für alle anderen zu Lebzeiten erbrachten Barbetragszahlungen gilt die vorstehend dargestellte Rechtslage.

 

PRAXISTIPP | Erben, Testamentsvollstreckern, Nachlasspflegern etc. kann nur geraten werden, wenn dagegen verstoßen wird, Klage vor dem Zivilgericht gegen das Sozialamt aus ungerechtfertigter Bereicherung zu erheben. Zwar sind noch immer keine einschlägigen Gerichtsurteile bekannt, an der dargestellten Rechtslage gibt es aber keine Zweifel.

 

4. Kostenersatzpflicht der Erben

Eine ganz andere Frage ist diejenige, ob die Sozialämter die Erben nach § 102 SGB XII zum Kostenersatz heranziehen können.

 

Der Erbe einer leistungsberechtigten Person oder ihres Ehegatten oder ihres (eingetragenen) Lebenspartners kann zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet sein. Die Ersatzpflicht besteht nur für die Sozialhilfekosten innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren vor dem Erbfall. Die Ersatzpflicht besteht nicht für während des Getrenntlebens der Ehegatten oder (eingetragenen) Lebenspartners geleistete Sozialhilfe. Keine Haftung tritt ein für die leistungsberechtigte Person (also den Sozialhilfebezieher), wenn er seinen Ehegatten oder (eingetragenen) Lebenspartner beerbt. Durch das Erbe kann nur die Sozialhilfebedürftigkeit für die Zukunft entfallen.

 

Die solchermaßen eintreten könnende Ersatzpflicht ist Nachlassverbindlichkeit, der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlass.

 

Der Anspruch auf Kostenersatz ist nicht geltend zu machen, soweit

 

  • 1. der Wert des Nachlasses unter dem dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII liegt (es handelt sich um eine Freibetragsregelung unter Bezugnahme auf die Regelbedarfsstufe, sodass sie sich automatisch nach oben anpasst, sie liegt aktuell bei 2.496 EUR);

 

  • 2. der Wert des Nachlasses unter 15.340 EUR liegt, wenn der Erbe, der Ehegatte oder (eingetragene) Lebenspartner der leistungsberechtigten Person oder mit dieser verwandt ist und nicht nur vorübergehend bis zum Tod in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie gepflegt hat;

 

  • 3. die Inanspruchnahme des Erben nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde.

 

Diese gesetzliche Regelung ist nicht ganz einfach zu verstehen. Im Zusammenhang mit dem Barbetrag lässt sich Folgendes festhalten:

 

  • Unterhalb des Freibetrags von 2.496 EUR gilt die Freibetragsregelung, insoweit also keine Heranziehung von Erben.

 

  • Angesammelte Barbetragssummen von über 5.000 EUR dürfte es rein rechtlich nicht geben, denn was über 5.000 EUR hinausgeht, ist von der untergebrachten Person selbst für ihre Zwecke wieder einzusetzen.

 

  • Damit geht es um den Bereich zwischen 2.496 EUR Freibetrag und 5.000 EUR Schonvermögen. Genau in diesem Bereich besteht die Gefahr der Heranziehung, die dann wiederum ausscheidet, wenn die oben geschilderte Fallgestaltung mit dem besonderen Freibetrag von 15.350 EUR greift oder eine besondere Härte anzunehmen ist.
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  • Dabei ist die besondere Härte ein unbestimmter Rechtsbegriff, für seine Annahme müssen schon besondere Voraussetzungen erfüllt sein. Wird eine besondere Härte angenommen, führt dies nicht dazu, dass der Erbe überhaupt nicht zum Kostenersatz herangezogen werden kann, es ist dann vielmehr zu prüfen, in welchem Umfang die Heranziehung nicht erfolgen soll.

 

Liegen die Voraussetzungen des § 102 SGB XII vor und ist kein Haftungsausschluss nach Abs. 3 der Vorschrift gegeben, muss das Sozialamt Kostenersatz fordern, bei seiner Entscheidung ist ihm kein Ermessensspielraum eingeräumt. Die Kostenersatzhaftung ordnet das Gesetz für den oder die Erben an. Wer Erbe ist, bestimmt sich nach dem BGB. Miterben haften grundsätzlich als Gesamtschuldner. Der Vermächtnisnehmer ist kein Erbe, daher haftet dieser nicht (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 102 SGB XII Rn. 8).

 

PRAXISTIPP | Wenn die Bezieher von Barbeträgen noch ihre Testierfähigkeit besitzen, sollte unbedingt an testamentarische Gestaltungen gedacht werden, die der Haftungseinschränkung auf Erben Rechnung tragen.

 
Quelle: Ausgabe 08 / 2018 | Seite 134 | ID 45350532