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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Auf dem Prüfstand: Frist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen

von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Meurer, Baesweiler

| Die Umsatzsteuer ist in vielen Bereichen sehr formalistisch. Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug bei nicht nur unternehmerisch genutzten Gegenständen (z. B. Fotovoltaikanlagen). Hier ist eine zeitnahe Zuordnung zum Unternehmensvermögen erforderlich. Der BFH (18.9.19, XI R 3/19, Abruf-Nr. 213869 ; 18.9.19, XI R 7/19, Abruf-Nr. 213872 ) hat aber nun Zweifel an seiner bisherigen strengen Auslegung geäußert und insoweit beim EuGH angefragt. |

1. Ausgangsbeispiel

Rechtsanwalt R erwirbt zum 1.1.19 einen neuen Pkw für 50.000 EUR (zzgl. 9.500 EUR USt). Laut dem für das bisherige Fahrzeug geführten Fahrtenbuch beträgt die unternehmerische Nutzung 60 %. Im Laufe des Jahres fallen Tank- und Wartungskosten über 10.000 EUR (zzgl. 1.900 EUR USt) an.

 

R erstellt seine laufende Buchführung selbst. Lediglich die Jahresabschlussarbeiten werden von seinem Steuerberater durchgeführt. Die o. a. Anschaffung lässt er für den Steuerberater „liegen“ und veranlasst insoweit keine Buchungen. Der Steuerberater reicht die USt-Jahreserklärung am 15.7.20 (Abwandlung: 15.8.20) beim FA ein.

2. Die bisherige Sichtweise

Bei einem einheitlichen Gegenstand (z. B. Gebäude, Pkw), der teilweise unternehmerisch und teilweise privat genutzt wird, hat der Unternehmer ein Wahlrecht (vgl. A 15.2c Abs. 2 UStAE). Er kann den Gegenstand

  • insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, wenn die unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG),
  • in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen,
  • im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung seinem Unternehmensvermögen zuordnen.

 

R kann den Pkw grundsätzlich im Zeitpunkt der Anschaffung vollumfänglich seinem Unternehmen zuordnen und die 9.500 EUR USt als Vorsteuer abziehen. Auch aus den Tank- und Wartungskosten kann R dann aus Vereinfachungsgründen ebenfalls den vollen Vorsteuerabzug (1.900 EUR) geltend machen (vgl. A 15.2c Abs. 2 S. 6 UStAE).

 

Entscheidet sich der Unternehmer für die Vollzuordnung, sind derzeit jedoch einige (formale) Punkte zu berücksichtigen:

 

Die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu treffende Zuordnungsentscheidung bedarf einer zeitnahen Dokumentation. Wurde die Zuordnung bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht dokumentiert, ist sie spätestens bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (31.7. des Folgejahrs) gegenüber dem FA zu erklären. Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen verlängern die Dokumentationsfrist nicht (A 15.2c Abs. 16 UStAE). Insoweit hat das BMF die strenge Rechtsprechung des BFH (u. a. 7.7.11, V R 42/09) übernommen.

 

Reicht der Steuerberater die USt-Jahreserklärung am 15.7.20 beim FA ein, dann ist die Zuordnung rechtzeitig erfolgt, sodass R den vollen Vorsteuerabzug (9.500 EUR) geltend machen kann. Die Privatnutzung (40 %) unterliegt dann der Wertabgabenbesteuerung i. S. des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG.

 

Bei der Abwandlung (Einreichung am 15.8.20) ist die Zuordnung nicht rechtzeitig erfolgt, sodass der Pkw kein Unternehmensvermögen ist (auch nicht i. H. des unternehmerischen Anteils von 60 %). Die Folgen: Es sind keine Vorsteuern abziehbar; im Gegenzug entfällt eine Wertabgabenbesteuerung.

3. Die EuGH-Vorlagen

In beiden Verfahren (Errichtung eines Arbeitszimmers: BFH 18.9.19, XI R 3/19, EuGH C-45/20 sowie Erwerb einer Fotovoltaikanlage: BFH 18.9.19, XI R 7/19, EuGH C-46/20) versagten die FÄ mangels rechtzeitiger Zuordnung zum Unternehmen einen Vorsteuerabzug in Gänze. Die FG wiesen die Klagen jeweils ab.

 

Nach Auffassung des BFH ist jedoch ‒ insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH (25.7.18, C-140/17 „Gmina Ryjewo“) ‒ zweifelhaft geworden, ob die bislang von der Rechtsprechung entwickelten und angewendeten Kriterien zur Ausübung des Zuordnungswahlrechts mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Daher möchte der BFH vom EuGH im Kern geklärt haben,

  • 1. ob ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen darf und
  • 2. welche Rechtsfolgen eine Versäumung der Frist hätte.

 

Im Verfahren „Gmina Ryjewo“ hatte der EuGH einer Gemeinde trotz anfänglicher ausschließlicher hoheitlicher Nutzung bei späterer teilweiser unternehmerischer Verwendung eine Berichtigung i. S. des § 15a UStG zugestanden. Als wesentlich für eine mögliche Berichtigung sah er dabei u. a. an, dass die Gemeinde bei Erwerb nicht ausdrücklich die Absicht bekundet hatte, diesen Gegenstand für eine besteuerte Tätigkeit nutzen zu wollen, es aber auch nicht ausgeschlossen hatte (vgl. auch Meurer, MBP 18, 150).

 

Beachten Sie | Das Verfahren „Gmina Ryjewo“ betraf die öffentliche Hand. Daher hat z. B. das FG Rheinland-Pfalz (27.11.19, 3 K 2217/18, Rev. BFH V R 4/20) eine Anwendung auf privatrechtlich organisierte Unternehmer abgelehnt. Es ist, so das FG, völlig offen, wie sich die neuen Maßstäbe der Entscheidung „Gmina Ryjewo“ auf die Divergenz zwischen wirtschaftlicher und privater Tätigkeit eines Unternehmers auswirken können. Bis dies durch den EuGH und den BFH geklärt ist, sollten vergleichbare Fälle unter Hinweis auf die anhängigen Verfahren offengehalten werden.

Quelle: Seite 94 | ID 46416271