· Fachbeitrag · Urlaubsrecht
Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis
von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen
| Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des ArbN, haben dessen Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Erben des ArbN auf Urlaubsabgeltung. Der Beklagte ist ein ArbG des öffentlichen Dienstes. Der ArbN war dort langjährig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Tod des ArbN am 20.12.10 beendet.
Nach § 26 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) standen dem Erblasser in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage Urlaub zu. Da der ArbN als schwerbehinderter Mensch anerkannt war, hatte er zudem gemäß § 125 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB IX a.F. für das Jahr 2010 Anspruch auf anteiligen Zusatzurlaub von zwei Arbeitstagen.
Die Klägerin ist die Alleinerbin des ArbN. Sie verlangt die Abgeltung des Resturlaubs von insgesamt 25 Arbeitstagen, der ihrem verstorbenen Ehemann zum Zeitpunkt seines Todes für das Jahr 2010 noch zustand.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt (LAG Düsseldorf 15.12.15, 3 Sa 21/15). Das Ende des Arbeitsverhältnisses habe zur Folge, dass der restliche Urlaub gegenüber den Erben des ArbN abgegolten werden müsse.
Entscheidungsgründe
Das BAG (22.1.19, 9 AZR 45/16, Abruf-Nr. 206734) bestätigte das Berufungsurteil. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG sei der restliche Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, abzugelten. Dies gelte auch für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch den Tod des ArbN beendet wird.
§ 1, § 7 Abs. 4 BUrlG müssten aufgrund des europäischen Unionsrechts dahingehend ausgelegt werden. Der EuGH habe entschieden, dass der durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistete Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht mit dem Tod des ArbN im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen dürfe, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub bestehe (6.11.18, C-569/16 und C-570/16, Abruf-Nrn. 205303 und 202139). Der entsprechende Abgeltungsanspruch müsse im Wege der Erbfolge auf den Rechtsnachfolger des ArbN übergehen.
Daraus folge für die richtlinienkonforme Auslegung der § 1, § 7 Abs. 4 BUrlG, dass die Vergütungskomponente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse nach § 1922 BGB werde und auf die Erben übergehe. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasse dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach § 1, § 3 Abs. 1 BUrlG von 24 Werktagen. Auch der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F. sowie der Anspruch auf weitergehenden Mehrurlaub nach § 26 TVöD sei entsprechend abzugelten.
Hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs fehle es an einer anderslautenden Vereinbarung der Tarifvertragsparteien. Diese hätte dem Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des ArbN zuweisen können. Von dieser Möglichkeit sei indes kein Gebrauch gemacht worden.
Relevanz für die Praxis
Das vorliegende Urteil beinhaltet keine Überraschungen. Es stellt lediglich die Folgen klar, die durch den EuGH bereits deutlich vorgezeichnet wurden. Besteht im Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses noch ein Anspruch auf restlichen Urlaub, ist dieser abzugelten.
Nachdem das BAG dieser bereits im nationalen Recht klar und deutlich in § 7 Abs. 4 BUrlG formulierten Rechtsfolge für den Fall des Todes des ArbN jedoch eine Absage erteilt hatte (siehe zuletzt BAG 12.3.13, 9 AZR 532/11), musste der EuGH ein Machtwort sprechen. Der Tod des ArbN ist ein Fall der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Wie bei anderen Beendigungstatbeständen auch entsteht danach ein Urlaubsabgeltungsanspruch für noch nicht genommenen restlichen Urlaub. Dieser wird als reiner Geldanspruch Bestandteil der Erbmasse. Er geht im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 BGB auf die Erben über. Diesen Vorgaben muss das BAG nun folgen. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht auch klar, dass diese Rechtsfolge für alle gesetzlichen Urlaubsansprüche gleichermaßen gilt. Namentlich der gesetzliche Mehrurlaub für schwerbehinderte Menschen unterliegt den gleichen rechtlichen Folgen wie der gesetzliche Mindesturlaub. Grundsätzlich trifft dies auch auf restlichen Mehrurlaub aus einer individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarung zu. Dieser Grundsatz kann jedoch durch anderslautende Abreden der Vertrags- oder Tarifvertragsparteien durchbrochen werden. Diese können den Verfall der Mehrurlaubsansprüche gesondert regeln.
Soweit das BAG darüber hinaus andeutet, dass auch die Vererbbarkeit eines Urlaubsabgeltungsanspruchs hinsichtlich tariflichen Mehrurlaubs zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehe, begegnet dies Zweifeln. Die (Tarif-)Vertragsparteien dürften es nun in der Hand haben, Verfallfristen für Mehrurlaub zu bestimmen. Ist restlicher Urlaub dagegen im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vorhanden und nicht verfallen, entsteht der Abgeltungsanspruch. Diese Rechtsfolge ist nicht (tarif-)disponibel, ebenso wenig wie die zwingende Regelung der Universalsukzession nach § 1922 BGB. Dies gilt für gesetzlichen Urlaub genauso wie für etwaigen Mehrurlaub.