· Fachbeitrag · Werbungskosten
Erzieherin kann Arbeitszimmer geltend machen
von Dipl.-Volkswirt Günter Göbel, Würzburg
| Eine Erzieherin, die im häuslichen Arbeitszimmer ihre Tätigkeit vor- und nachbereitet, kann Kosten für ein Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 Euro geltend machen, wenn ihr während der Dienstzeit kein entsprechender Raum zur Verfügung steht. Diese Auffassung vertritt das FG Sachsen. |
Der Erzieherinnen-Fall vor dem FG Sachsen
Im konkreten Fall hatte eine Erzieherin Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer geltend gemacht. Sie hatte argumentiert, sie brauche das häusliche Arbeitszimmer, um dort Vor- und Nachbereitungsarbeiten zu erledigen. Die Arbeiten wie z. B.
- die Vorbereitung von Bastelarbeiten,
- die Vorbereitung von Gestaltungsübungen,
- die Vor- und Nachbereitung von Elterngesprächen oder
- das Erstellen von Entwicklungsberichten
könne sie während der Dienstzeit nicht leisten. Ein geeigneter Arbeitsplatz, den sie nach den Dienstzeiten für diese Tätigkeiten nutzen könne, stehe ihr nicht zur Verfügung.
Das Finanzamt lehnt den Abzug ab, weil der Erzieherin in den Räumen der Kindertagesstätte ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. So setze der Begriff „Arbeitsplatz“ keine räumliche Abgeschlossenheit voraus. Auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teile, könne ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung sein.
FG Sachsen gewährt Arbeitszimmerabzug
Das FG Sachsen hat der Klage der Erzieherin stattgegeben und 1.250 Euro Werbungskosten für das häusliche Arbeitszimmer anerkannt (FG Sachsen, Urteil vom 10.09.2020, Az. 3 K 1276/18, Abruf-Nr. 223916). Es zieht dafür im Wesentlichen zwei Argumente heran.
Wann steht ein „anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung?
Ein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind nicht zu stellen.
Der andere Arbeitsplatz steht allerdings nur dann „für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung“, wenn ihn der Steuerzahler im konkret erforderlichen Umfang und der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob der ‒ an sich vorhandene ‒ andere Arbeitsplatz tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht (BFH, Urteil vom 07.08.2003, Az. VI R 17/01, Abruf-Nr. 032276).
Ob ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist für das FG folglich tätigkeitsbezogen zu beantworten. Entscheidend ist, ob der „andere Arbeitsplatz“ objektiv geeignet ist, der beruflichen Tätigkeit dort nachzugehen. Das war hier aus folgenden Gründen nicht der Fall:
- Ein büromäßig ausgestatteter Arbeitsplatz, an dem sie Schuleignungsprofile der betreuten Kinder sowie Vor- und Nachbereitungsarbeiten durchführen konnte, war ihr vom Arbeitgeber nicht zugewiesen worden.
- Die Kita verfügte nur über einen Computer, der sich im Dienstzimmer der Leiterin befand und von den Erziehern ggf. mitbenutzt werden durfte.
- Auch Räumlichkeiten, in denen Bastelarbeiten vorbereitet oder Portfolios zusammengestellt werden konnten, waren nicht vorhanden.
Wichtig | Somit war es der Erzieherin nach Ansicht des FG unmöglich, die objektiv erforderlichen Tätigkeiten, die über die reine Betreuung von Kindern hinausgehen und mit ihrem Beruf verbunden sind, in der Kita durchzuführen. Um ihrer beruflichen Tätigkeit umfassend nachzukommen, war sie auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen.
Veranlassung durch Einkünfteerzielung genügt für Abzugsfähigkeit
Das FG hat noch eine weitere wichtige Aussage gemacht: Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das Arbeitszimmer genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung. „Die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers für die Tätigkeit ist kein Merkmal des Abzugstatbestandes“, so das FG unter Berufung auf das BFH-Urteil (vom 03.04.2019, Az. VI R 46/17, BFH/NV 2019, 903, Abruf-Nr. 210079).
FAZIT | Die Entscheidung des FG ist rechtskräftig. Inwieweit die Finanzämter sie in der Praxis umsetzen, bleibt abzuwarten. Ihre Abzugschancen steigen, wenn Sie
|
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Arbeitszimmer: Bei Bereitschaftsdienst winkt 1.250 Euro-Abzug“, SSP 9/2021, Seite 4 → Abruf-Nr. 47553934
- Beitrag „BFH: Stewardess kann häusliches Arbeitszimmer absetzen“, SSP 9/2019, Seite 6 → Abruf-Nr. 46046545
- Sonderausgabe „Arbeitszimmer: So nutzen Sie alle Steuersparchancen“ auf ssp.iww.de → Abruf-Nr. 46823340
- Beitrag „Eigenheimverkauf: Gewinn trotz Arbeitszimmer steuerfrei“, ssp.iww.de → Abruf-Nr. 47534006