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· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

Überblick über die Systematik, Abzugs- und Freibeträge (Teil 1)

von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

| Die persönlichen Freibeträge bei der Erbschaftsteuer sind vielen Senioren bekannt. Doch dass daneben eine Vielzahl weiterer Abzugs- und Freibeträge regelmäßig anzuwenden sind, wissen viele nicht. Um das Erbe optimal und möglichst ohne Steuerbelastung vererben zu können, ist es aber wichtig, die klassischen Abzugs- und Freibeträge zu kennen. In dieser und in der nächsten Ausgabe erhalten Sie daher einen Überblick zur Erbschaftsteuer und sehen, wo Senioren bei der Erbschaftsteuer Abzugs- und Freibeträge erhalten. |

1. Bereicherung des Erwerbers ist steuerpflichtig

Zunächst gilt allgemein der Grundsatz, dass in Erbfällen die Bereicherung des Erwerbers steuerpflichtig ist, soweit keine Steuerbefreiung Anwendung findet (§ 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Die Bereicherung des Erwerbers ist dabei der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert des gesamten Vermögensanfalls die Nachlassverbindlichkeiten (Schulden) abgezogen werden.

 

a) Bewertung der Vermögensgegenstände

Maßgebend für die Bewertung der Vermögensgegenstände ist gemäß § 11 ErbStG der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. Regelmäßig findet daher die Bewertung auf den Todestag statt. Die Bewertung selbst richtet sich nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Deshalb werden Vermögensgegenstände grundsätzlich mit dem gemeinen Wert berücksichtigt (§ 9 BewG). Dies ist der Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des erhaltenen Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.

 

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings einige Ausnahmen. Beispielsweise folgende:

 

  • Erworbener Grundbesitz wird mit dem nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG festgestellten Grundbesitzwert angesetzt.
  • Wertpapiere (z. B. Aktien), die am Todestag an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, werden mit dem niedrigsten am Todestag für sie im regulierten Markt notierten Kurs angesetzt (§ 11 BewG).
  • Bankguthaben und andere Kapitalforderungen sind gemäß § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert anzusetzen.
  • Noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen werden mit dem Rückkaufswert bewertet (§ 12 Abs. 4 BewG).
  • Erhaltene lebenslängliche Nutzungen und Leistungen (z. B. private Renten) sind gemäß § 14 BewG mit ihrem Kapitalwert anzusetzen.

 

PRAXISTIPP | Nicht der Erbschaftsteuer unterliegen die kraft Gesetzes entstehenden Versorgungsbezüge (z. B. Versorgungsbezüge für Hinterbliebene von Beamten aus der Beamtenpension oder Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Form von Witwen- und Waisenrenten). Ebenfalls unterliegt der Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten/Lebenspartners nach § 5 ErbStG nicht der Erbschaftsteuer.

 

 

b) Bewertung und Abzug der Nachlassverbindlichkeiten

Von den erworbenen Vermögensgegenständen sind die Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen (§ 10 Abs. 5 ErbStG). Die Bewertung richtet sich ebenfalls gemäß § 12 ErbStG nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Abzugsfähig sind danach:

 

  • 1. die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits dort berücksichtigt worden sind,
  • 2. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen und
  • 3. die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.

 

Nicht abzugsfähig sind hingegen die vom Erbe zu zahlenden Erbschaftsteuern (§ 10 Abs. 8 ErbStG).

 

PRAXISTIPP | Für die unter Nummer 3 fallenden Kosten wird vom Finanzamt insgesamt ein Betrag von 10.300 EUR ohne Nachweis abgezogen. Übersteigen die tatsächlichen Kosten nicht diesen Betrag, lohnt es sich nicht, Belege aufzubewahren und beim Finanzamt einzureichen. Mandanten sollten dann die Pauschale nutzen.

 
  • Beispiel

Alleinerbe Max erhält diverses Vermögen mit einem erbschaftsteuerlichen Wert von 800.000 EUR. Daneben muss er vom Verstorbenen ein Darlehen übernehmen. Dieses valutiert zum Todestag mit 200.000 EUR. Die Kosten der Beerdigung belaufen sich auf 5.000 EUR.

 

Lösung: Die Bereicherung von Max beträgt 589.700 EUR, da von dem Vermögensanfall (800.000 EUR) die Nachlassverbindlichkeiten (200.000 EUR) und die Pauschale für Bestattungskosten (10.300 EUR) abzuziehen sind.

 

2. Typische Steuerbefreiungen

Doch nicht jeder erworbene Vermögensgegenstand unterliegt in voller Höhe der Erbschaftsteuer. Es gibt eine Vielzahl von Steuerbefreiungen. In der Praxis sind bei Senioren insbesondere folgende Befreiungen typischerweise anzuwenden:

 

a) Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke

Erhält der Erbe ein zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück, wird eine pauschale Steuerbefreiung von 10 Prozent gewährt. Denn

  • bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile,
  • die zu Wohnzwecken vermietet werden,
  • im Inland, der EU oder dem EWR gelegen sind und
  • nicht zu einem begünstigten Betriebsvermögen gehören,

sind gemäß § 13d Abs. 1 ErbStG nur mit 90 Prozent ihres Werts anzusetzen.

 

  • Beispiel

Erbin Anna erhält aus einer Erbschaft unter anderem ein zu Wohnzwecken vermietetes Mehrfamilienhaus. Der gesondert festgestellte Grundbesitzwert beläuft sich auf 1.000.000 EUR.

 

Lösung: Grundsätzlich wäre das Mehrfamilienhaus mit 1.000.000 EUR für Zwecke der Erbschaftsteuer anzusetzen. Da es zu Wohnzwecken vermietet ist, werden bei Anna hingegen nur 90 Prozent, also 900.000 EUR, angesetzt.

 

PRAXISTIPP | Wäre das Mehrfamilienhaus mit einem Darlehen belastet und würde dieses ebenfalls auf Anna übergehen, wäre der Darlehenssaldo zum Todestag als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig und würde die Bereicherung von Anna entsprechend reduzieren. Da das Mehrfamilienhaus zu 10 Prozent steuerfrei ist, darf das Darlehen aber ebenfalls nur zu 90 Prozent erbschaftsteuermindernd angesetzt werden (§ 10 Abs. 6 S. 3 ErbStG).

 

b) Steuerbefreiung für Betriebsvermögen

Betreibt der Senior noch einen Betrieb und geht dieser auf den Erben über, winken erhebliche Steuerbefreiungen in den §§ 13a, 13b ErbStG. Oft ist der Erwerb in voller Höhe von der Erbschaftsteuer befreit. Denn werden die Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG eingehalten und handelt es sich um begünstigtes Vermögen, bleibt dieses regelmäßig zu 85 Prozent steuerfrei. Bis zu einem Wert von 1.000.000 EUR greift sogar regelmäßig eine vollständige Befreiung.

 

PRAXISTIPP | Die umfangreiche Steuerbefreiung gilt auch bei Beteiligungen an Personengesellschaften. Ebenso bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, wenn die Beteiligung mindestens 25 Prozent beträgt.

 

c) Steuerbefreiung für Hausrat und bewegliche Gegenstände

In § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist eine Steuerbefreiung für Hausrat und bewegliche körperliche Gegenstände vorhanden. Es handelt sich um Freibeträge, welche abhängig von der jeweiligen Steuerklasse des Erwerbers sind.

 

aa) der Erwerber gehört der Steuerklasse I an

Hierunter fallen Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Stiefkinder, Enkel, Urenkel und deren Nachkommen, Eltern und Großeltern. In diesem Fall bleiben steuerfrei (Freibetrag):

 

  • Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke, soweit der Wert insgesamt 41.000 EUR nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG)
  • Andere bewegliche körperliche Gegenstände (z. B. PKW, Musikinstrumente, Schmuck, Tiere und Uhren), soweit der Wert insgesamt 12.000 EUR nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG)

 

  • Beispiel

Die Tochter Tanja erbt von ihrem verstorbenen Vater unter anderem den Hausrat (Wert von 45.000 EUR) und einen PKW (Wert von 15.000 EUR).

 

Lösung: Von dem Hausrat unterliegen nach Abzug des Freibetrags nur 4.000 EUR und von dem PKW nach Abzug des Freibetrags nur 3.000 EUR der Besteuerung.

 

bb) der Erwerber gehört der Steuerklasse II oder III an

Hierunter fallen alle anderen Erwerber. In diesem Fall bleiben erworbener Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke und andere bewegliche körperliche Gegenstände steuerfrei, soweit der Wert insgesamt 12.000 EUR nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG).

 

  • Beispiel

Frieda erbt von ihrem verstorbenen Nachbarn unter anderem den Hausrat (Wert von 45.000 EUR) und einen PKW (Wert von 15.000 EUR).

 

Lösung: Von der gesamten Summe (60.000 EUR) ist der Freibetrag von 12.000 EUR abzuziehen, sodass 48.000 EUR der Besteuerung unterliegen.

 

Wichtig | Nicht unter die Befreiung fallen Zahlungsmittel, Wertpapiere, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen.

 

d) Steuerbefreiung für das Familienheim von Ehe- und Lebenspartnern

Viele Senioren leben in einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft und bewohnen eine im gemeinsamen Eigentum stehende Wohnung oder ein Einfamilienhaus. Stirbt einer der Partner, geht das Miteigentum regelmäßig auf den hinterbliebenen Partner über. Der hierfür vom Finanzamt festgestellte Grundbesitzwert unterliegt der Erbschaftsteuer. Gleiches gilt, wenn der Verstorbene Alleineigentümer war. Glücklicherweise gewährt das Finanzamt in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG eine Steuerbefreiung für Familienheime. Befindet sich das Objekt im Inland, der EU oder dem EWR, bleibt das erworbene Eigentum oder Miteigentum steuerfrei, soweit der Verstorbene darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (oder er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war ‒ z. B. aufgrund von Pflegebedürftigkeit) und die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist.

 

  • Beispiel

Die Ehegatten Helmut und Beate bewohnen ein Einfamilienhaus. Das Haus gehört alleine Helmut. Helmut verstirbt und vererbt das Haus Beate. Diese bleibt in dem Haus wohnen. Der Grundbesitzwert beträgt 300.000 EUR.

 

Lösung: Grundsätzlich würden die 300.000 EUR bei Beate der Erbschaftsteuer unterliegen. Da das Haus zunächst vom Verstorbenen und danach von der Erbin zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, handelt es sich um ein steuerbegünstigtes Familienheim. Damit bleiben die 300.000 EUR steuerfrei.

 

Wichtig | Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.

 

e) Steuerbefreiung für das Familienheim bei Kindern

Wird das Familienheim nach Erwerb von Todes wegen nicht durch den Ehegatten bzw. Lebenspartner, sondern durch Kinder/Stiefkinder oder Kinder bereits verstorbener Kinder/Stiefkinder zu eigenen Wohnzwecken genutzt, greift ebenfalls eine Steuerbefreiung (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Allerdings gilt diese nicht für das gesamte erworbene Familienheim, sondern nur insoweit, wie die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt.

 

  • Beispiel

Der Senior Frank bewohnt ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 250 m². Frank verstirbt und vererbt das Haus seiner Tochter Thea. Diese zieht unverzüglich in das Haus ein. Der Grundbesitzwert beträgt 300.000 EUR.

 

Lösung: Grundsätzlich würden die 300.000 EUR bei Thea der Erbschaftsteuer unterliegen. Da es sich um ein Familienheim handelt und Thea unverzüglich die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt, bleiben 240.000 EUR steuerfrei (300.000 EUR / 250 m² x 200 m²).

 

Wichtig | Auch diese Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert.

Quelle: Ausgabe 03 / 2022 | Seite 50 | ID 47998910